Es ist daher zunächst zu untersuchen, ob die gerügten Uebel-
stände so schwerwiegender Natur sind, dass hierdurch eine erhebliche
Verzerrung des gewünschten Bildes verursacht wird.
Um die Differenzen der Niederschlagshöhen zu bestimmen,
welche dadurch hervorgerufen worden sind, dass hei den Instrumenten
die Grösse der Auffangefläche verschieden ist, liegen leider
nur spärliche und kurzreihige vergleichende Beobachtungen vor.
Die letzteren sind mit dem jetzt in Elsass-Lothringen von dem
meteorologischen Landesdienst eingeführten HELLMANN’schen1 Instrumente
angestellt worden, so dass hierdurch zugleich ein Bindeglied,
wenn auch nur ein schwaches, zwischen mehreren alten und neuen
Beobachtungen geschaffen ist.
Der Vergleich des bis Mitte 1891 von den Stationen der Wasserbauverwaltung
und des Meliorationswesens gebrauchten Instrumentes 2
mit dem HELLMANN’schen Begenmesser ergab im fünfmonatlichen
Mittel eine Mehrleistung des letzteren im Betrage von 2,7%. Die
Ursache liegt darin, dass beim ersteren Instrumente die Niederschlagsmenge
vermittelst eines Schwimmers bestimmt wurde, einer
Einrichtung, durch welche die Verdunstung bedeutend stärker zu
Tage tritt. Die Niederschlagshöhen der genannten Stationen sind
daher als etwas zu niedrig anzusehen.
Das von den forstlich meteorologischen Stationen gebrauchte
Instrument3 ist von diesem Fehler frei und dürften daher die Resultate
desselben mit denen des neuen Regenmessers ziemlich genau
übereinstimmen. Vergleichende Beobachtungen fehlen hier jedoch.
Die in dem gleichen Zeiträume angestellten vergleichenden
Beobachtungen des von der Station Rothau benutzten Regenmessers4
mit dem neuen zeigten eine Minderleistung des letzteren von 8,2 %.
Ist in diesem kurzen Zeitraum die Differenz auch eine beträchtliche,
so nimmt sie jedoch im längeren, dreijährigen Mittel, wo sie nur
noch 4,6 % beträgt, ab.
Weitere, mehrere Monate lang angestellte vergleichende Beobachtungen
sind erst in allerjüngster Zeit von der Station Colmar
ausgeführt worden. Das Resultat ist, dass das HELLMANN’sche Instrument
im fünfmonatlichen Mittel 2% mehr Niederschlag als das alte 5
auffängt. Der Grund dieser Erscheinung liegt hier in der fünf Meter
Rohen Aufstellung des letzteren über dem Erdboden.
H e l lm a n n , Bericht über vergleichende Beobachtungen an Regenmessern
verschiedener Construction zu Gross-Lichterfelde bei Berlin. (Abhandlungen des
Königlich Preussischen Meteorologischen Instituts. Bd. I. No 3 Berlin 1890
S. .[12. 13] bezw. S. 72. 73.)
■•7 *7 B e a c h tu n g e n der atmosphärischen Niederschläge in Elsass-Lothringen
wahrend der Jahre 1874—1882, zusammengestellt im Ministerium für Elsass-
Lothringen. Strassburg i.E. 1883. S. 4.
3 Beobachtungen der atmosphärischen Niederschläge in Elsass-Lothringen,
während der Jahre 1874—1882, zusammengestellt im Ministerium für Elsass-
Lothringen. Strassburg i.E. 1883. S. 4.
4 D i e t z : Lespluiesen Alsace-Lorraine de 1870-1880. Strassburg 1883 S 20.
5 Ibidem S. 23. .
Da nach W ild 1 höher als zwei Meter aufgestellte Regenmesser
kleinere Mengen geben, als solche in einer Höhe von ein bis zwei
Meter, so sind die gemittelten Niederschlagshöhen von Colmar und
die von Mülhausen Stadt, woselbst der Regenmesser 15 m über
dem Boden sich befindet, in Wirklichkeit höher zu veranschlagen.
Der von fast allen übrigen Stationen der Mülhäuser industriellen
Gesellschaft noch jetzt gebrauchte französische Pluviometer 2 ist zwar
nicht mit dem HELLMANN’schen verglichen worden, trotzdem kann
man aus der Aehnlichkeit desselben mit letzterem schliessen, dass
auch hier die Differenz der Mengen eine geringfügige ist.
Zieht man schliesslich noch den Umstand in Betracht, dass
wie H ellmann 3 auf dem Regenmesser-Versuchsfeld bei Berlin gezeigt
hat, selbst Regenmesser der verschiedenartigsten Construction keine
bedeutende Differenzen in Hinsicht auf die aufgefangenen Niederschlagsmengen
ergeben, so ist der gerügte Missstand wenn auch
störend, so doch nicht von erheblichem Einfluss.
Da die Aufstellung der Regenmesser mit beiden oben angeführten
Ausnahmen sich in den Höhengrenzen von ein bis zwei
Metern bewegt, kann man annehmen, dass dieselbe nicht schwer ins
Gewicht fällt; man kann dies um so mehr thun, als jedesmal nach
der localen Lage die Aufstellung des Instrumentes dergestalt vorgenommen
worden ist, dass andere sonst störende Factoren, wie z. B.
vor allen Schneeeinwehung, besonders bei den öfter eine über einen
Meter hohe Schneedecke aufweisenden Höhenstationen, in ihrer Beeinflussung
abgeschwächt wurden.
Was die Zeit der Messungen anbelangt, fiel dieselbe bei einem
Teil4 der Stationen auf 7 Morgens, bezw. 8 Morgens, bei den anderen5
auf Mittag.
Gemäss der Bestimmung des internationalen meteorologischen
Congresses zu München 1891, dass ein Niederschlagstag von 7 Morgens
bis 7 Morgens des folgenden bürgerlichen Tages zu zählen ist, wurde
der Niederschlagstag der um 7 Morgens bezw. 8 Morgens messenden
Stationen als der normale angenommen.
1 W i l d : Regenverhältnisse des russischen Reiches. V. Supplementband zum
Repertorium für Meteorologie. St. Petersburg 1 8 8 7 . S. 2.
2 Nach handschriftlicher Mittheilung der Mülhäuser Industriellen Gesellschaft :
Pluviomètre de l’Association française (siehe: A. A n g o t : Instructions météorologiques.
Paris 1 8 9 1 . G a u t h i e r - V i l l a r s . S 5 5 ).
3 H e l lm a n n , Bericht über vergleichende Beobachtungen an Regenmessern
verschiedener Construction zu Gross-Lichterfelde bei Berlin. (Abhandlungen des
Königlich Preussischen Meteorologischen Instituts. Bd. I. No. 3 . Berlin 1 8 9 0 .
S. [6] bezw. S. 66).
4 Siehe : Beobachtungen der atmosphärischen Niederschläge in Elsass-Lothringen
während der Jahre 1 8 7 4— 1 8 8 2 . Zusammengestellt im Ministerium für
Elsass-Lothringen. Strassburg 1 8 8 3 . S. 2 u. 3 . (Colmar: [Gasanstalt] Morgens
und Abends; seit Mai 1 8 9 2 7 Morgens.)
6 Siehe ibidem S. 2 u. 3 . (Seit 1. Juli 1 8 9 1 messen fast sämmtliche Stationen
des meteorologischen Landesdienstes um 7 Morgens die gefallene Niederschlagshöhe.
Münster erst seit 1 8 9 3 ). Die Stationen der Mülhäuser Industriellen Gesellschaft
laut schriftlicher Mittheilung. (Die Forststationen messen erst um B Morgens.)