schluss durch das Thal der Bechine, in welches sich die Höhenlinien
herahsenken. Nördlich von dem Thal bildet sich ein neuer Kamm,
der von dem Hauptkamm und seinen Verzweigungen gänzlich unabhängig
zu sein scheint. Die Kammlinie steigt steil zum Gipfel des
Bressoir empor und setzt sich in nordöstlicher Bichtung bis zum
Rheinthal fort, in das sie bei Kestenholz ausläuft.
Der Hauptkamm bis zum Weissen See mit den soeben geschilderten
Verzweigungen östlich und westlich des oberen Bechinethales
besteht aus Kammgranit. In gleicher Weise setzt sich der Bressoir-
kamm nördlich vom Bechinethal aus Granit zusammen. Jedoch ist
der letztere Granit nach Untersuchungen von P. Groth. älteren Ursprungs
als der des Hauptkammes und seiner Verzweigungen. Diese
ältere Granitmasse schiebt sich in spitzem Winkel in die jüngere
vor und ist nach der Meinung von Groth die Ursache für jene Zersplitterung
des Hauptkammes, die unmittelbar nördlich vom Weissen
See beginnt. Charakteristisch und in dieser Beschreibung des See-
beckens an erster Stelle hervorzuheben ist also die Lage des Weissen
Sees unmittelbar östlich von dem Anfangspunkt dieser Zersplitterung.
Das Gasthaus zum Weissen See liegt auf dem Plateau, welches die
beiden Nebenlinien des Hauptkammes theilt.
Der Weis s e See besitzt die Gestalt eines ungleichseitigen
Dreiecks und hat eine Oberfläche von 29 ha. Er ist der grösste
aller Vogesenseen, die östlich des Hauptkammes liegen, unter welchen
er auch, wenigstens wenn wir die wirklich nassen Seen ins
Auge fassen, die grösste Meereshöhe hat. Er liegt in einer absoluten
Höhe von 1054,5 m. Die längste Seite des Dreiecks,' welches
seine Gestalt bestimmt, liegt nach Osten und zieht sich am Fusse
eines langgestreckten Bergrückens hin, dessen Längsachse ungefähr
der Uferlinie parallel verläuft. Der höchste Punkt dieses Bergrückens
befindet sich 73 m über dem Seespiegel. Dieser langgestreckte
Rücken, der bei dem Plateau, auf welchem das Hotel liegt, ansetzt,
erstreckt sich in südsüdöstlicher Richtung in einer Länge von 800
«^-1000 m bis zum Ausfluss des Sees, nach welchem er mit seiner
südlichen spitzen Ecke ziemlich schnell abfällt. Die Abdachung nach
Westen zum See hin ist nur etwas steiler als die östliche, welche
zum Weissbachthal hinabführt. Seine Oberfläche ist mit Wald bedeckt,
dessen Stämme einen verkrüppelten Eindruck machen. Die
Forstverwaltung ist bemüht, durch Kulturen und Anpflanzungen diese
Walddecke zu verdichten. Die ganze Oberfläche des Berges ist mit
gewaltigen Granitblöcken übersät, deren Grösse eine ganz verschiedene
ist. Von kleineren, die vielleicht noch ein Menschenarm zu
heben vermag, geht ihre Grösse bis zu mächtigen Quadern, deren
Dimensionen mehrere Meter übersteigen können. Die Blöcke sind
im allgemeinen scharfkantig, nur diejenigen, welche im Humus des
Berges eingebettet liegen, haben durch Verwitterung eine Abrundung
erfahren. Anstehender Fels wurde an dieser Berglehne von
uns nicht beobachtet, so dicht ist derselbe mit diesen Gerölltrümmern
bedeckt; jedoch ist kein Zweifel, dass diese Blockmassen
nur oberflächlich sind, der Kern des Berges besteht aus gewachsenem
Fels.
Diese Blockbedeckung findet sich in ganz derselben Weise auf
den Gipfeln, die die östliche, am Eingänge geschilderte Verzweigung
des Hauptkammes bilden und von welchen der höchste der Sichelkopf
ist. In gleicher Weise wie unser Bergrücken sind dieselben mit
gewaltigen Granitquadern überschüttet, deren Ausbreitung meistens
eine westliche oder südwestliche ist und deren chaotische Unregelmässigkeit
den Weg für den Wanderer an vielen Stellen zu einem
gefährlichen und beschwerlichen machen. Wir halten diese ausgedehnte
Blockbedeckung lediglich für eine Wirkung der Verwitterung
des hier anstehenden und zu Tage tretenden Granits, deren Wesen
und Fortschreiten sich heute noch in jeder Stufe verfolgen lässt.
Da uns die eben erwähnte Erscheinung noch an mehreren Stellen
begegnen wird, so behalten wir uns eine zusammenhängende Schilderung
derselben vor.
Einen ganz anderen Eindruck machen die beiden anderen Uferlinien
des Sees. Sowohl die längere von ihnen, die sich in ungefähr
nordsüdlicher Richtung erstreckt, als die kürzere, die eine westöstliche
Erstreckung hat, liegen an jähen Abstürzen, deren Höhe über
dem Seespiegel im Durchschnitt 200 m beträgt. Am steilsten erfolgt
der Absturz über der südlichen Uferlinie, Hier stürzt eine Mauer
von anstehendem Fels unter einem Winkel in den See, den wir an
einer Stelle auf 60° geschätzt haben. Natürlich ist diese Felsmauer
keine einheitliche, zusammenhängende, sondern überall durch Erosion
und Verwitterung der Zerstörung anheimgegeben. Lange Furchen
hat das rinnende Wasser gegraben, die selbstverständlich einen geringeren
Fall besitzen, als der anstehende Fels. Der Neigungswinkel
geht in diesen Furchen oder Schlädden bis auf 30° herab, erreicht
jedoch auch Werthe von 45—50°. In ihnen stürzen,die Schmelzwasser
des Winterschnees herab und höhlen die Furchen immer
tiefer und tiefer aus. Treffen zwei solcher Schlädden zusammen, so
kann es sich wohl ereignen, dass der dazwischen stehen gebliebene
Fels ein thurmartiges Aussehen gewinnt und dem Auge des Wanderers
bizarre Formen darbietet. Diese Schlädden befinden sich sowohl
am Süd- als am Weststurze des Seebeckens; der am wenigsten
geneigte hat sich dort gebildet, wo beide Abstürze Zusammentreffen,
an der westlichen Ecke des Seedreieckes, er hat ungefähr
eine Neigung von 27°. Hier befindet sich die Hauptstrasse für die
Wassermengen, welche sich vom Kamme in, den See ergiessen, auf
diesem Wege werden die meisten Sedimente in das Becken geschafft,
wie die spätere Beschreibung des eigentlichen Seebeckens ergeben
wird. Schlädden von derselben Grösse und Bedeutung befinden sich
noch mehrere an der Westseite des Sees. Sie haben im allgemeinen
sine grössere Neigung als die soeben geschilderte Bildung und wurden
von uns benutzt, um mehrere Nivellements von dem Seespiegel
auf die Kammhöhe auszuführen. Zu bemerken is t, dass sie stets
die geringsten Werthe der hier stattfindenden Neigung geben, da
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