werden. Gleichwohl erscheint ein Einfluss der Sonnenstellung auf
die Erdbebenhäufigkeit nicht vollständig ausgeschlossen. Wir wissen
jetzt durch die von R ebeur mit seinem Horizontalpendel angestellten
Beobachungen (Astron. Nachrichten 1889), dass — wie allerdings
theoretisch von vornherein vorauszusehen war — Sonne und Mond
nicht nur in der Wasserhülle der Erde, sondern auch in der Erdfeste
selbst Fluthbewegungen, wenn auch von sehr geringen Beträgen
hervorrufen. Wäre es da so undenkbar, anzunehmen, dass diese wenn
auch geringen Bewegungen im Stande wären, schon vorhandene
Spannungen im Felsgerüst der Erde zur Auslösung zu bringen?
Wäre das aber der Fall, so müsste in der Zeit der Sonnennähe,
wo die.Fluthhöhe eine grössere, auch die Zahl der Erdbeben eine
bedeutendere als in der Zeit der Sonnenferne sein.
Nach meiner Ueberzeugung werden allerdings einen weit grösseren
Einfluss auf die Häufigkeit der Erdbeben die Luftdruckverhältnisse
ausüben. Die Bewegungen, durch welche die Mehrzahl der Erdbeben
hervorgerufen werden, sind im allgemeinen nach abwärts gerichtete,
und für solche kann das Gewicht der Luftsäule, welche auf einer zum
Absinken neigenden Scholle der Erdrinde ruht, sehr wohl von Bedeutung
sein. Nun stammt die überwiegende Zahl aller der unseren
Erdbebenstatistiken zu Grunde gelegten Beobachtungen aus den
kontinentalen Gebieten der Nordhalbkugel, wo in der Zeit von
Oktober bis März im allgemeinen hoher Luftdruck herrscht. Es ist
daher keineswegs undenkbar1, dass dieser hohe Luftdruck die Veranlassung
zu der grösseren Häufigkeit der Erdbeben im Winterhalbjahr
der Nordhalbkugel ist. Wäre das der Fall, so müssten allerdings
auf der Südhalbkugel die umgekehrten Verhältnisse herrschen;
es müssten ferner in den oceanischen Gebieten der Nordhalbkugel
im Sommer, in denen der Südhalbkugel im Winter die Erdbeben
eine grössere Häufigkeit zeigen. Die Statistik der Erdbeben der
südlichen Hemisphäre und der Seebeben sind noch zu unvollständig,
um auf dieselbe irgend welche Theorieen aufbauen zu können.
Jedenfalls aber wäre es wünschenswerth, bei der Betrachtung der
Erdbeben in Zukunft auch die Luftdruckverhältnisse in Rechnung
zu ziehen, und ich möchte auf diesen Punkt hiermit die Aufmerksamkeit
der Seismologen hinlenken. Die Berücksichtigung der atmosphärischen
Verhältnisse würde uns vielleicht auch eine Erklärung
dafür geben, wesshalb in einzelnen Schüttergebieten die Erdbebenhäufigkeit
im Winter schärfer hervortritt, als in anderen.
Für den Verlauf der seismischen Curven im einzelnen die bestimmenden
Ursachen aufsuchen zu wollen, erscheint leider zur Zeit
noch völlig unmöglich. Die Karten der Luftdruckvertheilung von
H ann („Die Vertheilung des Luftdrucks über Mittel- und Süd-Europa.“
Geogr. Abh., herausgeg. von A. P enck. Bd. II. 1887) geben dafür
noch keinen bestimmten Anhalt. Das Juni-Minimum fällt ja annähernd
mit der Zeit grösster Sonnenferne zusammen, räthselhaft
aber bleibt vorläufig das Vorhandensein der Maxima im Mai und
November. Für das letztere verdient noch folgende Thatsache hervorgehoben
zu werden. Das Hauptmaximum der Schweizer Erdbeben
liegt, nach Volger im December. In dem nächstgelegenen Thexl der
oberrheinischen Tiefebene, dem Basler Schüttergebiet, ist das November
Maximum bereits ausgebildet, indess ist die Zahl der in diesem
Monat beobachteten Erdbeben hier nur wenig grösser, als derjenigen
im December. In dem nördlichsten Theil dagegen, im Mainzer Becken,
ist das November-Maximum besonders ■ scharf ausgeprägt. Die Zahl
fier Erdbeben im November übertrifft hier diejenigen des December
um fast das Doppelte.
Ve r t h e i l u n g der Er d b e b e n na ch Tage s z e i t en.
Bei der Untersuchung der Vertheilung der Erdbeben nach Tageszeiten
konnten nur die Erdbeben der beiden letzten Jahrhunderte
berücksichtigt werden, da nur von ihnen genügend zuverlässige Nachrichten
in Bezug auf die Tageszeit Vorlagen. Es sind bei der folgenden
Berechnung natürlich alle einzelnen StÖsse, soweit dieselben als
selbständige aufgefasst werden konnten, gezählt worden. Es ergaben
sich folgende Zahlen:
Ohne
1 2 -3
3—6 6—9
9—12-
12—3 |3—6 6—9
9—12
Nachts | Tags ohne spec. Zeitangabe
Gesammt
h. a.
h. a. h. a.
h. a.
h. p. b, p. h. p.
li. p.
Stundenangabe
78 114 | 91 72 70 | 69 j 6a 118 23 I f 108 806
Bei Berechnung der Erdbebenhäufigkeit nach Procenten wurden
diejenigen 108 Stösse, von denen eine Angabe der Tageszeit überhaupt
nicht vorlag, gar nicht berücksichtigt, diejenigen dagegen, von denen
allerdings nicht die genaue Stundenzahl, wohl aber angegeben war,
ob sie am Tage oder bei Nacht eingetreten waren, wurden auf die
Tages-, bezüglich Nachtstunden gleichmässig vertheilt. Es ergab sich
dann folgende Vertheilung nach Procenten:
12—3
3—6
6—9
9—12
1 2 - 3
3—6
6—9
9—12
h. p. Gesammt
h. a.
h. a.
h. a.
h. a.
h. p.
h. p.
h. p.
12 ,1 17,3 13,3 10,5 10,2 8,7 10 ,0' 17,9 100
Die Tabelle zeigt ein Ueberwiegen der Erdstösse in der Nachtzeit,
auf welche 57,3 Procent, gegenüber 42,7 Procent am Ta,ge
fallen. Aehnliche Beobachtungen sind auch sonst gemacht worden.
Dagegen stimmen unsere Zahlen im einzelnen mit den von anderen
Seismologen gegebenen absolut nicht überein. Unsere seismische
Tageszeitencurve zeigt nämlich zwei Maxima zwischen 3 und 6 h. a.
und zwischen 9 und 12 h. p., ein Minimum zwischen 3 und 6 h. p.
Dagegen fand Volger für die Schweizer Erdbeben Maxima der Erdbebenhäufigkeit
zwischen 2 und 4 h. a., 10 und 12 h. p., Minima
12 und 2 h. p. und 6 und 8 h. p .; J ul. S chmidt für die Erdbeben
im Orient das Maximum zwischen 2 und 3 h. a ., das Minimum
zwischen 12 und 1 h. p. Die Resultate von Volger stimmen noch
leidlich mit den unserigen überein, diejenigen von S chmidt dagegen sind