Blumenbach, der scharfsichtige Beobachter hat die eigentümliche
Hörnerbildung des Kamelparders in seinem Handbuch der vergleichenden
Anatomie, Edit. Göttingen 1805. §. 21. pag. 35. u. 36. dadurch angedeutet
dafs er den Stirnzapfen *) desselben als in Form und Textur das Mittel
haltend zwischen Hirsch-und Antilopen-Hörnerbildung angiebt. In einer
dieser Ausgabe beigefügten Note **) erwähnter, dafs der Stimzapfen der
jungen Giraffe, den er durchgesägt gesehen, eine epiphysis bilde, die von
dem Stirnbein durch eine deutliche Knorpelscheibe abgesondert sey, und
späterhin zu einer sogenannten apophysis spuria verwachse. Es gestattet
aber der Begriff der epiphysis keine Anwendung auf die hier beschriebene
Hornbildung des Kamelparders, denn wir bezeichnen mit demselben
einen Knochenkern, der bei jungen Thieren von irgend einem Knochen,
z. B. einem Wirbelkörper, durch einen Knorpel getrennt ist, aber bei vollendetem
Wüchse mit demselben durch Knochenmasse vollkommen verwächst,
ohne die Spuren einer Nath zu hinterlassen, und der also immer
zu dem Ganzen eines einzelnen Knochens gehört. Auch müfsten nach einer
solchen Erklärung die Homknocben des Kamelparders als epiphysen von
zwei Knochen angesehen werden, da sie immer auf zweien sich gleichförmig
verbreiten. So müfste das Stirn- und Schädelbein an der Bildung
der hinteren Hörner gleichen Antheil nehmen, wie die beiden Stirnbeine
an dem vorderen des Mannes. Wenn wir nun aus solchen wohlerwogenen
Gründen der Bemerkung unsres grofsen Meisters in der Beobachtung nicht
beipflichten können, so ist es uns um so angenehmer, derselben hier dankbar
zu gedenken, da sie uns zu neuen Untersuchungen ein Sporn und
Leitfaden gewesen. 1 s iw y iino/
Der durch die vorstehende Beschreibung der von Ruppell übersendeten
Giraffen-Köpfe erwiesenen Thatsache: dafs die Hörner dieses
Thieres als besondere Knochen auf den Näthen selbst sitzen; schliefsen
sich noch andere wichtige Resultate an. So viele wissenschaftliche Untersuchungen
über die in den heiligenUrkunden und beinahe allen altenSchrift-
stellem enthaltene Nachrichten von dem Einhorn (dem Re em der Bibel
*) Unter Stimzapfen hat er wahrscheinlich die hinteren Hömer verstanden.
**) In den späteren Ausgaben desselben Werkes ist diese Anmerkung weggelassen.
***) Siehe Dr. Friedr. Albr. Ant. Meyer Versuch über das vierfüfsige Säugethier Re’em der heüigen
Schrift, als Beitrag zur Naturgeschichte des Einhorns, aus dessen zoologischem Archiv besonders abgedruckt.
* Leipzig 1196. Diese äusserst interessante Arbeit enthält wohl alles bis zu dieser Zeit über
das Einhorn Bekannte.
dein p o t i x der Septuaginta) mit den fabelhaften Berichten von demselben
zusammengestellt worden, um die gewisse Existenz dieses Thieres
darzuthun oder zu verwerfen — so viele Nachforschungen von glaubwürdigen
und unzuverläfsigen Reisenden, die dessen Aufenthaltsort bald
in die verborgensten Wüsten Affika’s, bald nach Asien verlegen, bekannt
geworden sind — so viele Vergleichungen zwischen den, von dem
Einhorn angegebenen wenigen Merkmalen in Beziehung auf seine Gestalt,
Farbe, Lebensweise etc. und anderen gekannten oder nicht berichtigten
Thierarten, als dem Orix des Oppian, *) dem Nashorn etc. unternommen
worden, um die Vermuthung zu begründen, dafs eins von diesen Thieren
unter dem Einhorn zu verstehen sey — so wenig waren alle diese urkundlichen
Belege, Nachsuchungen und Vergleichungen für den Zergliederer
befriedigend, der von dem Bildungsgesetz für die Hörner die Unmöglichkeit
ableitet, dafs ein einzelnes Horn mitten auf dem Kopfe, also auf der Stirnoder
Pfeilnath, entstehen könne. P. Camper **) hat diesen Grundsatz
als mächtigen Zweifel gegen das Vorkommen eines einhörnigen Wiederkäuers
festgestellt, und so viel uns bekannt ist, wurde derselbe bisher
nicht durch genügende Thatsachen widerlegt Diese Streitfrage sehen wir
nun mit unserem getreuen Bericht über des Kamelparders Hömerbildung
als vollkommen erledigt an. Auch glauben wir aus der Anwesenheit des
vorderen oder Stirnhornes bei unserem männlichen Thiere folgern zu
dürfen, dafs das Einhorn überhaupt möglich, und dafs keinesweges ein
einzelnes mitten auf dem Kopfe vorkommendes Horn dem Bildungsgesetz
der Kopfknochen entgegen sey.
Diese vorliegenden Thatsachen berechtigen zwar noch nicht mit der
Möglichkeit eines Einhornes auch dessen wirkliches Daseyn auszusprechen,
allein sie müssen um so mehr zu Nachforschungen nach demselben auffordern,
da wir uns überzeugt haben, dafs andere Thiere, deren die alten
Urkunden erwähnen und welche bisher verborgen geblieben, (z. B. der
Addax) wieder aufgefunden worden sind. Auch dringt sich die Vermuthung
auf, dafs die alten Schriftsteller ihre Nachrichten über dasselbe aus
dem nördlichen Afrika erhalten haben. — Am auffallendsten bleibt es immer,
*) Siehe M. H. C. Lichtenstein über die Antilopen des nördlichen Afrika’s in Beziehung auf die
Kcnntnifs, welche die Alten davon gehabt haben. Berlin 1826.
**) Siehe dessen Schreiben an die Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin, in deren Schriften
7ter Band (oder Abhandlungèn lter Band pag; 219.)