
gewonnen werden, genau wie erst Tier- und Pflanzenexperimente
die Erbeinheiten für jene Formen feststellen. Für die Hunderte
Farbenrassen der Löwenmaulpflanze (Antirrhinum) kennt man heute
schon die etwa 25 sie bedingenden „Erbeinheiten“ , ebenso eine
Anzahl anderer, die Unterschiede in der Form der Blüten, im
Wuchs usw. hervorbringen; für Mäuse, für Hühner, für Schnecken
sind für eine ganze Anzahl von solchen Merkmalen die Erbeinheiten
auf dem gleichen W e g e erschlossen. Das muß auch für
den Menschen geschehen und intensivste Arbeit, Massenbeobachtungen
bei der Kreuzung von „Linien“ (nicht nur „Rassen“ ) wird
darüber allmählich Aufschluß bringen können. Dann erst werden
wir lernen, das rassenmäßig Angeborene zu trennen von den W ir kungen
der Umwelt. D an n e r s t w ird d e r R a s s e n b e g r i f f k la r
w e r d e n L ^ S
S o s e i in fo lg e n d e n K a p i t e ln v e r s u c h t , d ie r e in d e s k r ip t
iv e n E r g e b n i s s e d e r a n th r o p o lo g is c h e n U n t e r s u c h u n g d e r
R e h o b o th e r B a s t a r d s vom S t a n d p u n k t d e r m o d e rn e n V e r -
e r b u n g s - u n d B a s t a r d ie r u n g s le h r e au s zu p rü fen . Die
Kenntnis der sog. „Mendelschen R e g e ln “, die neueren Ansichten
über „Erbeinheiten“, „Presence-Absence-Theorie“ usw. muß als bekannt
vorausgesetzt werden, es sei auf das ganz ausgezeichnete,
klar und verständlich geschriebene Buch E. B a u r s „Einführung
in die experimentelle Vererbungslehre“ (Berlin 1911) nachdrücklichst
hingewiesen1), daneben sei hier nur noch B a te s o n (1909),
G o ld s c hm id t (1911), H a e c k e r (1912) und J o h a n n s e n (1909)
genannt2).
Wer nun etwa die neueren Errungenschaften auf diesem
ganzen Gebiet der Vererbung und Kreuzung nicht verfolgt hat,
wird vielleicht bei all diesen Darlegungen sich wundern, daß sozu-
zusagen als der Kern der ganzen Rassenkreuzungsfrage die M e n d e lschen
Regeln erscheinen, daß hier auf all die anderen, sonst oft
erörterten Fragen, wie präpotente Vererbung einer Rasse, Atavis1)
Wo über Nomenklatur usw. noch Uneinigkeit besteht, folge ich ausschließlich
B a u r , spare also besondere Definitionen der verwendeten Begriffe. Bezüglich der Literatur
über Tiere und Pflanzen (nicht Mensch) stütze ich mich ebenfalls auf B au r und
gehe nur ausnahmsweise auf die betreffende Quelle selbst zurück — die Literatur hat
ja heute schon einen Riesenumfang erreicht. Daß man im Anschluß an die Nomenklatur
der übrigen Biologen auch als Anthropologe von „Bastardierung“ und „Bastarden“ spricht,
halte ich für das einzig richtige, es ist ein festgefügter biologischer Begriff. — Im täglichen
Leben ist ja das Wort unter gewissen Umständen beleidigend, das kann aber von
seiner wissenschaftlichen Verwendung nicht abhalten — uns im gewöhnlichen Leben etwa
Primaten zu nennen, kann auch als Beleidigung aufgefaßt werden.
2) Dann L en z (1. c.) 1912. (Anm. b. d, Korr.)
mus, Mischrassencharaktere, Konstanz der Rassen usw. gar nicht
eingegangen wurde. In der Ta t ist das M en d e ls ch e Gesetz heute
auch der einzige feststehende Punkt des ganzen Problems. Unsere
Kenntnisse über die sog. Aufspaltung in der 2. Bastard-, der sog.
F 2-Generation, über die Tausende von Fällen von Kreuzung, die
Analysen der „Erbeinheiten“ sind so weit, daß wir für die Unterschiede
von Varietäten, also Sippen oder Spielarten oder Rassen,
e in e g a n z u n iv e r s e l le G e l tu n g d e r M e n d e ls c h e n R e g e ln
b e h a u p te n k ö n n e n für Pflanze und Tier. Die Aufgabe ist also
für den Menschen nicht mehr die, zu prüfen, ob sich bestimmte
Eigenschaften nach den M end elschen Regeln vererben, sondern
zu zeigen, nach w e lc h e n der bekannten Zahlenreihen alle diese
sicher mendelnden Merkmale hier erscheinen und so die „Erbeinheiten“
zu analysieren. So steht also mit vollem Re cht die Erforschung
der M end elschen Erbregeln im Mittelpunkt jeder Bastardforschung.
Es soll übrigens auch auf all jene anderen Fragen
nachher eingegangen werden.
Ist nun die Rehobother Bevölkerung, die sich selbst „Bastards“
nennt, geeignet zu Studien über Rassenkreuzung und was lehrt
sie uns?
Unter Bastardierung oder Kreuzung versteht man bekanntlich
die geschlechtliche Fortpflanzung zweier nicht derselben systematischen
Einheit ungehöriger Elternindividuen. Ob diese Einheit
als Gattung, Art, Varietät, Rasse oder sonstwie bezeichnet wird,
ist einerlei, man hat da früher Unterschiede machen wollen, heute
sind die Art-, Rassen- und andere derartige Begriffe stark in der
Entwicklung stehend, es ist besser man faßt den Bastardbegriff so
weit. Ja im strengen Sinne des Wortes ist es schon Bastardzeugung,
wenn die Eltern verschiedenen „Linien“ innerhalb einer
auch engen „Population“ angehören, also, wenn sie auch nur in
einigen wenigen Merkmalen erblich voneinander verschieden sind;
so kann man sagen, Bastardierung ist die geschlechtliche Erzeugung
heterozygotischer Individuen1).
Unsere Rehobother „Bastards“ stammen, wie in Kap. II, S. 15 g e zeigt
wurde, Von Burenmännern und Hottentottenweibern ab. Auch
1), Dann wären ein Teil der Nachkommen zweier Bastarde ir~ Grades keine
Bastarde mehr; sie sind in der Tat durch nichts als solche gekennzeichnet, sind es tatsächlich
im strengsten Sinne des Wortes nicht, die Stammrassen sind in ihnen wieder
rein herausgemendelt. Da aber die Zahl verschiedener Erbeinheiten zwischen zwei derart
verschiedenen Individuen, daß wir überhaupt von Bastardierung sprechen, außerordentlich
groß ist, ist diejenige Kombination der Bastarde 2. Grades (F2), die nur und in allen
Erbeinheiten homozygotisch ist, erst unter Millionen Individuen einmal vorhanden —
solches Individuum wäre also dann kein „Bastard“ mehr nach obiger Definition; für
praktische Zwecke genügt also die an sich richtige Definition vollständig.