
4. Unter deutschem Schutze.
A ls während des ersten großen Witbooi-Herero-Krieges 1884
große Teile Südwestafrikas unter deutsche' F la g g e kamén, waren
unter den ersten die Rehobother Bastards. Am 15. Sept. 1885
schloß Pastor C. G. B ü t tn e r als Bevollmächtigter des Deutschen
Kaisers mit dem Bastardkapitän Hermanüs van : W y k einen
Schutzvertrag ab. van W y k bittet darin Seine Majestät, „den
Schutz über sein Land und V o lk übernehmen zu wollen“ (vgl.
H e s s e 1904). Er behielt sich aber eine ganze Reihe Hoheitsrechte
vor, mehr als andere Häuptlinge hatten und haben (s. unten).
Damit war also der Anschluß vollzogen, das Bastardvolk war nicht
mehr einfach zwischen Herero und Hottentotten geworfen und
damit rechtlos, es stand unter deutschem Schutz.
A b e r der „Schutz“ des Deutschen Reiches war bekanntlich
zunächst ein recht problematisches Ding! Das Deutsche Reich
hatte ja keinerlei Machtmittel, ihn auszuüben, auch lange nicht die
Absicht, ihn zu verwirklichen und sich damit Verwicklungen und
Kosten zu schaffen. So merkten natürlich die Bastards zunächst
nichts von dieser „Oberhoheit“. Immerhin konnte ihnen die A n erkennung
ihres Besitzes angenehm sein, die seitens Deutschlands
damit ausgesprochen war, daß ihnen Lüderitz mit Vertrag vom
4. Juni 1884 Gerechtsame auf Mineralabbau und Handelsbetrieb
abkaufte, als Gegenleistung wurden A b g a b en zugesagt, sobald der
Betrieb begonnen habe (nach F r a n ç o i s und L e u tw e in ) .
A u ch bei den bald folgenden Versuchen der deutschen V e r tretung
durch Sperrung und willkürliche Dirigierung der Gewehr-
und Munitionseinfuhr waren die Bastards begünstigt; sie erhielten
durch den deutschen Kommissar etwa 80 Gewehre (1888), in den
folgenden 3 Jahren noch mehr und sie sind ihnen „belassen worden“
(v. F ra n ço is ) . Ab e r in der Leidenszeit der Kämpfe zwischen
Hendrik Witbooi und den Hereros, die von 1884-S892 dauerten,
stand bekanntlich die kleine deutsche Macht „mit Géwehr bei
Fuß“ in der Mitte und sah allem ruhig zu, der Truppenführer und
K . Kommissar, Hauptmann v. F r a n ç o i s , hatte 2 Offiziere und
ganze 46 Mann als „Schutztruppe“ ! Dazu den Befehl, jedes Eingreifen
gegen einen Stamm zu vermeiden ! fflm Wie schon das
kleinste Zeichen von Hilfe hier begrüßt wurde, zeigt die Äußerung
des Bastardskapitäns, als Hauptmann v. F r a n ç o i s 1889 zwei englische
Agenten, die mit den Hereros durch Verschaffen von Schnaps
und Munition recht vertraut waren, energisch anfaßte, d. h. arretieren
ließ; er soll da gesagt haben, „daß er von jetzt an den Deutschen
zugetan sei“. Diese Zuneigung ist sicher bestärkt worden, als sich
v. F r a n ç o i s 1889/90 „monatelang“ in Rehoboth aufhielt.
Endlich 1892 setzt sich allmählich der Entschluß der deutschen
Regierung durch, etwas mehr Macht zu entfalten, v. F r a n ç o i s
plant ein kräftiges Eingreifen. Der Friede war ja da, aber es
war ein. fauler Friede; Hendrik Witbooi reute es schon, ihn eingegangen
zu sein, er machte dem Bastardkapitän für seine V e r mittlung
Vorwürfe, ja verlangte Entschädigung für die ihm entgangene
Kriegsbeute, und die geängstigten Bastards gaben ihm
25 Rinder. Es war — wie v. F ran ço is ;;fi8 9 g ) sehr anschaulich
schildert — nicht zu zweifeln, daß' die Situation recht schwierig
war; die verschiedënen Stämme empfanden das Vorhandensein der
kleinen deutschen Macht und ihren Versuch, Gewehr- und Munitionseinfuhr
zu sperren, als unangenehm, die Gefahr, daß sie sich jetzt
im Frieden förmlich verbänden, um jene hinauszuwerfen, la g nahe.
Nur den Bastards traute der deutsche Führer, er hielt sie „für
v ie l'zu vorsichtig, um sich einem der beiden Stämme oder beiden
anzuschließen. Höchstens einzelne : Bastards würden dies getan
haben“. Ja er überlegt, ob er nicht seinerseits zu einem nötig
werdenden Sch lag gegen Witbooi sich mit den Bastards fest verbünden
soll; nur die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Schritt den
Witboois sofort zu Ohren käme, ehe er selber stark genug wäre,
ließ ihn diesen Plan verwerfen. So griff er — als endlich die
Schutztruppe verstärkt war — allein Hendrik Witbooi an, es begann
— April 1893 — der große Witbooikrieg. Schon nach den
ersten Gefechten hatte Hendrik Wittbooi „einen Brief an die
Bastards gerichtet, in dem er offene Erklärung für eine der krieg-
führenden Parteien forderte“ (S ch .)1). Die Bastards schickten ihren
Kapitän Hermanus van W y k und mehrere Ratsleute nach Windhuk,
wo diese mit der deutschen Herrschaft ein Schutz- und Trutzbündnis
abschlossen. Sie stellten sich also nun völlig auf die
Deutsche Seite — der erste Eingeborenenstamm, der das offen tat
und vor allem der erste, der seinen Anschluß auch mit Blut besiegelte.
Allerdings war „die Erklärung der Parteinahme für die
Deutschen nicht ohne innere Zwistigkeiten abgegangen und einige,
allerdings nur wenige, hottentottisch gesinnte Bürger waren zu
Hendrik Witbooi geflohen“ (Sch.). — A ls F o lg e des Bündnisses
versprach v. F r a n ç o i s den Bastards eine Besatzung, Gewehre und
Munition. Bastards gehen nun als Führer mit, beteiligen sich, im
Verband mit deutschen Reitern, an Patrouillenritten und Gefechten,
auch sie bezahlen mit Blut und Leben für unsere deutsche Herrschaft,
schon in den nächsten Tagen wird Niels van W y k (der
spätere Kapitän|:iverwundet, Hans Beukes fällt.
1) Die folgende Darstellung nach S c h w a b e (1894), F ran ç o is (1899) und
L e u tw e in (1906).