
(1895) hat gelegentlich seiner Indianerstudien erkannt, daß auch än Mischlingen
Probleme zu lösen sind und systematisch einige Messungen an
solchen vorgenommen; aber erst Hagens (1906) großes Verdienst ist es,
die ganze Tragweite solcher Untersuchungen erkannt zu haben. Er
spricht klar aus, „nur durch das Studium, die Erforschung der Kreuzungsgesetze
am einzelnen Individuum werden wir Aussicht haben, Licht in
den augenblicklich fast unentwirrbar erscheinenden Rassenknäuel der heutigen
Menschheit zu bringen. Theoretische Spekulationen helfen hier vorläufig
gar nichts“. Er fordert auf, Mischlinge zu untersuchen und tut
das selber — lange ehe man etwas von Mendelschen Regeln wußte.
Aber Nachfolger fand er darin nicht1).
Erst die Aufsehen erregenden Experimente und Studien an
Pflanzen- und Tierbastarden, die allmähliche Ausarbeitung der
M end elschen Regeln haben auch entsprechende Untersuchungen
am Menschen mit neuen Fragestellungen angeregt. Zunächst
knüpfte man an bekannte Erscheinungen der Vererbung an, wie
sie Kliniker schon lange interessiert hatten, die ja über erbliche
Belastung, Stammbäume kranker oder pathologischer Individuen usw.
eine Menge Material gesammelt hatten. Man konnte für viele
pathologische Erscheinungen zeigen, daß jene M end e lsch en Regeln
Geltung haben, daß die Verbindung zwischen Individuen mit g e wissen
pathologischen Eigenschaften und normalen als Kreuzung
im Sinne der modernen Vererbungslehre aufzufassen ist. Da
setzten eine Menge Arbeiten ein, die viel neues und wertvolles
Material förderten 2). — Erst in den allerletzten Jahren untersuchte
man in gleicher Weise auch „normale“ Eigenschaften beim Menschen,
d. h. anthropologische Merkmale, Rassencharaktere, Da
sind in erster Linie zu nennen G e r t r u d e und C h a r le s D a v e n p o r t ,
die die Vererbung von Haarfarbe und -form, von Augen- und
Hautfarbe zu analysieren suchten, zunächst für die europäischen
Rassen (in Nordamerika), dann bezüglich der Hautfarbe auch für
Europäer-Neger-Mischlinge (s. Lit.-Verz.). Ebenso ist H u r s t (1908)
hier zu nennen (Augenfarbe). Dann ist auf zahlreiche und wichtige
Arbeiten von K a r l P e a r s o n und seiner Schule hinzuweisen,
die für zahlreiche pathologische und normale, auch psychische E r scheinungen
den Vererbungs- d. h. Kreuzungsmodus aufklärten.
Endlich erschien — vorstehende Ergebnisse hatte ich schon seit
Wochen fertig, so daß ich dann unten einige Teile neu umarbeitete
— eine interessante Studie von S a lam a n (1911) über die V e r erbung
des jüdischen Typus (s. unten). Das alles beginnt gerade
1) Der Band Inter-Racial Problems (London 1911) bringt einige Aufsätze, die
sich mit Rassenkreuzung und Mischlingen befassen, aber diese enthalten nur leere Phrasen,
um keinen härteren Ausdruck zu gebrauchen, es lohnt nicht auf sie einzugehen.
2) Vgl. die Literatur bei B a te s o n , B a u r , H a e c k e r , R ib b e r t , v. G rub e r u. a.
eben endlich auch wieder zur systematischen Bearbeitung größerer
rassenmäßiger Mischlingsbevölkerungen anzuregen1) — wie vorliegende
Arb eit daraus entsprang und wie — zu gleicher Zeit —
die Pariser anthropologische Gesellschaft sich ihrer alten Au fg abe
durch eine Anregung Z a b o r o w s k i s wieder erinnerte und Ende
1907 eine Kommission ernannte, um eine größere Enquete über
Rassenkreuzung zu veranstalten. In dem Fragebogen, den diese
Kommission 19082) erscheinen ließ, wird mit Re cht das Problem
der menschlichen Rassenkreuzung als eines der schwersten und
dunkelsten der Anthropologie bezeichnet, über das wir fast gar
keine zuverlässigen und brauchbaren Angaben besitzen I A b e r der
Fragebogen ist meiner Ansicht nach a b s o lu t u n b r a u c h b a r ; er
könnte vor 20 Jahren geschrieben sein, er ignoriert die E rg eb nisse
der M end elschen Lehre, der tausende von Pflanzen und
Tierexperimente vollständig. Mit Fragebogen ist da überhaupt
nichts zu machen, sondern nur mit gründlicher Arbeit des anthropologischen
Fachmannes.
Solcher Arbeit aber, die nun hoffentlich recht vielfach einsetzt,
darf man mit großer Hoffnung entgegenblicken, spricht doch
ein so außerordentlich erfahrener Forscher auf diesem Gebiete, wie
der Botaniker E. B a u r , die folgenden Worte aus, die ich hier anzuführen
mir nicht versagen k an n : „Das (d. h. die eben auch von
mir angeführten wenigen Untersuchungen am Menschen. Verf.)
ist so ziemlich alles, was man über diese Dinge beim Menschen
weiß. Man k ö n n t e a b e r le i c h t s eh r v i e l w e i t e r k om m en ,
und es ist bedauerlich, daß die Anthropologen und Mediziner sich
bisher im allgemeinen sehr wenig mit den Resultaten der neueren
Vererbungsforschung vertraut gemacht haben.
-Man redet und schreibt jetzt so viel über „Rassenhygiene“,
über „Eugenics“, wie die Engländer sagen. Daß man es tut, daß
sich endlich ein Interesse regt für diese Fragen, ist erfreulich, aber
ohne v ie l genauere Kenntnis der Vererbungsgesetze beim Menschen,
als wir sie heute besitzen, wird man über ein bloßes „reden“
und „schreiben“ nicht hinauskommen können.“
S o s in d a ls o d e r A n th r o p o lo g i e h e u te n eu e und e r f o l g v
e r s p r e c h e n d e Z ie le g e s t e c k t — d i e U n t e r s u c h u n g d e r
R a s s e n m i s c h l in g e i—L d a h e im und d r a u ß e n — muß e n d lic h
m it N a c h d r u c k in A n g r i f f g e n om m e n w e rd en . Die Kenntnis
der sich vererbenden „Merkmale“ kann wohl nur auf diesem W eg e
1) Anm. b. d. Korr. Eine sehr gedankenreiche, soeben erscheinende Schrift von
Fr. L e n z (1912) zeigt an vielen Stellen die Bedeutung von Vererbungsstudien für die
Anthropologie, weist auch eigens auf diese neue Aufgabe hin.
2) Bullv Soc. Anthr. T. IX . S6r. V.