
j 8. Jahrhunderts. Die damaligen Zustände in Südafrika wurden
im geschichtlichen Ab riß oben schon geschildert. — Es ist also
herzlich wenig, was der Bur an europäischer „Kultur“ mitbringt.
Eigentlich nur, was er auf seinem Treck wagen bergen kann an
notwendigsten Geräten und Habseligkeiten., Und geistig ist die
Anspruchslosigkeit noch größer, da ist die Bibel, die Kenntnis
einer Anzahl Choräle, Geschichten und Sagen so ziemlich a lle s !_
Das Leben, das diese Buren führten, , glich fast ganz -dem vieler
Hottentotten, nur daß es mit den Stücken materieller Kultur, die
der Bur mitbrachte, umkleidet war — und das hat fest alles der
Bastard übernommen. — Von der anderen Seite kam Hottentottenerbe:
A b e r die Hottentotten waren schon damals in ihren Stammesverbänden
gelockert; manches A lte war unter dem Einfluß der
Europäer, besonders der Missionare geschwunden — sehen wir zu,
was ins Bastardvölk Aufnahme fand.
Geradezu als dritte Quelle — sogar nicht als unwichtigste,
ist die Kultur des deutschen Missionars zu rechnen. Seit
der Entstehung der Bastardgemeinden kamen niederrheinische
Missionare zu ihnen. Unser Bastardvolk hatte sehr frühe, vor
allem aber von der Zeit seines Selbständigwerdens an dauernd
solchen Lehrer und Erzieher. Die Missionare verwuchsen mit dem
Völkchen, teilten das ganze Leben mit ihm, oft nahmen sie Töchter
des Landes als Frauen und ketteten sich damit ah das Volk. Daß
sie nicht nur ideell-geistige W erte schufen und verbreiteten, sondern
auch praktische Arb eit’ lehrten, bauen und handwerkern und allerlei
uns gewohnte Tätigkeit, das hat ihr Wirken so segensreich g e macht.
— Aus all dem ist die „Bastardkultur“ herausgewachsen;
man muß sich wundern, daß die Elemente doch soweit verschmolzen
sind, so etwas wie eine einheitliche,.völkische Kultur gebildet haben;
es ist kein unorganisches Nebeneinahd.erlagern sich fremder Bestandteile
zu verspüren, vielmehr haben diese aufeinander gewirkt,
sich beeinflußt, zu Neuem sich verbunden; — da wurde etwas abgestoßen,
dort etwas geändert und dann aufgenommen. Auch
-heute ist da alles noch im Fluß, das ist nur natürlich, aber es
ist’ doch ein eigenes Volkstum geworden. Wie lange wird es
dauern? Schon seit diese Studien hier gemacht wurden, hat sich
.allerlei geändert, jetzt geht die Eisenbahn durchs Land, Minenarbeiter
ziehen ein — auch die Bastardnatiort wird als'solche ihre
.Eigenheit leider bald einbüßen. —
Zur Vergleichung der Bastardkultur mit ihren „Quellen“ liegen
glücklicherweise zwei ausgezeichnete Werke vor. L e o n h a r d
S c h u l t z e (1907): entwirft aus’ „Namaland und Kalahari“ eine ganz
vorzügliche Schilderung der Hottentotten; hier ist zu finden,
was wohl die Bastards von ihren Hottentottenmüttern übernahmen.
Ganz. ¡neuerdings ist dann auf der anderen Seite eine gründliche
und liebevolle Bearbeitung und Schilderung der „Kap-
holländischen Volksüberlieferungen“ erschienen, die vieljährige
Arbeit eines kurz vor ihrer Vollendung leider verstorbenen jungen
kapholländischen Forschers F. T. S c h o n k e n (1910). So wurde
■mir die Vergleichung sehr leicht gemacht, ich brauche auf die
weit zerstreute Originalliteratur (die übrigens sogar im Britischen
Museum nur zum Teil, sonst nur in Südafrika zu haben ist) nicht
einzugehen.
1. Die „Nation“.
„Nation der Bastards“ nennt der Bastard selber seine kleine
Volksgemeinschaft, und in der Ta t ist sie theoretisch eigentlich als
Staat zu bezeichnen. Der Staat hat nur seine völlige Selbständigkeit
aufgegeben, indem er in dem erwähnten (S. 36) Schutzvertrag
von 1885 Reichsschutz annahm. Im übrigen hatte der Bastardkapitän
seine Hoheitsrechte zunächst behalten, er hatte sie viel mehr
behalten, als jeder andere Eingeborenenkapitän,; E r konnte sogar
von Weißen Steuern einfordern, er konnte (natürlich mit seinem R a t
zusammen) in jedem einzelnen Fall die Bedingungen festsetzen,
unter denen Fremde (also Deutsche) sich in seinem Gebiet aufhalten
dürfen, er konnte ihnen also durch entsprechende Bedingungen
den Aufenthalt tatsächlich unmöglich machen, wie H e s s e (1904)
mit Re cht ausführt1). Die tatsächlichen Verhältnisse, die Kämpfe
der nächsten Jahre, die allmähliche wirkliche Aufrichtung der
deutschen Herrschaft, die Notwendigkeit, deutsche Schutztruppenposten,
JPolizeiposten übers Land zu verteilen ohne Rücksicht auf
Verträge, haben es allmählich fertig gebracht, daß diese Staatsrechtliche
Stellung höchstens noch auf dem Papier steht. H e s s e
(1904) hält sie auch da für aufgehoben und zwar dadurch, daß der
Kapitän später (von 1895 an) einen Jahresgehalt von der deutschen
Regierung bezog. Dadurch sei er in ein Abhängigkeitsverhältnis
gebracht, er habe „eine Beamteneigenschaft erhalten, und seine
staatsrechtliche Unabhängigkeit ist beseitigt“. Das will mir zwar
nicht ganz einleuchten, aber ich will mich hier auf all diese Dinge
picht einlassen, nur soviel erwähnen, als zur Charakterisierung des
Lebens der Bastardnation nötig ist.
Für den Ethnologen interessiert hier, daß sie sich von Anfang
an als „Nation“, als „Stamm“ fühlten; oben ,(im geschichtlichen
1) Bei Hesse, ist dieser .und der.¡gleich.zu erwähnende Vertrag Von-1895 vollinhaltlich
wiedergegeben.