
weder als Kaufmann oder Farmer verdienen wolle, noch von Regierungswegen
komme (wobei ihr Mißtrauen gegen Steuern mitspielt), noch endlich
als Mann Abenteuer suche — war mein Erfolg gesichert — ich erwähne
das alles als Beitrag zu ihrer Psychologie.
Mein Material bestand nun aus 310 anthropologisch untersuchten
Individuen, Männer, Weiber und Kinder und aus gegen
300 photographischen Aufnahmen. Dazu kommen die durch A b fragen
und Akten-(Taufregister-)Studium erlangten 23 Stammbäume,
aus denen ich einige 50 Ahnentafeln konstruieren konnte. Skelettmaterial
w ar leider nicht zu erlangen ; auf dem derzeitigen, christlichen
Bastardfriedhof zu graben, war natürlich ausgeschlossen, zweimal
grub ich nachts auf verschiedenen verlassenen Begräbnisstätten
nach, aber die Knochenreste waren vollkommen unbrauchbar, zu
kleinen Stückchen zerfallen^^^B
Die Methoden der anthropologischen Untersuchung waren die nach
Prof. Martin’s (Zürich) Vorbild'in meinem Laboratorium seit Jahren geübten.
Ich benützte an Instrumenten. Anthropometer, Taster- und Schiebe-
zirkel nach Märtin (s. Martin 1903), hergestellt von Hermann, feinmechanische
Werkstätte Zürich, die sieh ausgezeichnet bewährten, ebenso
die Martinsche Augenfarbentafel ( 1903), von Luschans (1904) Hautfarbentafel
und meine Haarfarbentafel (Fischer 1907). Meinè photographische
Ausrüstung ist eine (engl.) Sanderson-Tropenkamera ( 1 o ,2 x
12,6 cm, d. h. 4 x 5 Zoll englisch) mit „Eurypla-n“ F : 6 = 15O mm von
Gebr. Schulze in Potsdam, wovon ich sehr oft die Anordnung mit doppelter
Brennweite benützte, die Platten waren A.G.F.A. Chromo-Isolar-Platten
„für die Tropen“ ich war mit allem außerordentlich zufrieden, ich;
habe alle Platten an Ort und Stelle sofort entwickelt und kopiert.
Neben den üblichen genauen Profil- und en Face-Aufnahmen möchte
ich hier den Aufnahmen in 1/2 Profil ganz besonders das Wort reden!
Wenn man ein Individuum gemessen hat, so daß man die Nasenbreite,
Gesichtsbreite, Mundbreite, Augenabständ usw. kenntedann hat oft eine
Aufnahme gerade von vorn gar keinen Zweck mehr, dann gibt die Halbprofilaufnahme
viel mehr, auch mehr als das genaue Profil. Backenknochengegend,
Mund- und Nasenbildung kommen nur auf dieser Aufnahme
wirklich deutlich zur Darstellung. (Frau Jochfelson hat bei ostsibirischen
Frauen zuerst ausgedehnter gerade diese Aufnahme gewählt — gerade wo
Gesichter durch vorspringende Backenknochen charakterisiert sind, sind sie
unentbehrlich.)' Aufnahmen ganzer Figur habe ich zu anthropologischen
Zwecken nicht gemacht.
Meine Meßtechnik war folgende: Gemessen wurden allé Individuen
im Stehen bei gerader Körperhaltung;: die Körpergröße am obersten
Scheitelpunkt, die Extremitäten durch Projektionsmaße (Anthropometer).
Ich maß die Entfernung des Akromion, des oberen Radiusköpfchens, des
Processus styloideus radii, der Mittelfingerspitze über dem ; Böden, Hann
die Handbreite in der Gegend der Fingerwurzeln, ohne Daumen; dann
die Höhe der Spina iliaca anterior superior. Da ich die Symphysenhöhe
nicht messen konnte, maß ich auch die Incisura jugularis nicht, was ein:
Fehler war, denn das einzig richtige Grundmaß für die Proportionsberech-
nung des Körpers ist die „Rumpflänge“, wie Mollison ■ (19 io)- über-1
zeugend nachweist. Die „ganze Armlänge“, „Oberarm-, Unterarm- und
Handlänge“ ergeben sich natürlich leicht durch Berechnung. Als Beinlänge
nahm ich für den Mann die Spinahöhe abzüglich 50 mm, für die
Frau abzüglich 40 mm B man müßte empirisch' statt dieser Millimeter
einen abzuziehenden Prozentwert der Körperlänge feststellen, was noch
nicht geschehen i s t^ .H ^ f
Als Ersatz für die“’„Rumpflänge“ , d. h. die Entfernung von Incisura
jugularis und vorderem Symphysenrand („Rumpflänge“, also kurz für „Länge
der Vorderen Rumpfwand“ — vgl. Mollison 1910) nahm ich die „Stammlänge“,.
wie ich sie nennen will, das ist die Entfernung der Scheitelkuppe
vom • Oberen Rand der Symphyse, Da ich, wie oben angegeben, die
Symphysenhöhe leider nicht maß, bestimme ich sie durch Abzug eines
empirisch festgestellten Maßes von . der, Spinahöhe. Ich berechnete die
Differenz von.Spina- und Symphysenhöhe bei 100 von Frl. Dr. Breitung
und mir gemeinsam gemessenen badischen'Frauen im Mittel zu 94 mm;
sie war nur 13 mal über 106 mm, in maxiipo 142, und 17 mal unter 82,
in ..minimo 52; die Schwankungen stehen mit der absoluten Körpergröße
oder Beinlänge ..nic.ht in bestimmter Korrelation, die Fehler werden sich
also bei größeren Reihen" ziemlich ausgleichen. Bei ioö badischen Männern
— .aber ausgelesenes Söldatenmaterial — deren Meßzahlen ich der Güte
meines Freündes Mollison Verdanke, berechnete (ich die Differenz nur
auf 88. mm im Mittel, mit einem Maximum von 109 mm. — Da ich
nach Stichproben nicht änzunehmen gfeneigt bin, daß die 6 mm Differenz
auf Geschlechtspnterschieden beruhen, da das Männermaterial ein einseitig
äusgelesehes und votT einem anderer!, Beobachter (wenn auch exakt und
nach. gleicher Methode) gemessenes ist, zog ich vor, bei meinen Bastards
doch einheitlich, abzuziehen und verwandte für alle (Männer'Und'Weiber)
die Ziffer 94 mm — der Fehler dürfte gering sein. So ist - also ' die
Stammlänge = Körpergröße Spinahöhe-j- 94 mm-
Am Kopf habe, ich’ gemessen: die größte Kopflänge, von der Glabella
nach dem prominentesten Punkt des Hinterhauptes, die größte Kopfbreite,
die kleinste Stirnbreite, oberhalb der äußeren Ecke des Augenhöhlenrandes,
im vorderen Teil; .der ■ Schläfe, hinter und außerhalb der- Linea temporalis
des Stirnbeines; dann die Breite über den .Gehörgängen,- am Oberrand
der Traguswurzel; dann die größte Jöchbogenbreite (= Gesichtsbreite);
dann die Breite zwischen den Kieferwinkeln, auf der Außenseite des An-
gulus mandibulae gemessen; weiter die Breite zwischen den inneren Augenwinkeln,
vom inneren Winkel der Lidspalte aus; dann an der Nase: die
Breite, d. h. die größte seitliche Ausladung der Nasenflügel, die Höhe,
d. h. die Entfernung der abzutastenden Stimbein-Nasenbeinnaht zum Winkel
von Nasenscheidewand und Oberlippe; jener Knochenpunkt ist meistens
gut'abtastbar,: bei sehr platten Nasen allerdings nicht, ich müßte dann
seine Stelle ungefähr festlegen, was. bei einiger Erfahrung doch sehr gut
geht. Dann wurde die Gesichtshöhe, die Entfernung Nasenwurzel (obiger
Punkt) bis zum untersten Kinnpunkt gemessen, weiter die (physiognomische)
Obergesichtshöhe, also Nasenwurzel bis Muhdspalte und endlich die Höhe
der beiden Schleimhautlippen bei geschlossenem Munde.
1) Anm. bei der Korrektur: S. die inzwischen erschienene-Arbeit von M o lliso n .
Arch. Anthr. I I . 1912.