
Der unbefangene Leser wird das auch an meinen Bildern sehen,
man vgl. z. B. Taf. X II. Woran liegt diese Erscheinung?; Zum
Teil ist eine solche Umänderung wirklich vorhanden: Das oft blonde
Haar dunkelt sehr stark nach, mit der Blondheit schwindet eine
Europäerähnlichkeit. Es schwindet ein Teil des Fettpolsters; die
prallen runden Kinderbacken, kindliches Fett, das die Formen rundet,
unausgeprägt erscheinen läßt, wird eingeschmolzen, und vielleicht
vorher schon vorhandene eckige Backenknochen, schmale Kinnpartie
usw. werden sichtbar, geben dem Antlitz etwas für uns Unschönes,
Hottentottisches. Dann muß man aber bedenken, daß zwischen den
Rassen, wie zwischen nahestehenden Spezies, Kinder sich ähnlicher
sehen als Erwachsene. So verleiht hier die kleine Stumpfnase,
das Fehlen eines ordentlich erhobenen Nasenrückens, ebensowenig
wie die runde vorgewölbte Stirn dem Gesicht des Kindes
ein hottentottisches Gepräge, weil auch unsere Kinder sehr oft
diese Merkmale zeigen —: ja solche Stumpfnäschen wirken zumal
mit glatter, praller, weichbrauner Gesichtshaut noch bei heran-
wachsenden Mädchen oft sehr niedlich. Wenn aber diese Merkmale
beim Erwachsenen bleiben, wenn die Nase bei ihrem Gesamtwachstum
keine Rückenerhebung nachträglich bekommt, dann wirkt
sie natürlich beim Erwachsenen nur hottentottenähnlich und häßlich.
Stark gekraustes Haar, das uns ein Kind (zumal kurz gehalten)
als Krauskopf bezeichnen läßt, erscheint beim Erwachsenen
als richtiges Eingeborenenhaar, „Wollhaar“, wie die meisten ja
sagen. Dazu kommen dann Falten und Runzeln im Gesicht, die
der Bastard voü seinen Hottentottenahnen ererbte und der Prozeß
des Hottentöttischwerden ist fertig. Wenn man darauf achtet,
kann man auch bei uns bei heranwachsenden Individuen den Einschlag
der verschiedenen europäischen Rassen oft hintereinander
auftreten oder besser deutlich werden sehen; die Formen stehen
sich nur näher, daher die Unterschiede nicht so auffällig sind. —
A b e r auch umgekehrt Hottentottenähnlichkeiten von Kindern verschwinden.
Bei den Bastardkindern sind da zu nennen, das Verschwinden
der meisten Epikanthus- und vieler sonstiger Augenfalten
(s. oben S. 90) und das Zurücktreten derselben aufgetriebenen
dicken Freßbäuche, wie sie den Neger- und Hottentottenkindern
eigen sind; die zu verschiedenen Zeiten sehr ungleich reiche Kost,
das Hinunterschlingen großer Nahrungsmengen in Zeiten des Überflusses
bedingt jene Erscheinung hier wie dort.
Um die Veränderungen der Körperporportionen zu studieren,
waren Material und Zeit unzureichend.
Zum Teil ist also die stärkere Europäerähnlichkeit von
Bastardkindern gegenüber Erwachsenen auf die größere Ähnlichkeit
der Kinder aller Rassen untereinander zurückzuführen, zum
Teil auch (Nachdunkeln) auf wechselnd auftretende Rassenmerkmale
(s. oben S. 111 und unten Kap. „Mendeln“).
In engstem Zusammenhang mit den Wachstumsverhältnissen
steht der E in t r i t t d e r G e s c h le c h t s r e i f e . Nach Ansicht einiger
älterer Bastardfrauen, die mir sehr zuverlässig erscheinen, tritt die
erste Menstruation durchschnittlich im 14.- 15. Jahre ein; folgende
Einzelangaben — Stichproben — bestätigen das. In einigen
Familien (wo der Großvater Bur, die Großmutter Hottentottin
war) menstruierten von den sechs Töchtern fünf zum ersten Male
mit 15 Jahren, eine mit 16 Jahren; eine Bastardfrau hatte seinerzeit
mit 17 Jahren zuerst menstruiert, von ihren Töchtern drei mit je
i3 Jahren, die vierte, die kränklich (chlorotisch?) war, mit 17Jahren.
Eine andere Bastardfrau, die selber mit 15 Jahren die erste Menstruation
hatte, hat von weißem Mann zwei Töchter, die mit 16
und 17 Jahren reif wurden. Ein Mädchen, das (20 Jahre alt) mit
deutlicher Chlorose mich ärztlich um R a t frug, gab an, mit 16 Jahren
die erste Menstruation gehabt zu haben, ihre Schwester sogar erst
mit 18 Jahren; sie klagte jetzt, daß die Menses 8 T age dauerten,
während sie doch „nur 3 T a g e “ dauern sollten und am 4. T ag
„klaar“, d. h. fertig sein sollteSB| Von drei Mädchen weiß ich,
daß sie mit 16, 14 und 13 Jahren reiften. — Über die sekundären
Reifezeichen (Körperhaar, Brust) weiß ich nichts. Jedenfalls enthält
also die obige A n g ab e der Bastardfrau - - 14- 15 Jahre als
Durchschnitt — keinenfalls einen zu späten Termin. Verglichen
mit den beiden Stammrassen ist er auf keine Weise auffällig.
L. S c h u l t z e verdanken wir auch hierüber Angaben bei den
Hottentotten es sind wohl die einzigen — wonach bei der
Hottentottin die erste Mentruation „in der R e g e l zwischen dem
13. und 15. Lebensjahre“ eintritt; „sie soll durchschnittlich 3 T age
dauern und wenig ergiebig sein“. Da bei nordeuropäischen
Bäuerinnen der Menstruationsbeginn eher noch etwas später ist —
am Niederrhein durchschnittlich im 15. Jahre, in der preußischen
Mark im 16. Jahre1), so sind für die Bastards obige Angaben sehr
verständlich.
Daß die Menstruation etwa durch den mehrere Generationen
dauernden Aufenthalt in den Tropen ■ (die allerdings in diesem
Falle sich durch sehr gesundes Klima von fast allen anderen
Tropengegenden auszeichnen), vorgerückt sei, davon kann hier
keine Rede sein; ich glaube, daß das auch anderwärts nicht der
1) Ersteres nach M e tz g e r : Das Eintreten der Menstruation, med. Dissert. Bonn
1907, das letztere nach S e h ä ffe r : Über das Alter des Menstruationsbeginnes. Arch. f.
Gynäkol. 1908, Bd. 84.