
mittelbaren Bereich der kapstädtischen „Reg ierung“ wegführte;
die Lust, eigener Herr zu sein, soweit der Himmel blaut, das Gefühl,
sich von niemandem etwas sagen lassen zu müssen, trieb die
Männer in die unwirtlichen Gebiete nordwärts. Sie hatten es wahrlich
nicht leicht. Bis vor die Häuser größerer europäischer A n siedlungen
weit im Süden streiften damals noch Buschmannshorden.
Die Stammesverbände der Hottentotten waren großenteils g e lockert,
manche zersprengt worden, Hottentotten und Europäer
drängten nordwärts und bedrohten die Buschmänner, die alten Besitzer
des Landes. Kann man sich wundern, daß das zu jahrzehntelangem
Blutvergießen führte? In allen Außenbezirken, vor allem
an der Nordgrenze — im Distrikt von Stellenbosch — machten
die Buschmänner Jagd auf jede schutzlos weidende Rinderherde.
Nacht um Nacht wurde Vieh gestohlen. Zur Bestrafung zogen
jene bekannten „Kommandos“ aus, die dann jeden Buschmann,
dessen sie habhaft werden konnten, bestraften* ohne langen Prozeß,
man hat Hunderte „abgeschossen“, wie der Fachausdruck hieß.
Daß die Buschmänner durch Ermordung einzelner, durch Raub
und Brand wieder Vergeltung übten, ist natürlich. Die Hottentotten
beteiligten sich eifrig an diesen Hetzen auf ihren alten Erbfeind,
zumal sie unter den räuberischen Überfällen ebenso litten,
wie die Buren. Sie schlossen sich in jenen Gegenden immer mehr
den Europäern an, bildeten einen festen selbständigen Teil der
Bevölkerung; sie hatten stellenweise eine eigene Rechtslage, unterstanden
den Kapgesetzen nur in Dingen, die sie mit Weißen angingen;
sie hatten Feuerwaffen, ja bildeten eine eigene Truppe,
„Pandours“ unter weißer Führung (1795 z. B. unter Jan Gerhard
Cloete)j 3 es geht daraus hervor, daß sie nicht etwa als völlig verachtete,
niedrige, den Sklaven gleiche „Wilde“ angesehen waren.
So war es ein hartes, gefahrenreiches Leben, das diese Farmer
führten; ganz vereinzelt, wären sie sofort untergegangen, sie waren
also gezwungen, in kleineren Trupps in gegenseitig erreichbarer
und hilfsbereiter Nähe zu bleiben, und auch die Hottentotten waren
gezwungen, solche Schutznähe einzuhalten. Andererseits erlaubten
es die Herden wegen der eigentümlichen südafrikanischen Weide-
und Wasserverhältnisse nicht, zu nahe, etwa in geschlossener DorL
siedelung zu wohnen. Man mußte ja auf gewaltigem Gebiet seine
Herden weiden lassen, in der Trockenzeit den nach und nach versiegenden
Wasserstellen nachgehen und sich die besten für die
trockenste Zeit aufsparen. So zog man allmählich nordwärts. Meist
pachteten die Buren jahrweise das Land und zogen, war es abgeweidet,
weiter. Der Gouverneur versuchte durch günstigste K au fgelegenheit
sie seßhafter zu machen — sie zogen weiter — später,
1724 verbot ein Gesetz bei Strafe jedes Wegziehen ohne Erlaubnis
des Landdrostes oder Gouverneurs sie entzogen sich der Strafe
und treckten noch viel weiter, man hob 1727 das Gesetz wieder
auf. — Das waren also die Verhältnisse in den 50er und 60er
Jahren des 18. Jahrhunderts, und sie sind es gewesen, die uns die
Entstehung der „Bastards“ erklären.
Daß das wilde Viehzüchter und Jägerleben, die Notwendigkeit,
stets auf der Hut vor Räubern zu sein oder auf solche Streifzüge
zu unternehmen, für die deutsche Frau, für eine echte Bäuerin
etwa, nicht geeignet war, bedarf keines Wortes. So gab es in
diesen unsicheren Distrikten noch viel weniger Frauen, wie sonst
in jungen Kolonien sind, deren Mangel an Frauen ja bekannt genug
ist. Da kann es nicht wundernehmen, wenn in großer Zahl
Halbblutkinder entstanden von Buren vätern und Hottentottenmüttern.
Ab e r in den vorhin gezeichneten Umständen ist es fest begründet,
daß die Beziehungen zwischen Bur und Hottentottenweib und Bur
und Bastardkindern andere wurden, als wenn etwa in einem aufstrebenden
kolonialen Hafen- oder Handelsstädtchen eingeborene
Weiber von Europäern Kinder bekommen. —
Das Leben jener Buren, die ganze Lebensführung wich von
der der Hottentotten nicht allzusehr ab; jeder lebte in primitiver,
provisorischer Hütte oder auf dem Planwagen; monatelang kam
er nicht zu einer größeren Ansiedlung mit Kirche; die Kinder,
die gelegentlich ein mit weißer Frau verheirateter Bur hatte, also
die künftige reine Burengeneration, erhielten von Erziehung so
gut wie nichts, sie lernten vom Vater die Bibel lesen, wenns hoch
ging Die einzige Kaufgelegenheit bot ein durchziehender Händlerwagen,
Seife z. B. wurde aus Asche und Tierfett selbst bereitet,
Lederhosen, Felldecken, ja Fellgewänder wurden selber gemacht;
die Calebasse (Kürbis- und Melonenschalen) ersetzten das zerbrechliche
Tongeschirr (der eiserne Kochkessel hielt lange aus).
Das einfache Leben paßte den Menschen an die Umgebung an,
kühn, selbstbewußt, zur Wehr bereit, dabei gastfrei, einfach, fromm,
ja bigott, im ganzen etwas profitlich, auch nicht immer ehrlich
(z. B. bezüglich Steuern usw.), völlig ungebildet, abergläubisch,
phlegmatisch, um nicht zu sagen träge ^ 9 kurz einem Naturvolk
ziemlich genähert — so lebte der „Treckbur“. Kann es da auffällig
sein, daß der junge Bur, der sich nach des Vaters Tod im
Besitz einer kleinen Herde sah, aber ohne Land und der nun auf
herrenloses Gebiet (nordwärts) treckte, dauernd und zu förmlicher
Ehe ein junges, hübsches Hottentottenweib nahm ■— und sie haben
in der Jugend oft wirklich hübsche Züge und Gestalten, so häßlich
alte Hottentottinnen sind. Die paar Burentöchter der mit
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