
Über die Keuschheit der ledigen Jugend ist es sehr schwer
ein Urteil abzugeben. Die Eheschließungen sind recht spät, der
Mann heiratet mit 25, die Frau mit 20 Jahren. Daß sie vorher
geschlechtlich völlig abstinent sind, halte ich für die sozial unteren
Schichten für ausgeschlossen. In den oberen werden es die Mädchen
sein, aus Furcht vor den Folgen; denn es gilt heute als große
Schande, ledig ein Kind zu bekommen, gerade wie etwa bei uns.
So wurde mir erzählt, daß nach einem solchen Fall die betreffende
Familie eine Zeitlang wegzog, bis die Schande etwas vergessen
wäre. Früher, wo eventuell Ehen zwischen Weißen und Bastardmädchen
möglich waren, sollen die jungen Schönen dem weißen
Manne sehr entgegenkommend gewesen sein, in der Hoffnung,
ihn zu dauernder Ehe zu erhalten. Jetzt, wo das Eheverbot besteht,
sind mindestens die sogenannten besseren Mädchen zurückhaltend.
Im ganzen soll das Völkchen gelegentlich recht sinnlich
sein, besonders nach Alkoholgenuß, sogar ältere Frauen geradezu
unflätig — aber bei solchen Mitteilungen, die man bekommt, muß
man an den Einfluß der Kriege, vor allem des durchziehenden
Militärs denken — der Europäer pflegt da leider sittlich weniger
hoch zu stehen als der Eingeborene. Daß es eine ganze Reihe
uneheliche Kinder gibt und gab, die Bastardmädchen von Weißen
und von Bastards haben, ist sicher. Sie irgendwie als besonders
unmoralisch zu bezeichnen, ist unter allen Umständen falsch und
ungerecht. —
Wenden wir uns zu erfreulicheren Dingen. Beim abendlichen
Sitzen vor den Häusern, auf Kirchgang, beim Tanz (s. unten)
lernen sich Mädchen und Bursch kennen, die Paare finden sich
zum Bunde fürs Leben.
Hochzeit.
Wenn ein Bursche ein A u g e auf ein Mädchen geworfen
hat und sich mit ernstlichen Absichten trägt, frägt er zunächst seine
Eltern, ob sie gegen das Mädchen etwas einzuwenden hätten. Ist
das in Ordnung, geht er zu ih ren Eltern und fragt an, ob er sie
gelegentlich besuchen dürfe; solche Werbebesuche abstatten, also
mit den Eltern und besonders dem Mädchen sich unterhalten, ihr
den Hof machen, nennt man „küren“ oder „geselzen“. — Was
neben diesen offiziellen Besuchen geschieht, entzieht sich meiner
Berichterstattung. Zeigt sie sich nun zugänglich und wird es Ernst,
so fragt er bei ihren Eltern an und bekommt ^-»niemals ein „Ja“.
Die gute Sitte will, daß man sich ziert. Die Eltern antworten
also, er solle etwas warten, man wolle sichs überlegen usw. A u f
eine erneute An fra g e nach einiger Zeit kommt dann die ersehnte
Zustimmung, man wolle die Tochter „abgeben“. Damit wird die
Verlobung vollzogen und im Kreise der Bekannten mitgeteilt;
man schenkt sich gegenseitig Eheringe oder er kauft zwei solche;
ein besonderes Fest findet nicht statt. — Auch Entlobung kommt
vorÜ s i >>°P eenmal >s di dinge uit“ — erklärte mir kurz ein junger
Mann! — Der Bräutigam geht nach kurzer Zeit mit einer schriftlichen
Einwilligung beider Eltern zum Missionar und bittet um
die Trauung. Nach dem dreimaligen Aufgebot, jeweils nach der
Sonntagspredigt, kann diese stattfinden, der Mittwoch ist der T a g
dazu •— ob aus altem Brauche oder von der Mission eingeführt,
weiß ich nicht. Ich hatte Gelegenheit, eine sehr vornehme Hochzeit
mit anzusehen, ein sehr reicher junger Hendrik, der Sohn eines
der Rä te van W y k , führt eine Beukes heim. (Noch ein zweites
Paar wird zufällig gleichzeitig getraut.) — Schon seit 3 Tagen
haben sie geschmaust und abends getanzt. Heute früh — am
Hochzeitstag — sitzen vor allen Türen die Burschen, blitzblank
erglänzen die frischgewaschenen Hemdsärmel — der Ro ck ist
noch abgelegt 3 mit ihren neuen Bügelfalten — gestern wurde
eifrig dran geplättet! Auch die Mädchen in frischgewaschenen
hellfarbigen Kattunkleidern und Schürzen mit den bunten Hauben
— überall vor den Häuschen ist frisch und sauber gekehrt —
Ruhe und Behaglichkeit über dem Ganzen. Vor dem Brauthaus
hängen frisch abgezogene Häute, da ist geschlachtet worden,
Frauen sitzen dort und schälen Kartoffeln, andere kneten Brot-
und Kuchenteig in großer Menge, das Fleisch wird zerlegt —
man kocht und brät! — Um 3/4 10 Uhr läuten die Glocken, nun
strömt alles zur Kirche. Es mögen 100 Personen sein, links (vom
Altar aus gesehen) sitzen die Männer, rechts die Weiber in den
Bänken. Vor diesen auf vier Stühlen die zwei Brautpaare; die
fünf Brautjungfern und deren Führer haben heute die vorderste
Bank jeder Seite inne, die sonst älteren und angesehenen Bürgern
gelassen wird. Eltern und Verwandte sitzen zerstreut irgendwo
in der Kirche, nicht etwa zunächst vorn. — Die Bräute tragen
weiße Kleider mit hellblauen Maschen und Bändern verziert, dazu
weiße Strohhüte mit künstlichen Blumen und Bändern, fertige
Ware aus dem Laden. Auch weiße Schleier werden oft getragen.
Die Farbe der Maschen kann wechseln. Auch die Brautjungfern
haben als Zeichen ihrer Würde die Helgoländerhaube mit einem
solchen Strohhut vertauscht (s. Fig. 35). Der Bräutigam und die
Brautführer tragen schwarze Röcke, jener hat auch einen Strauß
angesteckt aus künstlichen Blumen — die übrige Hochzeitsgesellschaft
trägt die gewöhnliche Tracht.