
von da aus mit eingedrungenen Hottentotten herum — 'noch heute
sieht man in der Türe der alten Kirche die Spuren der Kugeln
aus jenen Kämpfen. — Einmal rief Kapitän van W y k vom flachen,
mit Brustwehren versehenen Dach des Diergaartschen Hauses aus
nachts die Bastards in die Waffen, um die Hottentotten zu vertreiben,
die schon in den Gräben lagen, welche die Bastards gegen
sie gezogen, aber unvorsichtigerweise nicht besetzt hatten! So
erzählte mir ein alter Mitkämpfer. Da beschlossen sie, sich mit
ihren bisherigen Gegnern, den Herero auszusöhnen und eher deren
Schutz zu genießen. Gerade kam (als englischer Kommissar, um
die Herero von Walfischbai abzuhalten) Missionar H u g o H a h n ,
und diesem zusammen mit Missionar H e idm a n n ge lang es, den
Frieden zwischen Bastards und Herero zu schließen (Februar 1882).
Bald schlossen auch einige Namahäuptlinge Frieden und nur Jan
Jonker blieb als Räuber und Plünderer in seinen Bergen und
brandschatzte noch mehrere Jahre lang die Bastards. Die . Räuber
wurden immer frecher, die Verteidiger immer matter und träger.
A b e r nicht genug damit. Mitte 1884 begann Hendrik Witbooi
seinen ersten Zug gegen die Herero und nun begann der 8 Jahre
dauernde Kriegszustand zwischen beiden Stämmen — kein immerwährender
Kampf, aber eine Folge von Raubzügen, Kämpfen,
Viehherdendiebstahl und Überfällen, unterbrochen durch oft lange
Pausen zur Erholung und Sammlung neuer Kräfte. Die Bastards
beteiligten sich dabei nicht, aber in Mitleidenschaft wurden sie
doch gezogen, die feindlichen Stämme streiften durch ihr Gebiet,
lange Zeit hatte Hendrik Witbooi bei Rehoboth ein befestigtes
Lager, die Bastards mußten Nahrung (Vieh) liefern, zu ruhiger
Arbeit, Viehzucht, Handel kamen sie nicht, gelegentlich kamen
auch einzelne Trupps von ihnen in Gefechte.
Genug von all diesen wenig schönen Zeiten; sie mußten g e schildert
werden, um zu zeigen, wie rauh und wirr im ganzen in
diesen ersten Jahren die äußeren Verhältnisse für das junge Völk-
lein waren und wie anerkennenswert ihre Leistung, daß sie sich
behaupteten und deutlich in die Höhe arbeiteten.
Jenes eben erwähnte Jahr 1884 war bekanntlich dasselbe, in
dem Südwestafrika deutsch wurde. Durch Schutzvertrag kamen
im folgenden Jahre die Bastards offiziell unter deutsche Herrschaft.
Das änderte aber an den Verhältnissen im Schutzgebiet, also
vor allem in dem von K r ie g - und Beutezügen durchtobten Rehobother
Bezirk absolut nichts. Alles ging auf die gleiche Weise
weiter, die langen 8 Kriegsjahre mußten ausgehalten werden.
Vielleicht hat schließlich das Festsetzen der ja lächerlich kleinen
Macht der Schutztruppe in Windhuk, ihr Hinneigen zu den Hererokapitänen
den k lu g vorausschauenden Hendrik Witbooi etwas
nachdenklich gestimmt und zum Frieden geneigt gemacht — doch
das ist hier gleichgültig. Genug, daß nach dieser langen üblen
Kriegszeit endlich der Friede kam — und Hermanus van W y k , der
Bastardkapitän, war es, der ihn vermittelte; 1892 wurde in Rehoboth
zwischen Hendrik Witbooi und Samuel Maharero Frieden geschlossen.
Damit g in g ein langer, eigentlich nur aus Wirren und Kämpfen
bestehender Abschnitt der Entwicklung der Bastardnation zu Ende,
denn vom folgenden Jahr an beginnt ein neuer Abschnitt dadurch,
daß nun das Deutsche Reich in den Ablauf der Ereignisse zum
erstenmal eingreift, bald sie vollkommen beeinflußt. Die stürmische
Zeit der Bildung, des Werdens ist also damit zu Ende. Sehen wir
auf sie zurück! Wa s hatte diese 20jährige Entwicklung seit dem
Übergang über den Orange als Endergebnis gezeitigt. Ein erst
mehr zufällig, durch Blutsverwandtschaft, durch Zugehörigkeit zum
selben Seelsorger lose zusammengehaltener Trupp Menschen ist in
20 Jahren harter Arbeit, vieler Gefahren und Kämpfe zu einem
richtigen Volk zusammengeschweißt worden. Die junge Generation
ist in einem festen Verbände aufgewachsen, hat Tradition, Zusammengehörigkeitsgefühl
bekommen, hat den Grund und Boden,
um den sie und ihre Väter kämpfen mußten, heben, als eigen und
angestammt betrachten gelernt. Sie fühlen sich jetzt als „Nation“ .
Kriegszüge und Verteidigung, Jagd und Trecks haben die Menschen
in innigem Verband mit der Natur gelassen, so daß viele Eigenschaften
von „Eingeborenen“ sich bei ihnen erhalten konnten.
Andererseits ist 20jährige Kulturarbeit ihres ausgezeichneten
Missionars trotz der Ungunst der Zeiten nicht erfolglos geblieben,
der Wohlstand ist gewachsen und gegen alle anderen Eingeborenen
ist eine beachtenswerte geistige Höhe und allgemeine Kultur erreicht.
Diese Tatsache, die sie selber wohl merkten, und der Umstand,
daß sie bei B'riedensverhandlungen mehr denn einmal die
Vermittler waren, daß man sich um sie bemühte, haben sicher das
ihrige mit dazu beigetragen, ihr Selbstgefühl, ihr Zusammengehörigkeitsgefühl
und ihr Weiterstreben mächtig zu fördern. Und das
trug dann, neben der ihr bestes klu g berechnenden Intelligenz,
das meiste dazu bei, daß sie sich vom Beginn der wirklichen A u frichtung
der deutschen Herrschaft an eng an diese anschlossen, ihr
nützten und sich selbst damit eine heute noch bestehende Vorrechtsstellung
unter allen Eingeborenen erwarben. Von der Zeit an, wo
auch nur einigermaßen Ruhe eintrat, setzte nun auch eine ruhige
und aufwärts führende Weiterentwicklung ein, die also im wesentlichen
der deutschen Herrschaft zu verdanken ist.