
Strabismus convergens bei Kindern und zwei von alten Frauen hier
an. —■- Herr Dr. S c h e b e n berichtete mir von einem Fall von
starker Wassersucht (Nephritis?), dann von einer Anzahl echten
Skorbuts (den ich anderwärts in der Kolonie vielfach sah).
Weiter wandte sich ein Mann mit sehr starker Prostatahypertrophie
an mich; geschlechtliche Infektion ist leider ebenfalls vertreten,
sowohl Lues wie Gonorrhoe, wenn ich auch aus äußeren Gründen
keine frischen Fälle zu sehen bekam. Starke luetische D e fe ktbildung
an der Nase, glücklicherweise nur einmal vorhanden, zeigt
die doch wohl geringe Verbreitung. Ebenso nehme ich für ein
nicht ganz typisches Symptonienbild progressive Paralyse auf
luetischer Basis an. Endlich sind noch eine Reihe eiteriger Infektionen
zu nennen; ab und zu Wochenbettfieber, im ganzen selten,
die Sterblichkeit im Wochenbett ist sehr gering. Dann Otitis media,
Furunkelbildung, vor allem aber außerordentlich verbreitet Konjunktivitis.
Man sieht einfache katarrhalische Formen aber auch eiterige.
(Typische Formen, vor allem Trachom, scheinen nicht vorzukommenjl
A ls Folge dieser Bindehautentzündungen, sieht man außerordentlich
verbreitet Hornhauttrübungen, oft sehr ausgedehnte weiße Flecke;
besonders oft bei Frauen.
Auch ein Fall von starker Fettsucht einer Frau und eine
Chlorose eines 20jährigen Mädchens sei schließlich noch erwähnt.
Die S t e r b l i c h k e i t im allgemeinen ist gering, Ziffern kann
ich kaum angeben, aber der leicht zu übersehende Altersaufbau
der Bevölkerung, die vielen lebenden Groß- und Urgroßeltern
zeigen das. Insbesondere ist im allgemeinen die Kindersterblichkeit
sehr gering. Von der Nachkommenschaft der oben erwähnten
44 Ehen mit durchschnittlich 7,4 Kindern pro Ehe leben heute
noch 259 und sind gestorben 80; diese Nachkommen stellen aber
zusammen heute alle möglichen Altersstufen dar, bis in die Mitte
der dreißiger Jahre, die Gestorbenen sind also nicht alle Opfer der
Kindersterblichkeit, sondern auch späterer Krankheiten, auchWochen-
betterkrankungen, ja einzelne wenige auch von Kriegen; wenn man
das berücksichtigt, ist die Sterblichkeit sogar ganz auffällig gering.
A u s M om b e r t (1907) entnehme ich zur Vergleichung, daß 1875 in
Preußen auf 100 Lebende von 0— 35 Jahren rund 49 Gestorbene derselben
Altersklasse kamen, für die Nachkommenschaft jener Bastardehen
wären es nicht halb so v ie l Gestorbene, nämlich nur 24 — aber
die Ziffer ist recht ungenau und vom Zufall beeinflußt, sicher ist
aber auch aus ihr abzunehmen, daß die Sterblichkeit sehr gering ist.
B. Die Bastardierungserscheinungen und das Problem der
Rassenkreuzung des Menschen.
1. Einleitung.
Das Bastardierungsproblem steht zurzeit bei Botanikern und
Zoologen im Vordergrund des Interesses. Durch die Wiederentdeckung
der Mendelschen Regeln sind unsere Kenntnisse über
Vererbung und Kreuzung geradezu ruckweise vorwärts gegangen.
E s ist höchste Zeit, daß man all diese Ergebnisse auch bewußt
und folgerichtig in der Anthropologie verfolgt und anwendet.
So war es die Hauptaufgabe, ja“’ das einzige eigentliche Ziel
dieser Bastarduntersuchung in Südwestafrika, Erfahrungen über
Vererbung und Kreuzung — auf Grund unserer neugewonnenen
Ansichten über diese Dinge bei Tier und Pflanze — nun auch
für den Menschen zu sammeln.
Neuere Arbeiten, die sich au sführlicher und pr in z ip ie ll mit dem
Problem der Rassekreuzung beim Menschen befaßt hätten, gibt es nicht.
Alle älteren aber haben nach unseren heutigen Kenntnissen einen kaum
mehr verwertbaren Standpunkt, sind also nur zu verwenden, soweit sie
rein objektive Beobachtungen verzeichnen. «V. Infolgedessen kann hier auf
eine breitere historische Darlegung der Frage verzichtet werden, ein paar
Angaben 'sollen genügen; die tatsächlichen und brauchbaren Ergebnisse
früherer Autoren sind unten an Ort und Stelle verwertet. Schon einmal
war-die Frage der Bastardierung menschlicher Rassen aktuell ■— im Kampf
um die_Stellung der Neger bzw. Negersklaven zu den Weißen, zur Entscheidung
darüber, ob Weiße und Neger nicht doch verschiedene Arten
Menschen seien. Damals in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erschienen
eine Reihe Arbeiten über das Problem. So hat denn auch der
Sfeniale Broca, der 1858 eine größere Arbeit über diese Frage veröffentlichte1),
sogar bei der Gründung der Société d’anthropologie de Paris
die Erforschung der Bastardierung beim Menschen mit in das Arbeitsprogramm
dieser Gesellschaft als sehr wichtigen Punkt aufgenommen.
Aber das Interesse an der Sache erlosch, zu einem wissenschaftlich
richtigen Erfassen des Kerns der ganzen Frage konnte man nicht kommen.
In der Folgezeit begegnet man nur ganz gelegentlichen Angaben über
Eigenschaften von Mischlingen und häufigen Ansichten über die Folgen
früherer Kreuzungen in heutiger Bevölkerung; hierher gehören die Theorien
von der Konstanz bestimmter Rassetypen, Lang- und Kurzschädel-
o-esichter usw, -— vor allem von Kollmann vertreten, dann die v. Luschan-
sche Theorie von der „Entmischung“ der Rassen und anderes. Boas
1) Journal de la Physiologie 1858/59, T. 1 u. 2.