
IV. Ergologie der Bastards.
Die folgenden Bilder sollen eine Vorstellung vom ganzen
Leben und Treiben der Bastards geben, ihre Kultur, Sitten und
Bräuche schildern, ich verstehe also im Anschluß an Sa r r a s in und
andere unter E r g o n alles, was der Mensch in sozialem Zusammenleben
absichtlich und unabsichtlich schafft und hervorbringt.. Eine
erschöpfende Darstellung ist mir leider unmöglich, Vorarbeiten"
existieren gar keine, so hätte ich sie nur nach jahrelangem vertrautem
Verkehr und Leben mit dem Volke geben können, aber
ich hoffe, auch die kurzen Angaben werden willkommen sein.
E s wurde hier auch auf ethnographischem Gebiete versucht,
Folgeerscheinungen der Mischung zweier Kulturen aufzudecken.
Wie beim Studium der A n t h r o p o l o g i e der Bastards nicht nach
phylogenetischen Primitivzuständen geforscht wurde, wie man- es
etwa unter Australiern oder Weddas versuchen würde,- so la g auch
für die Ergologie das Beibringen von Beobachtungen zur Kulturen
t s t e h u n g , zur F ra g e nach Erfindung und Schaffung von Kulturerrungenschaften
an sich fern. Vielmehr ga lt.e s, den Vorgängen
zu folgen, die sich bei der Mischung zweier .Kulturen abspielen
und zwar beim Begegnen zweier so außerordentlich verschiedener
und ungleich hoher, wie es europäische(-burische) und hottentottische
sind. Dieses Begegnen vollzog und vollzieht sich vor unseren
Augen.
Heute, wo die „Volkskunde“ mit so großem -Erfolge dabei
ist, durch wissenschaftliche Vertiefung und Verarbeitung reichen
Materiales zurückliegende Wurzeln heutigen Volkstums, heutiger
eigenartiger völkischer Kulturzüge zu deuten und zu verstehen -—
heute, w o . die Ethnologie so .zahlreiche Erscheinungen glaubt als
„Entlehnungen“, „Übertragungen“, „Beeinflussungen“ auffassen zu
können, dürfte ein solches Schulbeispiel für Übertragung von Kulturgut,
geistigem und materiellem, von Untergang -V aber nicht restlosem
einer Kultur in dér anderen, von besonderem Interesse sein.
. . Am.'meisten Géwirin dürfte dabei die europäische V o l k s k
u nd e haben, und als Beitrag zu ihr möchte ich im Folgenden
das Kap. 4 vor allem aufgefaßt wissen. Der Grund dafür ist
leicht zu ersehen. In Sitte und Brauch, Anschauung und Glaube,
Wortwund Lied -der europäischen Völker haben sich Reste alter,
untergegangener Kulturkreise erhalten, die Wissenschaft der Volkskunde
schält uns all das aus der Gesamtergologie der einzelnen
Völker heraus; es steckt da in engster Verquickung mit neuer
Kultur," mit späteren,- christlichen oder fremden Elementen. Und
wir rekonstruieren uns den Entwicklungsgang dieser Kultur, wir
erschließen vor allem die Rolle, die' das Christentum und seine
Verkünder für die Umänderung der älteren Kultur vor allem auf
dem Gebiet von Glaube und Anschauung, auch Gewohnheit und
Recht gespielt haben.
Der Missionar, der bewußt und absichtlich alten Glauben und
alte Bräuche ausrottete oder abänderte, war zugleich der Bringer
aller möglichen anderer (auch rein materieller) Kulturgüter — da
fiel durch seinen Einfluß manches, was zu stürzen gar nicht seine
Absicht war — seine „stärkere“ Kultur siegte. A b e r — so nehmen
wir an aus der alten Kultur hat sich eine Menge als Rest, als
geistige „Rudimente“, wie der Zoologe sagen würde, erhalten; wir
führen heute unverständliche Züge in unserer Kultur auf jene
zurück, deuten sie als solche Überbleibsel. A ll das gilt nun wörtlich
für die Verhältnisse bei unseren Bastards. Der Missionar
zerstört die Religion der einen Komponente des Volkes und bekämpft
alles, was mit ihr'zusammenhängt, er bringt „Kultur“ —
aber zwischen seiner „Kultur“ und den Kulturelementen des hotten-
töttischen Kulturkreises spielt sich doch ein Kampf ums Überleben
'ab, manches Angepaßte aus jenem erhält sich auch der „höheren“
gegenüber. Reste gehen in die Mischung der „Bastardkultur“ ein,
schon in den wenigen Generationen konnten sich auch hier unverstandene
Überbleibsel bilden ' y - aber wir brauchen ihre Entstehung“
nicht zu erschließen, wir sehen sie vor unseren Aug en
sich vollziehen. Ich glaube, das ist das Wertvolle an solchen Bastardstudien,
auf diese Weise führen auch diese Studien zü jener großen
A u fg a b e aller ergologischen Studien: zur Kulturgeschichte der
Menschheit.:
D ie be iden Qu e l l e n , aus denen die Kulturelemente der
heutigen Bastardkultur- der Hauptsache nach geflossen sind, sind
das Volkstum der Buren und der Kulturkreis der Hottentotten;
dazu kamen dann später die Einwirkungen durch deutsche Missionare.
Man muß sich — will man die Bastardkultur verstehen —
jene Ausgangsstufen klar machen. Wenn man hier auf das Buren-
tum 'zurückgeht, muß man sich bewußt sein, daß es sich nicht um
das kapholländische Element handelt, so wie es h e u te in den
Städten oder auch als Farmer in Südafrika sitzt.: Die Väter- der
Bastards und ihrer Kultur waren Treckburen am Ende des