
dort in irgendwie größerem Maßstabe nicht ausgeführt worden —
und lassen sich heute wohl kaum mehr ausführen. Der G r a d der
Blutmischung ist nach rückwärts für die farbige Seite, also wohl
fast stets für die mütterliche, wissenschaftlich einwandfrei fast nie
festzustellen. Urkundliche Beleg e hat es früher da fast gar nicht
gegeben, die ganz erdrückende Mehrzahl der Zeugungen geschah
illegitim — die Produkte bildeten eine soziale Schicht, die gleichzeitig
reinrassige Individuen, herabgesunkene, niederste soziale E lemente
der Weißen und vor allem aufwärtssteigende Farbige enthält,
eine Schicht, besonders in den Großstädten sich haltend, die
jeder rassenmäßigen An a ly se spottet. E s entstand da nirgends
und niemals durch das Gemenge dieser reinrassigen mit Mischlingsindividuen
jeder Abschattierung ein V o l k , auch nie eine g e schlossene
Ka ste oder Schichte eines Volkes, sondern stets ein
sozial minderwertiges,' stark fluktuierendes, dauernd in seiner Zusammensetzung
sich änderndes Bevölkerungselement, das einfach
alles aufnahm, was zu ihm hinabsank oder hineinströmte und das
dazu wohl noch von der Umwelt, den sozialen Bedingungen, der
Ernährung, sexuellen Verhältnissen usw. stark und vor allem
wechselnd beeinflußt wurde. Und all diese Dinge dauern fort, bald
intensiver, bald eingeschränkt.
Wie gesagt, zu einer irgendwie typischen Bevölkerung oder
gar zu einem Volke führt das nirgends, die einzelnen Familien,
die (unreinen, d. h. Bastard-)„Linien“ innerhalb der „Population“
zu verfolgen (um mit J o h a n n s e n (s. u.) zu reden) ist völlig unmöglich;
sämtliche Grade der Mischung gehen völlig durcheinander,
jeder Versuch einer Einteilung ist hoffnungslos, es ist ein Rassenbrei,
ein Rassenproletariat, anthropologisch völlig uninteressant.
G a n z a n d e r s , g e r a d e z u g e g e n s ä t z l i c h d a zu v e r h ä l t
s ic h d a s „ B a s t a r d v o lk “ in S ü d w e s t a f r ik a . E in e g a n z e
R e ih e F a k t o r e n , s t a r k e und d a u e rn d e E in f lü s s e und
g le ic h m ä ß ig e , e ig e n tü m l ic h w i r k e n d e V e r h ä l tn i s s e h a b e n
es f e r t i g g e b r a c h t , d a ß h ie r d u r c h f r ie d l i c h e M is c h u n g
e in e d e u t l ic h a b g r e n z b a r e M i s c h b e v ö lk e r u n g e n t s ta n d ,
d ie fe s t e n , fa ß b a r e n C h a r a k t e r , fe s t s t e h e n d e , m it S tam m b
äum e n b e l e g b a r e M i s c h u n g s v e r h ä l tn i s s e b e s i t z t , d ie ein
e ig e n e s L e b e n , e ig e n e G e s c h ic h t e u n d s c h l ie ß l i c h s o z ia le
und v ö lk i s c h e S e lb s t ä n d i g k e i t a u fw ie s , k u r z zu e in em
n eu en V o l k , dem „ B a s t a r d v o lk “ w u rd e .
W ir haben da geradezu ein Schulbeispiel, wie äußere Umstände,
die Einflüsse der gesammten Umwelt das Produkt von
Rassenmischungen beeinflussen, für sein Schicksal maßgebend sind
r— freilich ebenso deutlich läßt sich zeigen, wie dieses von
der Natur der sich mischenden beiden Elemente, der Rasse also,
abhängt. Daß hier auf südafrikanischem Boden eine ganz eigenartige
Natur des Landes, Sonderart der sozialen Verhältnisse und
eigentümliche Veranlagung europäischer und hottentottischer Menschen
zusammentraf, das verursachte diese fast einzigartige friedliche
Hervorbringung eines „Bastardvolkes“ aus so heterogenen
Stammrassen.
Die langsame und eigenartige, dabei nicht allzuweit zurückliegende
Entstehung läßt sich verhältnismäßig leicht überschauen,
bei der Kleinheit des Gesamtvolkes sind die Familien und ihre
Schicksale rückwärts bis zu ihrer Entstehung verfolgbar, so daß
hier für die anthropologische Untersuchung eine Vorgeschichte
historisch gegeben werden kann. Der Versuch, diese aufzustellen,
führt in das Gebiet des heutigen Kaplandes und in die zweite
Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Werfen wir einen Blick auf die Verhältnisse, die damals süd:
lieh vom Orange herrschten
Etwa ioo Jahre nach der Gründung der Kapstadt (1651-—1.52)
beherbergte das Land rund 4000 europäische Kolonisten, davon
etwa 1500 Angestellte der holländisch - ostindischen Compagnie.
Daneben gab es eine gewaltige Menge Sklaven, die Schiffe brachten
Indier, Neger, vor allem Männer aus Madagaskar; es soll (?) mehr
Sklaven als Europäer gegeben haben!
Man kann sich denken, daß die Mehrzahl dieser Bevölkerung
in Kapstadt selbst und einigen südlichen Orten saß, weiter ins
Land hinein gab es nur ganz spärlich Ansiedler. Ab e r es gab
doch solche. Abenteuer-und Jagdlust, die Suche nach guten Farmländern,
nach gewinnbringendem Handel mit Eingeborenen hatteeine
Anzahl „Burghers“ weit hinein verlockt; als Beispiel sei erwähnt,
daß 1760 Jacobus Coetsee — als erster'Europäer — den
Orange auf einer Jagdexpedition überschritt! V o r allem muß es
schon damals (wie heute noch) ein gewaltig ausgeprägter Unabhängigkeitssinn,
ein unbezähmbarer Freiheitsdrang gewesen sein,
der diese holländischen und niederdeutschen Bauern aus dem un1)
Ich schöpfe- - für- folgende Darstellung aus T h e a ls Geschichte der Kapkolonie
(s. Lit.-Verz,), die. auf die Regierungsakten zurückgeht, dann aus v. R h o d e n s G.e-
sehichte der Rheinischen. Missions-Gesellschaft, habe, aber auch eine Anzahl „Reports“
(Berichte für das kapländische Parlament) benützen können, für deren liebenswürdige Besorgung
ich meinem Freunde Herrn K . Vizekonsul Dr. Kuenzer und dem K . deutschen
Generalkonsulat in Kapstadt verbindlichst danke. Der kleine Aufsatz von G en tz '(1903)
geht wohl nur auf dieselben Missionsberichte und mündliche Angaben Heidmanns zurück.
F is ch e r , Bastards. 2