Anthropologische Untersuchung der Munanesen.
Es lallt auf Muna sofort ins Auge, daß seine Bewohner einem anderen Volksschlage
angehören als die Butonesen, und zwar ist der Gesamteindruck mehr der einer niedrigeren
Rasse. Schon die Größe ist verschieden; denn der Butonese überschreitet im allgemeinen
das Mittelmaß von 160 cm, während die Munanesen im Durchschnitt 158— 160 cm messen.
Bereits die Sarasiris*) weisen aul die Bewohner Munas hin, die diese bei den Bugis
von Kolaka als Sklaven kennen gelernt haben und heben folgendes hervor (S. 43): „Die
Tornuna scheinen uns den alten Typus der Urschicht fast noch reiner bewahrt zu haben
als dieToäla, welche stark mit buginesischem Blute durchsetzt sind.“ Außer der„Toäla-Schicht“
unterscheiden sie noch eine „Toradja-Schicht“, welche die höherstehenden Volksstämme,
Toradjas, Bugis, Makassaren, Gorontalesen u. a. umfaßt. Nach meinen Untersuchungen
müssen die buginesisch-makassarischen Stämme aus dieser Schicht ausgeschieden werden, da
sie, wie z. B. die Völker Javas, anthropologisch zu große Verschiedenheiten und Anzeichen einer
starken Vermischung aufweisen, wovon später die Rede sein wird. Auch stehen sie in
kultureller Beziehung soweit über der Toradja-Schicht, daß ich sie als besondere „Bugis-
Schicht“ abtrennen möchte.
Meine Untersuchungen haben ergeben, daß in der Tat unter den Bewohnern Munas
eine toaloide Urbevölkerung zu finden, aber stark mit anderen höherstehenden Elementen
vermischt ist. Im nördlichen und östlichen Teile der Insel, weniger bedeutend im mittleren
existiert eine aul Celebes hinweisende Bevölkerung, zwar nicht aul das unmittelbar der Insel
gegenüberliegende Gebiet von Rumbia, sondern auf die Toradja-Lande von Zentral-Celebes
und in geringerem Maße auf Mengkoka. Im südlichen und westlichen Muna jedoch, sowie
im Inneren des mittleren hat sich die Ureinwohnerschaft reiner erhalten. Ausgenommen
hiervon sind die südöstlichen und östlichen Küstenstriche, die eine deutliche Mischung mit
Butonesen aulweiseh.
Die beiden Hauptbestandteile der munanesischen Bevölkerung, welche die in scharfem
Gegensätze zueinander stehenden Endglieder einer Reihe darstellen, sollen in Folgendem
besonders betrachtet werden, nämlich die toaloiden Ur-Ma!ayen und die später eingewanderten
Celebier der Toradja-Schicht.
Die Größe der Muna-Männer gibt Sarasin (S. 49) mit 157,6 cm und die der Frauen
mit 140,4 cm an im Mittel aus 7 Personen. Dieses Verhältnis kommt etwa den'Bewohnern
des südlichen Teiles der Insel zu, die auch hauptsächlich das Material für den Sklavenhandel
liefern. Unter Benutzung der statistischen Aufnahmen der Militärpatrouillen von 5413 Männern,
von deren schätzungsweisen Maßen ich mich durch Proben überzeugte, konnte ich folgende
Größenverhältnisse feststellen: 11 67,4°/o etwa 158— 160 cm, 2. 2 1,4°/o größer als 160 cm
und 3. 11,2°/o kleiner als 158 cm. Im Norden überwiegen die von 160— 161 cm und im
Süden von 158—159 cm, was sich durch die prozentuale Abnahme der Ur-Malayen von
Süden nach Norden hin erklären läßt.
D e rU r ty p u s zeichnet sich durch seine untersetzte,stämmige G e s t a l t , seine kräftigen,
verhältnismäßig kurzen Beine und entsprechend längeren Oberkörper aus. Dieser ist ein
wenig vorn übergene:gt, und der Kopf scheint oft etwas vorgeschoben. Die Arme sind
auffallend kurz gegenüber dem Toradja-Typus, besonders der Oberarm ist stark verkürzt.
Ein besonders kleiner Mann fiel mir durch seinen kurzen Obqr- und affenartig-langen Unter-
*7^Fritz S arasin : Versuch einer Anthropologie der'Irtsel Celebes, Materialien zur Naturgeschichte
der Insel Celebes, Band 5. Wiesbaden 1906, S. 43, 49, 55, 58, 60/63 u. a.
arm auf. B. Hagen*) ist nicht wie Andere der Ansicht, daß die vornübergebeugte Haltung
auf eine Wirbelsäulenkrümmung zurückzultihren sei, sondern er hält sie für eine Folge der
Haltung beim Nahrungsuchen und Tragen der schweren Lasten auf dem Rücken in einem,
durch Riemen vor der Stirn gehaltenen Korbe, ähnlich wie sie auch bei unseren Weinbauern
zu finden sind. Für Muna könnte dieser Fall nur für die Frauen in Frage kommen. Sicherlich
spielt aber auch das Gehen auf dem spitzigen Korallengrunde eine Rolle dabei; denn die
Leute müssen ständig auf den Weg achten. -y .< - . . -
Das G e s i c h t des im allgemeinen mesocephalen Kopfes ist im Verhältnis zur Lange
breit jedoch niemals breiter als lang. Bei den Frauen schien es immer mehr in die Länge
gezogen als bei den Männern, doch sah ich viele mit ausgesprochen breiten Gesichtern.
Der nicht selten ziemlich hohe Unterkiefer ladet breit aus, sodaß das Gesicht bei manchen
viereckig aussieht, eine Erscheinung, die bei den Munanesen häufiger und prägnanter zu
sein scheint, als bei Toradjas und Makassaren. Dadurch wird der Eindruck des Massigen
hervorgerufen und der stupide Gesichtsausdruck erhöht. Der Unterkiefer eines Mannes
ragte schnauzenartig vor und war besonders kräftig ausgebildet. Infolgedessen, wie durch
die starke Vorschiebung des oberen Augenrandes, sah der Mann direkt aflenartig, wild und blöde
aus. Im allgemeinen scheint die Prognathie mehr im südlichen Muna vorzukommen und ist sonst
nicht gerade häufig. Daneben findet sich oft ein zurücktretendes Kinn, das vor allem bei
den Frauen Ost-Munas auffällt, mit gleichzeitiger Zuspitzung des Gesichtes. Wenn bei
solchen Leuten die Stirnpartie stark fliehend und die Augenränder schirmartig vorgeschoben
"Sind, beobachtet man auch meist eine Abplattung am Hinterkopfe. — Solche Turmköpfe stellte
ich öfter bei Adeligen fest, nur mit dem Unterschiede, daß die Formen weicher und edler
waren (s. Taf. XVI, Fig. 2 |i J | l c h halte diese, bei Küsten-Malayen charakteristische Erscheinung
für ein Zeichen der Mischung mit butonischem und buginesischem Blute.
Die breiten Backenknochen treten beim Urtypus kaum hervor, nur bei den Frauen,
bei denen das Vorspringen jedoch oft auf Kosten der Magerkeit zu kommen scheint. Die
bei vielen Männern gefundenen tiefliegenden Augen dürften nicht allein auf den großen
Augenschirm, sondern zum Teil auch aul starkem Opium- und Palmweingenuß zurückzuführen
sein. Der Ausdruck der meist hellbraunen Augen ist stechend und häufig böse,
was besonders bei. den Frauen auffällt und ganz zu ihrem frechen Mundwerk paßt.
Die S t i r n ist meist gerade oder tritt nur unbedeutend zurück, zeigt aber bei manchen
Individuen die infantile kugelförmige zentrale Vorwölbung mit schiefen Furchen auf den
Seiten. Hierzu kommt noch das Vortreten der Mundpartie mit der Schnauzenfalte und einer
in den Augenwinkeln beginnenden, schräg nach unten über das Jochbein laufenden,;$turche
(Naso-malar-Falte Hagens), sodaß ein Kreuzgesicht, wie es Hagen**) bezeichnet, zustande
kommt. Die bereits von den Sarasins erwähnten, durch je zwei Falten gebildeten Hautwülste
bilden eine breite, quer durch das ganze Gesicht gehende Brücke, also,, eine niedrige Verbindung
der Backen über den platten Nasenrücken. Dieses Gebilde findet sich besonders
bei den Frauen, welche ja den ursprünglichen Typus am besten repräsentieren.
Der M u n d ist im allgemeinen bei den Männern größer als bei den Frauen. Die
Lippen sind dick und wulstig, der mittlere Teil der Oberlippe ist nicht selten aufgeklappt.
Besonders bei Frauen erscheint der geschlossene Mund häufig wie geöffnet, und da man
außerdem in die Nasenlöcher sieht, wird man unwillkürlich an eine Schweineschnauze erinnert.
») Die Orang Kubu aul Sumatra (Veröffentlichungen a. d. Stadt. Volker-Museum, Frankfurt a. M.
^ **) Kopf-und Oesichtstypen ostasiatisclier und m elanesischer Völker. (Stuttgart, F. Lehmann 1906,p.V.j