Außer diesen Schutzgeistern in Doriern oder auf Bergen denken sich die Eingeborenen,
wie überall im indonesischen Archipel, ähnliche Wesen auch in Bäumen, Höhlen,
Quellen und Meeresteilen. In hohen alten Bäumen wohnen die B a u m g e i s t e r Dini la-
loldwu, die Seelen von Ermordeten. Bei Wakahaü lebt ein derartiger Geist in einem Woraha-
Baum unweit des Dorfes. Er ist den Menschen gut gesinnt und kommt gelegentlich zu
seinen alten Freunden und zu den Seelen von verstorbenen Verwandten ins Dorf, um mit
ihnen zu speisen. Ist aber jemand in der Umgegend gestorben, so wird er unruhig, tobt
des Nachts und jagt den Leuten Angst ein. Niemand dar! sich während dieser Zeit in
die Nähe seiner Baumwohnung wagen.
Die W a l d g e i s t e r , Dini püna (pu = Baum), männliche und weibliche, hausen in
den großen und dichten Wäldern, treiben mit den Menschen allerlei Schabernack, quälen
und ioltern sie gelegentlich selbst zu Tode. Ein berüchtigter Geisterwald liegt au! dem
Buri-Berge bei Limbo. Die Menschen, welche diesen zum ersten Male betreten, müssen,
um nicht belästigt zu werden, einen Strick aus
Lianenstengeln (rbngo) um den Hals legen. Vergessen
sie diese Vorsichtsmaßregel, so werden sie
von den Geistern aui falsche Pfade geführt und
laufen planlos hin und her. Auf solchen Irrwegen
werden sie tagelang festgehalten, bis sie schließlich,
vor Hunger und Angst ermattet, einschlafen. Bei
ihrem Erwachen fühlen sie sich am ganzen Körper
zerschlagen, können sich nur mühsam heimwärts
schleppen und haben keinerlei bestimmte Erinnerung
mehr an das Vorgefallene.
In diesem Walde, so erzählte man mir weiter,
trieben auch einmal die Geister mit einem Einwohner
von Wakahaü ihren Spuk. Der Mann kam
zum ersten Male dorthin und hatte beim Suchen
nach Waldprodukten seinen Halsring verloren. Infolgedessen
wurde er 7 Tage dort festgehalten und
von den Geistern wie ein S c h l a f e n d e r durch alle
F ig . 98. E in A h n e n s e e l e n h ä u s c h e n u n d G r a b in
K o n g k e o n g k ö a .
möglichen unheimlichen Schluchten, auf gefährliche Felsspitzen, sowie durch dichte Wildnisse
geschleppt. Da er aber reichlich gerösteten Mais mit sich führte, wurde er weder hungrig
noch müde und überschritt sicheren Fußes alle gefährlichen Stellen, sodaß ihm die Geister
schließlich wieder die Freiheit schenkten.
In den Buchten des Meeres denken sich die Butonesen weiterhin S e e g e i s t e r ,
Dini kondälo (ondälo = Meer), welche aus Leuten hervorgegangen sein sollen, die auf
dem Meere starben und in die Fluten versenkt wurden.
Eine große Rolle spielen außerdem die Q u e ll g e i s te r , Dini kowena, deren Aufenthaltsorte
die Tropfsteinhöhlen, sowie die Dolinen und Felsentore im Gebiete unterirdischer
Flüsse sind. Das von ihnen bewohnte Wasser gilt sogar als Medizin, und zu einer kleinen
Grotte, die sich bei Limbo infolge Einbruches der Decke eines unterirdischen Bachlauies
gebildet hat, kommen die Menschen von weither, um sich für Magen- und Darmkrankheiten,
sowie für Fieber das heilbringende Naß zu holen. Jeder Wallfahrer versichert sich vorher
der Gunst des segenspendendeii Geistes durch ein kleines Opfer von Reis, Sirihpinang
und womöglich noch einer Zigarette. Zu Beginn des Ost- und West-Monsuns pflegen die
Bewohner der umliegenden Ortschaften außerdem noch ein größeres Opfer an dem heiligen
Wasser durch den Bisa niederlegen zu lassen, und zwar zur Zeit durch den berühmtesten
und geschicktesten Zauberpriester der Gegend, den Madja-maha, einen Schamanen, der
durch Weihrauch, Gesang und Tanz die Geister beschwört und als Medium im hypnotischen
Zustande mit ihnen redet. In diesem unterirdischen Flusse soll außerdem eine Riesenschlange
leben, welche dem Geiste heilig ist und deren er sich bedient, um Menschen zu
strafen. — Ich habe aber bei Gelegenheit meines Aufenthaltes hier unbehelligt mein Bad
genommen.
Sehr gefürchlet sind schließlich noch die Q u ä l g e i s t e r , meist die Seelen ermordeter
oder nicht begrabener Menschen, besonders die Bösewichte I b i l t s i (Teufel), die das Leben
der Menschen bei Tag; und Nacht bedrohen, ihnen häßliche Krankheiten schicken und
Seuchen über das ganze' Land verbreiten. Damit diese nicht ins Haus eindringen können,
setzt man den Mittelpfeiler der Vorderwand auf einen großen Stein. Diese Sitte ist so
allgemein verbreitet, daß man selbst die Bootshütten am Strand auf die gleiche Art errichtet.
Von Zeit zu Zeit, hauptsächlich wenn im Nachbarhause ein Kranker liegt, wird
auf diesem Steine Weihrauch (düpa) abgebrannt. Befindet sich aber bereits der Krankheitsgeist
im eigenen Hause, so muß der Bisa, meist ein erfahrener alter Mann, welcher Heilerfolge
zu verzeichnen hat,_ die ganze Wohnung ausräuchern und hinterher ein Stück
Weihrauch, eingewickelt in ein Maisblatt, auf dem häuslichen Opfersteine entzünden. Um
die Beschwörung noch wirkungsvoller zu machen, malt er mit Kreide geheimnisvolle
Zeichen und Figuren (Schlangen, Sterne u. a.) an Tür und Fenster.
Hingewiesen sei schließlich noch auf die K a n jo l i , böse Geister, die den von
Lombok bereits erwähnten Ponti-änak (S. 98) entsprechen und schwangere Frauen, sowie
geschlechtsreife Mädchen verfolgen.
Außer den genannten kleinen Geistern, deren allmähliche Entwicklung aus den
Seelen der Ahnen, wenigstens für einen Teil derselben, feststeht, kennt der Butonese noch
einen Hauptgeist, dem er außer der Bezeichnung Sangia und Dini den Namen Dewa (Gott,
ein Rest des alten Hindutums) beilegt, nämlich den W in d g o t t , welcher zu Beginn der
Regenzeit erscheint, Fieber und Dysenterie unter die Leute bringt. Um dessen Zorn von
sich abzuwenden, opfert man auf kleinen Tischen mit einem Dach darüber (karin(g)-kari),
das demjenigen eines Heiligenbildstockes ähnlich sieht und in jedem Dorfe und fast vor
allen Häusern gewöhnlich am Mittelpfeiler zu finden ist (Fig. 99). In diesen Hüttchen
sieht man alle möglichen Gaben niedergelegt, meist Sirihpinang, Mais, Reis, Bananen u. a.,
je nach dem Anliegen. Kaum setzt die große Veränderung im Luftreiche ein, zu Beginn
der Regen- oder Trockenzeit, so beeilen sich die Gläubigen, dem Windgotte seine Lieblingsspeise,
Reis mit gelbem Puder in einer Kokosschale, darzubringen. Erst wenn diese Handlung
vollzogen ist, können sie das zu Beginn des neuen West-Monsuns gefallene Wasser gefahrlos
genießen. Verabsäumen sie aber diese Vorsichtsmaßregel, so sollen sich Leibschmerzen,
schwere Dysenterie und starkes Fieber einstellen. Auch während der Trockenzeit
meidet es der Butonese, aus den Flüssen Wasser zu trinken, da möglicherweise irgendwo
in den Bergen Regen als Vorläufer des West-Monsuns, der in diesem Gebiet, wie berichtet,
sehr unregelmäßig auftritt, gefallen sein könnte. Die Leute von Lipumangaü und Wakahaü
glauben außerdem, daß der Gott, falls ihm nicht rechtzeitig geopfert wird, auf seinem Zuge
durchs Land aus Rache Seuchen senden würde.
Neben diesem Beherrscher des Windes wird noch ein zweites O b e rw e s e n , d e r
M e e r g o t t O m b o oder Embo verehrt. Dieser hat das Aussehen eines riesigen Tinten