Menschen mit einem Hagel von Speeren überschütten, sich in hohlen Baumstämmen oder
hinter Felsen verborgen halten und dem Vorüberziehenden mit ihrem großen Haumesser
den Kopf abschlagen. Ein gebildeter und glaubwürdiger Mann hat mir als Beispiel der
bedeutenden Kraft und Gewandtheit der Kopfjäger erzählt, daß sie den Kopf eines Büffels
mit einem Schlage vom Rumpfe trennen könnten. — Solche und andere im Umlauf befindlichen
Gerüchte nahmen eine immer erschreckendere Form an, sodaß die Soldaten
bereits den Mut zu verlieren begannen. Einen europäischen Unteroffizier meiner Begleitung,
der am Ende seiner 16-jährigen Dienstzeit stand und auf die letzte Patrouille ging, schlug
die Stimmung derart nieder, daß er sich allen Ernstes einbildete, nicht mehr lebend
zurückzukehren.
Trotz alledem begaben wir uns am 9. September 1909 mit der „Columbia“ auf die
Fahrt, nachdem zwei Tage vorher unsere militärische Bedeckungsmannschaft unter Herrn
Leutnant Motta, eine Abteilung javanischer Soldaten, zwei europäische Unteroffiziere, ein
Krankenpfleger und ein eingeborener Vaccinateur (Impf-Arzt) auf zwei anderen Segelschiffen
vorausgeschickt waren. Gleich nach Ankunft der Europa-Post und einer neuen
Kiste photographischer Platten der Firma Schleußner-Frankfurt a. M. brachte uns um 3 Uhr
nachmittags eine kräftige Südost-Brise in 33/4 Stunden bis zur West-Ecke der Insel Muna;
unsere „Columbia“ hatte also 6 Knoten in der Stunde zurückgelegt, eine respektabele Geschwindigkeit
für ein Segelboot. Hier, am Kap Weta, mußten wir vor Anker gehen, denn
bei Nacht ist die an Riffen und Sandbänken reiche Kabaena-Straße, von der noch keine
Seekarte vorliegt, unbefahrbar.
ln der kommenden Nacht machten wir eine unliebsame Bekanntschaft mit Seeräubern,
vor denen man uns bereits gewarnt hatte. Fast lautlos ging ein großer Segler
nicht weit von der „Columbia“ vor Anker. Mehrere Einbaumboote wurden zu Wasser gelassen,
fuhren zur Küste und kehrten in größerer Anzahl zurück. Sie umschwärmten uns,
trauten jedoch der Sache anscheinend nicht ganz, denn in unserem Top brannte eine
Lampe, und ein Zeltdach breitete sich zum Schutz gegen den Nachttau über das Deck.
Wir lagen sämtlich ausgestreckt auf dem Boden und beobachteten, die Waffe im Anschlag,
die Bewegungen der Boote, doch hatte ich den Befehl erteilt, nicht früher als ich selbst
zu schießen. Schließlich schien die Ruhe an Bord die Seeräuber zu ermutigen, immer
dichter wagten sie sich an uns heran, kamen endlich geräuschlos längsseit, und mehrere
Köpfe erschienen über dem Bordrand. Als sie jedoch 8 Gewehre auf sich gerichtet sahen,
verschwanden sie Hals über Kopf in ihre Boote, und wie auf einen Wink eilte die ganze
Flottille dem Lande zu.
Mit einem leichten Südwest setzten wir am anderen Morgen unseren Weg der Ost-
Küste Kabaenas entlang fort, um nach Duälo, einem Orte am Süd-Ende des celebensischen
Festlandes, zu gelangen. Auf Kabaena erhebt sich der 1950 m hohe, kegelförmige Sangia-
wita-Berg, und die felsigen Ufer fallen meist schroff zum Meere ab. Im Gegensatz zu den
üppig bewaldeten Küsten Lomboks begegnet man hier nur dürren Grasflächen und nackten
Felsen, in deren Nischen niedrige Cycas-Palmen und Dracaenen wachsen (Taf. XXIV, Fig. 1).
Als die „Columbia“ abends vor D u ä lo vor Anker gehen wollte, verfehlte sie infolge
der Dunkelheit die schmale Fahrstraße zwischen der kleinen Insel Tombäko und der hier
tief ins Land eingreifenden Bucht. Trotz beständigen Ablotens der Tiefe saßen wir plötzlich
auf dem Korallenriff, einer steilabfallenden Stufe, fest und erst nach mehr als einstündiger
Arbeit und Auswerfen zweier Anker seewärts im tiefen Wasser konnten wir endlich mit
vereinten Kräften das leckgesprungene Boot von der Klippe herunterziehen. Hätte der
Wind nicht nachgelassen, so wäre das Leck im Boden sicherlich größer geworden als es
tatsächlich war; immerhin mußte aber das Fahrzeug zur Reparatur möglichst bald aufgeschleppt
werden, weshalb ich es nach Ausbootung unseres Gepäcks nach Koläka an der
Ost-Seite des Boni-Golfes sandte, dem Endpunkt unserer Landexpedition. In Duälo hatte
Herr Leutnant Motta bereits 120 Träger aus der Umgebung requiriert; den Küstenplatz
selbst bewohnen nur Bugis. Diese Leute leben vom Fischfang und Handel mit Produkten,
welche die Bewohner des Inneren hierher bringen. Ihre Häuser liegen auf dem Ebbestrand,
und der Pfahlrost derselben tritt bei Flut unter Wasser. Ein System von Fischreusen steht
an den flachen Teilen der Bucht. Wie fast überall in solchen Küstenstrichen gehört auch
hier das Trinkwasser zu den Kostbarkeiten, denn es muß in Bambusrohren etwa eine
Stunde weit von dem Badjo-Dorf Lüra, wo ein kleiner Fluß mündet, geholt werden.
Auf einer Strandwanderung machte ich den ersten, geologisch wichtigen Fund: die
G l im m e r s c h i e f e r f o rm a t i o n in ähnlicher Ausbildung wie bei Labuan-beli und auf Buton,
nur daß hier ihre jüngeren Glieder ausschließlich auftreten, und zwar phyllitähnliche, ebenmäßig
spaltende, aber stark verwitterte Biotitschiefer, die von Adern und Bändern eines
weißen Quarzes durchzogen werden. Diese Gesteine stehen auch auf der schmalen, der
Küste vorgelagerten Insel Tombäko an, wo sie im Steilufer blosliegen und unter flachem,
16—18» betragendem Einfallen WSW-ONO (W 14° S) streichen. Die ganze Küste fällt
ziemlich steil in 7 Stufen zum Meere ab, und die höheren von ihnen lassen mehrere hintereinander
liegende Rücken erkennen.
Die D u r c h q u e r u n g v o n S ü d o s t -G e l e b e s sollte von Duälo im Süden nach
Koläka im Norden über mehrere Bergzüge und voraussichtlich auch durch ausgedehnte
Sümpfe erfolgen, wie die Sarasinschen Erfahrungen auf dem Wege von Koläka nach Kendari
durch die Schmalseite der Insel gezeigt hatten. Es war vorher abgemacht, daß uns der
Civiel-Gezaghebber von Koläka mit seinen Polizeisoldaten entgegenkommen und auf uns
am Hauptflusse von Ost-Rumbia warten sollte. Da das Land für sehr dünn bevölkert gilt,
mußte die Expedition damit rechnen, im Innern weder die Lebensmittel ergänzen noch
die Träger auswechseln zu können, infolgedessen mußte alles von der Küste mitgeführt
werden.
Es dürfte wohl von Interesse sein, zu erfahren, wie man in solchem Falle eine
L a n d r e i s e a u s r ü s t e t : Ein Träger schleppt etwa 17—18 kg, also rund 35 Pfund und
ißt pro Tag im allgemeinen 1 Katti Reis, nämlich etwa Pfund. Er würde also
nur eine für 24—28 Tage reichende Last Reis für seinen e i g e n e n Lebensunterhalt transportieren
können. Infolgedessen darf eine Wanderung niemals länger als 26 Tage dauern,
falls nicht etappenweise neue Lebensmittel von der Küste her nachgeführt oder von der
anderer! Seite entgegengeschickt werden. Bei entsprechender kürzerer Dauer der Märsche,
z. B. von 12—14 Tagen, kann dementsprechend für die eine ausfallende Hälfte der Reislasten
anderes Gepäck mitgenommen werden. Besteht gar keine Aussicht, Waldprodukte
als Ersatznahrung zu schaffen, so ist, im Falle man allein auf Träger angewiesen bleibt,
ein bis 14 Tage langer Landmarsch das Vorteilhafteste.
Nach meiner Berechnung konnte der Weg von Duälo nach Koläka in 12, Aufenthalte
und unvorhergesehene Verzögerungen einbegriffen, in 16 Tagen zurückgelegt werden. Das
Expeditionsgepäck bestand aber aus folgenden Lasten: 14 für zwei Wohnzelte und ein
Leutezelt, Feldbetten, Tische, Stühle, Küchenkiste, Gepäck der Präparatoren und Diener,
dann 4 Lasten für Apotheke, Konserven und Getränke der 4 Europäer, weitere 2 für Anzüge,
Wäsche und Beleuchtung, schließlich 13 für die wissenschaftliche Ausrüstung: Instrumente,