vertreten. Unter seiner Führung setzte unser zusammengeschmolzenes Häuflein schweigend
den Aufstieg fort. Ueber die Trift Lendang-Mejängeh, die ihren Namen von dem Weihrauch
trägt, der hier dem Batara bei allen möglichen Gelegenheiten geopfert worden ist, westlich
des Dorfes Beriri - djärak vorbei, erreichten wir in ungefähr 700 m Meereshöhe den in
steilen Felsenwänden abfallenden Tallauf des Köko-Tänge, eines linken Nebenflusses des
Djürang-köak, den Urwald. In Nordwest- und Nord-Richtung schlugen wir unseren Weg mit
Haumessern durch das Unterholz und verfolgten zuletzt mehrere felsige Täler. In 1325 m
Meereshöhe machten wir am Abend Halt und fanden unter einer überhängenden Steilwand
des Cöran-lumüt-Flusses eine kleine Höhle zur Nächtigung. Durch einige in die Erde
gesteckte Sträucher war sie schnell nach außen hin abgeschlossen, und ein großes Lagerfeuer
ließ uns die Kälte und Feuchtigkeit der Nacht nicht fühlen.
Trotz der unbequemen Lage auf dem unebenen Felsboden schlief ich ein, ohne
mir ein leises, surrendes Geräusch erklären zu können. Plötzlich schreckte ich auf und
fühlte etwas Warmes in meinem Gesicht, während das Geräusch zu einem Schnarren und
Sausen geworden war. Beim Schein des Feuers sah ich Scharen von Fledermäusen über
meinem Kopfe durch eine Felsspalte ein- und ausfliegen. Am anderen Morgen war ich
ganz weiß wie mit Kalk bespritzt.
Unerklärlich aber war mir ein Geruch von Weihrauch. Auf Befragen meiner Leute
erfuhr ich, daß man Weihrauchkörner und Salz in mein Feuer gestreut habe, um vom
Gotte Batara die Erlaubnis für mich zu erbitten, den Berg ersteigen zu dürfen.
Am anderen Morgen kletterte ich, durch einen heißen Kaffee schnell erfrischt, zum
Fluß hinab, um in einem der Wasserbecken des eingetrockneten Flusses mein Morgenbad
zu nehmen. Eine Reihe Leute aus Kembang-kerang betete dort nach muhamedanischer
Sitte, kniend auf ihrem ausgebreiteten Gürteltuche, und andere nahmen gerade die übliche
Kopf-und Fuß-Waschung vor, und zwar zu meinem Schrecken in einem kleinen, für Trinkwasser
reservierten Wasserbecken. Auf mein Befragen, warum sie gegen mein Verbot
dort badeten, bekam ich die überraschende Antwort, daß sie nicht badeten, sondern nur
ihre Waschung zum Gebet vornähmen.
Wie am ersten Tage, so war auch heute die Steigung eine gleichmäßige und geringe.
Von 1600 m Meereshöhe ab lichtete sich der Urwald bald soweit, daß wir nicht mehr nötig
hatten, einen Weg auszuhauen. Über 2100 m wächst die Bodenneigung verhältnismäßig
schnell von 20° auf 25—27°, von 2400 m an selbst bis 33°. Mit der Abnahme des
Waldes zur Spitze hin verschwindet auch die Bodenkrume allmählich und bei 2350 m tritt
zum ersten Male nackter Lava-Fels zutage. Weiter bergauf häufen sich über diesem anfangs
Breccien, dann Lapilli und Sande, mit zunehmender Mächtigkeit. Da die Pflanzendecke
immer spärlicher und der Boden immer lockerer wird, gestaltet sich der Aufstieg schwieriger.
Von ungefähr 2750 m ab setzten lose Vulkan-Agglomerate ein mit bald mehr, bald
weniger starken Beimengen von Sanden und Aschen, die bis zur Spitze des Berges
herrschten. Bei 3450 m erreichten wir den Rand des großen Tales, das sich zum Krater
hinaufzog. Ich stieg ein großes Stück wieder abwärts, um ungefähr an der Grenze der
letzten Casuarinen-Bäume in der Schlucht mein Nachtlager zu nehmen. Da es den ganzen
Tag geregnet hatte und schon spät geworden war, freute ich mich, unter einem überhängenden
Felsblock ein wenig Schutz zu finden. Diese 3065 m ü. M. liegende Stelle,
wo das Tal sich verengt und in einer Schlucht zum Krater weiter zu gehen scheint,
nennen . die Sasaker, ebenso wie auf der Nord-Seite des Berges, Plawangän - Selong.
Die letzten Reste der hier vorhandenen Bäume wurden umgehauen und herbeigeschleppt,
um Hütten zu bauen und Feuer anzuzünden. Meinen Felsvorsprung ließ ich
mit Zweige umstellen und legte oben darauf noch einige Zeitungen. Eine schnell warmgemachte
Konservenbüchse spendete mir mein Abendbrot. Leider fand nur mein Oberkörper
unter dem Steindach Platz, und da mein Schlafsack schon lange nicht mehr dicht
hielt, blieb mir nichts anderes übrig, als meine langen Beine noch mit einigen großen
Frankfurter Zeitungen zuzudecken. Als ich am anderen Morgen aufwachte, waren meine
Kleider völlig durchnäßt. Meine Leute aber hatten trotz ihrer europäischen Anzüge stark
gefroren und sich nicht gescheut, weitere Baumstämme aus den tieferen Teilen des Tales
heraufzuholen.
Am dritten Morgen regnete es noch immer in Strömen. Vor unserem Weitermarsche
legte jeder Sasaker seinem Gotte Batara ein fertig gedrehtes Sirih-Priemchen, einen Mund
voll Tabak, eine mit einem Maisblatt schön gewickelte Zigarette und ein wenig Empök-
Reis auf einen großen Felsen. Nach längerer Beratung und Vergleich ihres im Gürteltuch
eingeknüpften Barkapitals zahlten sie Batara noch 9 Keppeng Eintrittsgeld. Der Vertreter
des Pamanku warf dann einige Körner Weihrauch, Salz und, um sich als Muhamedaner zu
kennzeichnen, kleine Stückchen Papier ins Feuer, und nun waren wir gewappnet für den Aufstieg.
Vorsichtig um die großen Blöcke herumkletternd, gelangten wir auf die erhöhte,
stark eingeengte Talsohle. An den fast senkrechten Abhängen wuchsen noch einige Gräser
und Krüppelbüsche. Die Steilwände gestatteten mir einen guten Einblick in den vom Tale
quer durchschnittenen Vulkan-Mantel. Die Schichten-Serie setzt sich zusammen aus Lava-
Bänken im Liegenden, aus Breccien, Sanden und Agglomeraten der Segare-Anak-Eruptionen
im Hangenden, einfallend ungefähr 30° O-Iich. Zuoberst liegt eine aus Lapilli und Sanden
bestehende geschichtete Decklage, die jüngsten Auswürflinge des Rindjani-Vulkans.
An der Tal-Einschnürung bei Pläwangän ist die Sohle nur etwa 10 m breit, erweitert
sich aber schnell auf 50 m und teilt sich sodann in eine Anzahl Seitenarme. Keiner der
Leute konnte mir unter den Schluchten den Weg angeben, und so wählte ich jedesmal
die größere aus diesem Labyrinthe. Überall schossen senkrechte Wände empor, und scharfe
Rücken traten wie Kulissen aus den Nebentälern heran; mehrfach versperrten uns lose
Blockwälle den Weg.
Um nicht zuletzt im toten Talende umkehren zu müssen, benutzte ich die Gelegenheit,
in einer ziemlich flach auslaufenden Schlucht den nächsten Rücken zu erklettern.
Auf allen Vieren kriechend, hielten wir uns an den Felszacken, die aus den Wänden
heraussahen. So gelangten wir allmählich von Rücken zu Rücken aufwärts. Je höher wir
kamen, desto loser wurde das Bindemittel der BIock-Breccie, und von meinen Leuten wagte
niemand mehr voranzugehen. Ich kletterte deshalb voraus, mußte mich jedoch sehr in
acht nehmen, um nicht die gelockerten Blöcke auf meine Hinterleute zu werfen.
Während die unteren Rücken spitz zum Tal auslaufen, aber nach oben hin breit in
das höhere System übergehen, enden die letzten als schmale Rippen am nächst höher
liegenden Talende, das seinerseits in einer oft über 100 m hohen senkrechten Wand zum
tiefer liegenden Tal abstürzt. Von einem derartigen Rippenende, das einer Bretterwand
gleicht, auf die nächst höher liegende Talsohle zu gelangen, ist ein Turnkunststück, und
nur wenige Leute wagten mir nachzukommen.
Die letzte Rippe ist nicht breiter als ein Pferderücken und gleicht einer freistehenden
Mauer. In Reitstellung weiterrutschend komme ich dem Kraterrande nahe, als
plötzlich die Rippe aufhört und senkrecht zur Tiefe abstürzt. Vor mir rechts und links ein
gähnender mehrere hundert Meter tiefer Abgrund. Sofort gebe ich den Leuten das Zeichen