Die Feststellung der Wallace’schen Grenzlinie, welche zwei große Erdgebiete von
einander scheidet, war eine wissenschaftliche Tat allerersten Ranges. Mit der Zeit aber,
namentlich infolge des besseren und vollständigeren Bekanntwerdens der malayischen Fauna,
hauptsächlich durch die Forschungen Max Webers und der Vettern Sarasin, begannen sich
erhebliche Zweifel an der absoluten Gültigkeit der Wallace’schen Theorie zu reg en ; der
strikte Gegenbeweis ist aber bis heute noch nicht erbracht. Eine e r n e u t e P r ü f u n g
d i e s e r t i e r g e o g r a p h i s c h e n S e ite d e r F ra g e an der Hand umfangreicher Sammlungen,
insbesondere von Süßwasserfischen, die wegen ihres Gebundenseins an das süße Wasser
für solche Untersuchungen besonders geeignet sind, sollte darum eine der Hauptaufgaben
der Expedition sein, deren Entsendung in der Vorstandssitzung vom 9. Januar 1909 und
in der Mitglieder-Versammlung vom 19. Januar 1909 beschlossen wurde.
Besonderen Erfolg versprach auch eine g r ü n d l ic h e U n t e r s u c h u n g d e s R in d ja n i.
Dieser zweithöchste Vulkan des ganzen malayischen Archipels erhebt sich auf Lombok,
also gerade auf der in Rede stehenden Scheidelinie, als Grenzstein sozusagen zweier Welten
nahezu 4000 Meter hoch in die Lüfte, sowohl den von Australien, wie von Indien her
wellenden Windströmungen mit ihrer Fracht an lebenden Keimen ungehindert ausgesetzt,
deren Einflüsse sich in der Pflanzen- und Tierwelt seiner Abhänge unbedingt bemerkbar
machen mußten. Ein z o n e n w e i s e s Ab s am m e ln dieses Vulkanriesen erschien deshalb
ebenfalls dringend geboten.
Da auch von Seiten der Pflanzen-Geographie Einspruch gegen die Wallace’sche
Linie erhoben worden ist, ohne daß man jedoch bislang im Stande war, anzugeben, wo
der Übergang der beiden ebenfalls grundverschiedenen Florenreiche stattfindet, so war das
S tu d iu m d e r P f l a n z e n w e l t und die Anlage möglichst umfangreicher Herbarien eine
weitere Aufgabe der Expedition.
Selbstverständlich durften auch die a n th r o p o lo g is c h e n u n d e th n o g r a p h i s c h e n
U n t e r s u c h u n g e n nicht vernachlässigt werden, da die Völkerverhältnisse des malayischen
Archipels, namentlich die Frage der Urbevölkerung und der Wirkungen der Berührung und
gegenseitigen Durchdringung der malayischen und der papuanischen Menschenvarietäten
immer noch der wünschenswerten Klarheit entbehren.
Alle diese Untersuchungen sind nun zwar im Stande, das Problem der Lage und
Gestaltung des versunkenen ehemaligen F e s t l a n d e s „ A u s t r a s i e n “, sowie der Zeit und
Art seines Versinkens der Lösung näher zu bringen, aber sie gewinnen doch im eigentlichen
Sinne des Wortes erst festen Boden, wenn durch die G e o lo g i e die aus dem Studium der
heutigen Verteilung der Tier- und Pflanzenwelt rekonstruierten alten Verbindungswege und
Landbrücken bestätigt werden.
Der Schwerpunkt der Aufgaben lag also fraglos in der eingehenden g e o l o g i s c h g
e o g r a p h i s c h e n D u r c h f o r s c h u n g des zu besuchenden Gebietes, und es stand von
vornherein fest, daß nur ein Geologe von Fach Leiter unserer Jubiläums-Expedition sein könne.
Die eben skizzierten vielfachen und vielgestaltigen Aufgaben, welche das Wissen
und die Kräfte eines einzelnen Mannes fast überstiegen, machten es von vornherein
wünschenswert, dem leitenden Geologen noch einen Botaniker und einen Zoologen zur
Seite zu stellen. Aber die trotz aller Opferfreudigkeit seiner Mitglieder immerhin nur ber
schränkten Mittel des Vereins verboten eine solche Erweiterung des wissenschaftlichen
Stabes von selbst, und der Vorstand konnte lediglich darauf bedacht sein, einen Mann mit
möglichst umfassendem Wissen zu gewinnen.
Ein solcher fand sich in Dr. Johannes E lb e r t , der neben dem geologischen Fachwissen
nicht nur ausreichende zoologische und botanische Kenntnisse, sondern aueh den
schwer in die Wagschale fallenden Vorzug besaß, als Mitglied einer früheren Forschungsreise
nach Java und Sumatra nicht bloß die tropische Reisepraxis, sondern auch das speziell
hier in Frage kommende Gebiet aus eigener Anschauung bereits zu kennen.
Mittelst Vorstandsbeschluß vom 9. Januar 1909 ward demnach einstimmig Herr
Dr. Elbert, dem seine tapfere junge Gattin als Begleiterin und Helferin zur Seite stehen
wollte, mit der Durchführung der auf ein Jahr berechneten
„Elbertschen Sunda-Expedition des Frankfurter Vereins für Geographie und Statistik“
betraut.
Das Arbeitsfeld sollte zunächst Bali und Lombok umfassen, die Grenzinseln der
Wallace’schen Linie, dann womöglich die Saleyer-Gruppe und Sumbawa; schließlich sollten
noch einige Monate auf paläontologische Ausgrabungen in Java und eventuell Sumatra
verwandt werden.
Dieser ursprüngliche Plan wurde teils auf Wunsch der niederländischen Regierung,
teils durch den Gang und die Ergebnisse der fortschreitenden Untersuchung derart verändert,
daß Bali, die Saleyer-Gruppe und Java fallen gelassen, dagegen die Durchquerung
des bis dahin ganz unbekannten Innern der südöstlichen Halbinsel von Celebes, sowie die
Durchforschung der Inseln Buton, Muna, Kabaena, Flores und Wetar hinzugefügt wurden,
sodaß die anfangs in bescheidenem Rahmen gedachte Expedition eine beträchtliche Erweiterung
erfuhr. In Rücksicht auf die dadurch nicht unerheblich vermehrten Ansprüche
an die Arbeitskraft des Expeditionsleiters sah sich der Verein bewogen, Herrn Dr. Elbert
in der Person des Herrn C. G r ü n d l e r einen Assistenten zur Verfügung zu stellen.
Mit welchem Ernst, mit welcher Sachkenntnis, Umsicht und unermüdlichen Energie
das Ehepaar Elbert sich seinen Aufgaben unterzog und mit welchem Erfolg, das dürfte
nicht nur aus der Fülle des in den nachfolgenden Blättern niedergelegten Materials, sondern
auch aus der Tatsache hervorgehen, daß die mitgebrachten Sammlungen, welche jetzt als
Geschenk des Vereins eine Zierde der Frankfurter Museen bilden, neben ca. 1300 ethnographischen
Gegenständen viele Hunderte von geologischen Handstücken, 2500 Fische, weit
über 16000 Pflanzen und vom Rindjani allein fast 10000 Insekten umfassen, darunter viele
neue Arten.
Unseren aufrichtigen Dank darum zunächst dem Forscherehepaar Elbert für alle
seine aufopfernde, aber auch erfolggekrönte Mühe und Arbeit!
Freilich, diese Erfolge wären nicht möglich gewesen ohne die große, freudige und
allseitige Unterstützung, welche der Plan einer Jubiläums-Expedition zur Feier des 75 jährigen
Bestehens unseres Vereins in den Reihen unserer Mitglieder fand, als wir genötigt waren,
bei der Unzulänglichkeit des Vereinsvermögens an ihre Hilfsbereitschaft zu appellieren.
Nahezu 16000 Mark wurden in wenigen Wochen gezeichnet, und als sich später die wissenschaftliche
Notwendigkeit herausstellte, entweder die auf Celebes und Buton gefundenen