Außerdem begleitete uns als Assistent Herr C. G r ü n d l e r aus Berlin, der gerade
auf Bali eine ethnographische Reise beendet hatte. Von dort kam auch unser rundlicher
Jäger und Aufseher Abdurrachman Malabarie aus Bombay, der als stolzer, jedoch malayisch
sprechender Vorderindier den Anspruch auf die Anrede „tuan, Herr“ erhob. Zwei tüchtige
Präparatoren waren mir vom Gouvernement zur Verfügung gestellt. Der lange, biedere
Muhari hatte schon viele Expeditionen, unter anderen die Sarasinsche auf Celebes, mitgemacht,
und Siun war ergraut als Pflanzensammler von Sumatra bis Neu-Guinea. Beide
sähen vertrauenerweckend aus. Unter der anderen Gesellschaft fiel besonders der schneidige
Javane Karto auf, seines Zeichens Schreiber und Aufseher bei der Expedition „Junge
für Alles“.
Die ersten Tage auf Lombok brachten uns große Arbeit, da wir an dem heißen
Küstenplatze unser Gepäck für die verschiedenen Touren packen und verteilen mußten.
Den Rindjani-Vulkan wollten wir vom Norden her ersteigen, dann um seinen Ostabhang
herumgehen und die Sembälun-Hochebene besuchen. Von Ost-Lombok aus sollte weiter
die Insel nach Westen durchquert und ein Abstecher nach dem Süden gemacht werden. Eine
für 11 /2 Monate reichende Ausrüstung wurde mitgenommen, ein Teil für einen weiteren
Monat wurde im Ochsenkarren zur Ostküste nach Selong geschickt, während das Hauptdepot,
auch für die Expeditionen nach den anderen Inseln, in Ampenan auf West-Lombok blieb.
Än der Nordküste Lomboks.
In der Nacht vom 20. zum 21. April fuhren wir mit dem Regierungsdampfer „Nias“
nach L a b u a n -T ja r ik an der Nordküste Lomboks, wo sich ein Pasanggrahan, ein für gelegentlichen
Beamtenbesuch errichtetes Gebäude aus Holz und Bambus, und ein eingeborener
Zollbeamter als einzige Zeichen der holländischen Herrschaft befinden. Das Erscheinen
des Schiffes versetzte die Leute in große Aufregung, und mit erstaunlichem Eifer brachten
sie unsere Gepäckstücke zum Pasanggrahan.
Zum ersten Male wurden unsere Zelte, wenn auch nur zur Probe, aufgestellt. Das
große Feldbett paßte tadellos an die Hinterwand des Wohnzeltes, doch brach es unter mir
ein und ließ mich, zusammenklappend, zum Gaudium der neugierigen Dorfbewohner, die
in stummem Staunen die schnelle Entstehung des Hauses und seiner Einrichtung verfolgt
hatten, wie in einem Sacke verschwinden. Da der Schaden hier nicht repariert werden
konnte, mußte eine harte Rohrmatte für fast zwei Monate die Schlafstelle verbessern.
Vor allem aber übte unser Küchenzelt eine besondere Anziehung auf die Eingeborenen
aus. Unser Koch Diepo tat beim Anblick des vielen Aluminiumgeschirrs die bedeutsame
Äußerung, daß das viele „Silber“ doch leicht gestohlen werden könnte.
Mit dem Verschwinden des Regierungsdampfers hörte die Bereitwilligkeit der Eingeborenen
auf; sie weigerten sich jetzt sogar, uns gegen gute Bezahlung Eßwaren zu liefern,
sodaß wir gezwungen waren, zur Konservenbüchse zu greifen.
Gleich nach unserer Ankunft in Labuan-Tjarik drückte ich Jedem von uns ein Gewehr
in die Hand, denn wir brannten vor Jagdlust. „Herr“ Abdurrachman tat den ersten Schuß,
richtete dabei aber sein Gewehr so senkrecht in einen Riesenbaum empor, daß er durch
den Rückstoß einen Purzelbaum schlug. Während er sich bemühte aufzustehen, waren drei
angeschossene fliegende Hunde auf ihn gefallen, die sich festkrallten; und wütend um sich
bissen. Meine Frau hat an diesem Tage viel Pulver verknallt, aber nichts getroffen. Die
spätere Untersuchung der Flinte zeigte, daß das Korn sich auf dem Transport verschoben
hatte. Mir passierte außerdem beim ersten Schuß das Unglück, daß der Kolben zerbrach.
Trotzdem bestand unsere stolze Jagdbeute in sechs fliegenden Hunden (Pteropus lombocensis
Dobs.). Die Bälge dieses in Museen seltenen Tieres befinden sich heute im Frankfurter
Senckenbergischen Museum, während ihre Leiber in Gestalt einer Hundefrikandelle auf unseren
ersten Mittagstisch kamen. Sie schmeckte zwar ganz leidlich, doch hatte unser Koch nur
mit Kraftanstrengung das zähe Fleisch durch die Hackmaschine bekommen können.
Die fliegenden Hunde übertreffen an Zählebigkeit wie an Zähigkeit meist noch die Papageien
und Nashornvögel.
Ein Gang durchs D o rf zeigte uns, daß wir es hier in Labuan-Tjarik mit einem
eingewanderten buginesischen Fischervolk zu tun haben, das sich mit den Eingeborenen
des Landes, den S a s a k e rn (täu säsäk, auch taö und töa)*) vermischt hat. Die Häuser sind
echt buginesische Pfahlbauten, wie sie sich in ihrer Heimat Celebes finden, doch ist der
Unterbau durch eine Umzäunung in einen Ziegenstall umgewandelt. Im Hause sind kleine
Fenster angebracht, die man sonst nur bei entwickelteren Malayenstämmen sieht.
In dem Vorraum des Häuptlingshauses entdeckten wir das Bild des Deutschen
Kaisers und Kronprinzen neben der Holländischen Königin Wilhelmina. Der Häuptling
erklärte uns, daß der große Kaiser ein Bruder ihrer Königin sei.
Während unseres viertägigen Aufenthaltes wurden eine Reihe Tiere und Pflanzen der
Gegend gesammelt. Häufig ist hier die fliegende Eidechse (Draco volans L), die auf
Lombok bis jetzt noch nicht nachgewiesen war und zur indischen Fauna gehört. Dasselbe
gilt für zwei hier gefundene Schlangen, Coluber-Arten, und einen Frosch (Rhacophorus
leucomystax, Gravh.).
Die lehmige, sanftansteigende Ebene ist mit Reisfeldern bedeckt* die Sand- und
Kieshügel, welche zwei Terrassen bilden, — die eine in 20—25, die andere in 35 m Meereshöhe
—, mit Baumwolle und Ricinussträuchern.
Äm Fuße des Rindjani.
Am 24. April begann der Rindjani-Aufstieg. In der Morgenfrühe stand alles bereit
zum Abmarsch nach B a ja n , doch die bestellten Träger fehlten. Die Leute der Nachbardörfer
waren ohne Traghölzer erschienen und aus Angst, sich nun solche hier kaufen zu
müssen, wieder fortgelaufen. Das buginesische Dorfhaupt Ali Mudin, der einen besonderen
Befehlbrief vom Kontrolleur bekommen hatte, uns zu helfen, rührte sich nicht. Der eingeborene
Zollbeamte, dem ich eine gute Belohnung für das Leihen seines Sattels versprach,
erwiderte kalt, daß er diesen selbst nötig hätte. So blieb uns denn nichts anderes übrig, als die
Leute eigenhändig unter Versprechungen zusammenzulesen.
Nach fünfstündiger Arbeit hatten wir es endlich so weit gebracht, daß die Tragstäbe
an den Gepäckstücken befestigt waren.
Unser Weg ging das Tal des Muntor-Flusses aufwärts über die Flußterrassen. Allmählich
wurde dasselbe immer tiefer, und die Steilwände aus vulkanischen Blockbreccien
und Bimssteintuffen erhoben sich über 40 m hoch. Durch die kanonartigen Schluchten
*) Die häufig gefundene Schreibweise „Sassaker“ mit „ss“ ist unrichtig, trotzdem beide „a“ kurz
sind, denn in sasakschen Texten findet sich nur ein „s“.