Als ich jedoch den Aufbruch befahl, weigerten sich die Träger ihre Lasten aufzunehmen,
indem siegeltend machten, beim Absteigen sich selbst halten zu müssen. Da alle Versprechungen
nichts helfen wollten, nahmen Gründier und ich einen Sack Reis auf die Schultern, und
vorangehend erklärte ich den Leuten, für sie die Lebensmittel hinuntertragen zu wollen.
Wir waren noch nicht lange auf dem anfangs ganz guten Wege fortgegangen, als hinter
uns sämtliche Träger, sogar schwer beladen, auftauchten. Zwei davon bemühten sich, .uns
einzuholen und uns die Last beschämt abzunehmen, was wir denn schließlich nach vielen Bitten,
scheinbar widerwillig, taten. Während Gründier nach Plawangän zurückkehrte, wurde unser Weg
sehr bald steil und schwierig, sodaß die Gepäckstücke nur vorsichtig von Fels zu Fels hinuntergeschoben
werden konnten. Alle Augenblicke gerieten die Leute mit den großen Zeltteilen
in Bedrängnis und riefen um Hilfe. So hatte ich bald hier, bald dort einzugreifen, die
Träger mit Scherzworten in gebrochenem Sasaksch ermunternd, worauf sie mir lachend
in ebenso gebrochenem Malayisch: „bagus susahK, d. i. „herrliche Mühe 1“ antworteten.
Häufig mußten sie ihre Gepäckstücke niederlegen, um gemeinsam den großen Zeltsack
über eine steile Felswand hinwegzubringen. Der Abstieg zum Segare-Anak mit Gepäck
wäre wohl nicht möglich gewesen, wenn nicht meine Sasaker mit katzenartiger Sicherheit
an den Wänden hätten herumkriechen können. Abhänge von 58° waren keine Seltenheit,
und manche Steilwände mußten passiert werden, die nur durch kleine Vo'rsprünge
dem Fuß einen Halt boten. Einige Wände konnten nur im Zickzack umgangen werden.
Als ich einmal meinen Fuß vertrauensvoll auf ein Felsstück setzte, rutschte ich mit ihm
aus, und nur einige Grasbüschel retteten mich.
Bei alledem lag dichter Nebel im Felsenkessel, der uns gleichsam in eine unendliche
Tiefe hinabschauen ließ, sodaß in uns das Gefühl aufstieg, als klebten wir an der kleinen
Felsenwand, die wir überschauten und die kein Ende nehmen wollte. Dieses unangenehme
Gefühl aber wurde erhöht durch die Nässe, die uns völlig durchdrang, sodaß sich der Abstieg
gefährlicher gestaltete, als er bei schönem Wetter in Wirklichkeit vielleicht ist.
Ungefähr in halber Höhe wurde der Abhang flacher (37°), doch mußten wir
eine Reihe Schluchten umgehen, die in den steilwandigen Talkessel ausliefen. Je tiefer wir
kamen, desto häufiger, aber auch desto flacher wurden sie und gaben Quellen ihren Ursprung.
So gings auf und ab, bis schließlich langsam mit ca. 18° abfallende Hügel einsetzten,
doch der See kam nicht, trotzdem mein Aneroid ihn schon lange anzeigte.
Da, plötzlich und unerwartet, stehen wir an seinem Ufer, nach 31/;; Stunden Kletterns,
doch nur ein Eckchen war zu sehen. — — Zugleich zerreißt ein Windstoß über uns die Nebelhaube,
die Sonne glitzert auf dem Wasser, langsam hebt sich der Schleier, einem Theater-
vorhange gleich, und vor unseren Augen entrollt sich ein Bild von bezaubernder Schönheit.
(Taf. I und IV.)
Aus dem ovalen, dunkeln See erheben sich die hell von der Sonne beleuchteten
Steilwände, strahlend in Gelb, Rot, Grün und Grau. Mitten im See ist ein braunroter
Kegel aufgetürmt, der rauchende B a r u -V u lk a n , umgürtet von einem Kranze dunkelgrüner
Tjemara-Tannen. Blendend weiße Felsen, Palästen gleich, umgeben seinen Fuß. Wo aber
der Ringwall seine größte Höhe erreicht, streben aus mächtigen Felsenterrassen die gewaltigen
Mauerwände des Rindjani empor. Wie drohende.Türme ragen seine Zinken und
Grate in die Wolken, die in wuchtigen Massen die Stätte der Götter umlagern. Zwischen
Baru und Rindjani zieht eine von Tannen besetzte Allee zur Felsenburg des Batara.
Auf der anderen Seite des Riesenkessels erhebt sich an der großen Kluft des
Putih-Tales der riesige Steinpfeiler des S a n g k a r e ä n g , und zu seinen Füßen fließt
der Putih-Fluß durch ein frühlingsgrünes Tal und stürzt sich von Terrasse zu Terrasse hinab
in eine gähnende Schlucht. Wie in einem Parke wechseln Baumgruppen mit blumengeschmückten
Wiesen, groteske Felspartien wie Altane mit algenerfüllten Weihern. Leichte
Dämpfe steigen daraus empor, Schwalben schwirren nach Libellen haschend einher, und
Vogelgezwitscher erfüllt den Garten der Götter. (Taf. V, Fig. 1.)
Noch stehen wir in Bewunderung versunken, als dichte Wolken wie zyklopische
Mauern sich durch die weite Talöffnung schieben und nach und nach den ganzen Kessel
mit schwerer Masse erfüllen.
Am Ufer dès Sees im Casuarinenhain (Taf. V, Fig. 2) erstand bald unser Zelt. Unsere
Träger aber hatten kaum ihre Lasten
abgeworfen, als sie zu den heiligen
Quellen eilten. Nachdem sie auf den
umherliegenden Felsstücken kleine Schälchen
aus Bananenblatt mit Sirih, Pinang
und Geldstückchen alsOpfergaben niedergelegt
hatten, gingen sie langsam in das
brodelnde, heiße Wasser. (Fig. 6.) Kurz
vor Sonnenuntergang begaben auch wir
uns zu den heiligen Quellen, wo ringsum
alles mit weißen Zeuglappen behängt
war.
Als wir uns im Zelte häuslich eingerichtet
hatten, erschien der Klian von
Sembälun, der von Lalu Adam zu
unserer besonderen Hilfe hergeschickt
war, mit einem großen Hirschschlegel.
Nachdem auch unsere Träger sich
an dieser Jagdbeute gütlich getan hatten,
legte sich der größere Teil von ihnen unter
freiem HimmeLsjän den heißen Quellen
zum Schlaf nieder, während die anderen
die errichteten Hütten benutzten. Überall
brannten wärmende Lagerfeuer.
Schon früh treibt ¡uns die Nachtkühle
(12 bis 13° C.), das leichte Zelt durchdringend,
aus dem Bett. In vollem Glanze I I 0 , , I ■ I . „ BBaaBB F ig . 6. S a s a k e r o p f e r n d em B a ta r a a n d e n h e i lig e n h e iß e n Q u e l le n u n d
l ä C h t die Sonne zum Segare-Anak-Kessel b a d e n d a r in , um G e s u n d h e i t f ü r L e ib u n d S e e le z u e r la n g e n ,
hinein, und mit Muße können wir die
malerische Landschaft betrachten. Noch erheben sich aus dem dunklen Wasserspiegel leichte
Nebelballen, und der Baru-Vulkan bläst vier schlanke Rauchsäulen in die klare Morgenluft.
Entenpärchen fliegen über den See, und nur das Rauschen des Wasserfalles unterbricht
die weihevolle Stille. Mit Tjemara-Tannen bewachsene Landzungen greifen in den ovalen
See, und Baum-und Buschgruppen klammern sich an die senkrechten Felswände. (Taf. V.)
Mächtige Blockmassen mit schwellenden Moospolstern türmen sich vor den Steilwänden
auf; liebliche Blumen schmücken die leuchtenden Wiesen, und blaue Lobelienrasen umsäumen
die Ufer des Putih-Flusses, in dem meterlange Schwimmpflanzen ihre braunen