Fruchtköpfchen aus dem Wasser strecken. Auf sanfteren Abhängen prangen wiederum riesige
Tjemara-Tannen in undurchdringlichen Nesseldickichten. Weite Gras- und Algenwiesen heben
sich hellgrün von den schwarzen Fluten des Sees ab, über die der Bück hinweg eilt zur
geheiligten Stätte des großen Sasaker-Gottes.
Schon das Fernglas enträtselt uns das tiefe Geheimnis: Ein altes Trockental zwischen
Steilwand und Baru-Kegel ist die Allee, ein gestauter Lavastrom im Tale hat die Felsenburg
gebaut und eine Tjemara-Gruppe das Eingangstor gebildet.
Es wundert uns nicht, daß der imposante Rindjani, der sich hier in einer mehr als
1700 m hohen Wand über dem See erhebt, auf das Gemüt der kindlichen Sasaker einen
so gewaltigen Eindruck gemacht hat, daß sie nur mit heiliger Scheu das Gebiet des
Segare-Anak betreten.
Dieser Umstand erschwerte uns die Untersuchung besonders. Keinen B^um wollten
die Sasaker fällen, um uns einen Weg durch das Buschgewirr am Rande des Sees zu
bahnen. Ein Hirsch, dessen Fährte sie folgten, nahm seine Zuflucht zu letzterem, und die
Jäger wagten hier nicht, ihm den Speer in die Seite zu stoßen.
Als ich den Leuten meine Absicht verkündete, über den See zu fahren, gerieten
sie in großes Entsetzen. Sie sagten mir, daß jeder, der sich auf das Wasser wage, dem
sicheren Tode verfallen sei. Schon befürchteten wir, hier keine Fische mit Dynamit schießen
zu dürfen, und so befragte ich unseren Pamanku. Dieser erwiderte mit pfiffigem Gesicht:
„Wohl dürft Ihr schießen, so viel Ihr wollt, doch Ihr werdet keine bekommen 1“ Ich, im
Glauben, der Einwirkung des Gottes Batara sei dieser prophetische Ausspruch zuzuschreiben,
fragte nach dem Grunde. „Nun, es gibt keine Fische im See,“ sagte der Gottesmann
ruhig.*)
Durch mein Fragen angeregt, erzählt er mir sodann, unterstützt durch die ihn
umringenden Alten, die G e s c h i c h t e d e s R i n d j a n i :
„Vor Jahren, als die Balier Lombok mit Krieg überzogen, war der Rindjani ein
hoher Kegelberg. Als bei dieser Gelegenheit auch die Berge gegeneinander kämpften, hat
der spitzköpfige Agung-Vulkan von Bali den Rindjani auf den Kopf geschlagen, wodurch
das große Loch, der Segare-Anak, entstand. Unsere Vorfahren betrachteten das als eine
böse Vorbedeutung für den Ausgang des Kampfes.“
„Eines Tages,“ so fährt unser weißhäuptiger Alter fort, „gebar der Rindjani den
Baru-Vulkan, indem er barst. Später war die Mutter böse über das schnelle Wachstum
ihres Kindes und wollte nicht, daß es größer sei als sie selbst. Da, vor einigen Jahren
erst, hat die Mutter ihr Kind auf den Kopf geschlagen. Dabei ist die Spitze des Baru abgebrochen,
und feurige Massen mit Steinen fielen in den See. Seine Wasser begannen
mächtig zu kochen, durchbrachen die große Wand und stürzten sich in die Täler. So entstand
der tiefe Einschnitt des Putih-Flusses. Doch durch die große Hitze sind alle
Fische im See getötet.
Die alten Leute aber sagen, daß sie bei einem späteren Besuche nicht bis an den
Segare haben kommen können, da er noch mächtig gedampft hätte, die Steilwände noch
heiß, Pflanzen aber nicht mehr dagewesen wären.“
Die Nachricht von der Fischlosigkeit des Sees stimmte uns sehr traurig. Tatsächlich
haben wir auch keinen einzigen Fisch aus dem See mitbringen können.
*) S. M. van Schaik nennt den See fischreich. Ich habe dort weder Fische fangen, noch sehen
können. D. Verf.
Trotz der düsteren Prophezeihung der Sasaker gingen wir noch am selben Tage
daran ein Floß zu bauen, nicht nur, um an die verschiedenen Punkte des Kraterkessels
zu gelangen, sondern vor allem, um Plankton und andere Wassertiere zu käschern. In der
ganzen Umgebung gibt es nur Casuarinenbäume. Wir wählten uns einige schlanke, trockene,
tote Stämme aus und zerlegten sie in fünf Meter lange Enden. Mehr als 150 Hände trugen
die Baumriesen zum Wasser, wo wir zu unserem Schrecken gewahrten, daß dieses fast
eisenharte Holz infolge seines hohen spezifischen Gewichtes vor unseren Augen in der
Tiefe versank. Nun war guter Rat teuer. So entschloß ich mich, aus den wenigen mit-
gebrachten Bambustragstöcken ein Floß zu bauen. Schweren Herzens wandelten wir die
Zinkeinsätze unserer Kisten in Schwimmkästen um. Ein ganzer Tag verging mit dem Verlöten.
Bis zum späten Abend hatten wir gearbeitet, und bald nach 6 Uhr lag schwarze Nacht
im tiefen Kraterkessel. Gegen 8 Uhr erblicken wir über uns am Himmel einen sanften Lichtschimmer
im scharfen Kontraste zu dem düsteren See und seinen Wänden, die gleich dunkeln
Vorhängen vom Himmel n ie d e rg e h e n ^H— Der Mond geht auf —; um halb 9 Uhr fällt sein
erster Lichtstrahl durch die Schlucht des Putih-Tales. Wie ein gelbgrüner Smaragdfels leuchtet:
der Sangkareäng; matter Glanz erhellt den westlichen Teil des Sees. Langsam wälzt sich eine
Silberwoge über die Wasserfläche, und uns übergießend eilt sie zum Baru.
Bald überflutet Lichtfülle den ganzen Kraterkessel, nur der Rindjani verbirgt in geheimnisvoller
Finsternis die Stätte Bataras. Die Tiefe und Klarheit der Mondlandschaft mit
ihren rabenschwarzen Schatten ist so großartig und künstlerisch schön, daß wir uns kaum
von dem Anblicke trennen können.
Nach»iU/s tägiger Arbeit war das Floß fertig gestellt. Sechs Kisten mit Zinkeinsätzen,
und zwar drei rechts und drei links, wurden durch Bambusstangen oberhalb und unterhalb
miteinander verbunden, sodaß ein Viereck von ungefähr drei Meter Länge entstand. Während
der mittlere Teil des Vierecks frei blieb, um Raum zum Fischen und Loten zu geben, befand
sich rings herum das eigentliche Floß. Leider trug dasselbe nur zwei Personen, wobei
Instrumente und Geräte auf einem Kasten erhöht liegen mußten. Während des Floßbaues
erschien Gründier, der auf Plawangän beinahe verdurstet war^ da sein Signalisierapparat
von uns nicht gesehen und seine Schüsse nicht gehört wurden, während er dagegen die
unsrigen vernommen hatte.
Um das Floß zu probieren, fischten wir in der Nähe des Ufers und sammelten
Wasserpflanzen und Tiere. Die Beute wurde von meiner Frau in Empfang genommen
und präpariert. An den Sonnentagen haschte sie die wenigen hier vorkommenden Schmetterlinge,
meist Bläulinge und Kleinschmetterlinge, Libellen und Mücken, und sammelte an den
seichten Stellen des Ufers eine Reihe Schnecken von den Algenwiesen. Auch wurde von ihr
eine auf Schnecken schmarotzende, schwarze, platte, bandartige Planarie mit pfeilförmigem
Kopf gefunden.*)
Unser Muhari suchte aus vermoderten Baumstümpfen Käfer, Würmer und sonstiges
Kleingetier, während Siun auf den felsigen Abhängen herumkletterte und Moose einheimste.
Ganz im Gegensatz zu dem äußeren Mantel des Rindjani findet man hier ein verhältnismäßig
reiches Vogelleben, doch sind es immer nur dieselben Arten (s. S. 30).
Unser „Herr“ Abdurrachman, sonst ein tüchtiger Jäger, verknallte eine Unmenge
Patronen, brachte aber nichts heim. Abgesehen davon, daß unsere Patronen nicht mehr
ganz trocken waren, erging es uns allen beim Schießen ebenso trotz vorsichtigen Zielens.
*) Planarien sind Würmer, welche gern in die kalten Regionen des Gebirges hinaufsteigen und in
den Alpen selbst die Gletscherbäche bevölkern.