Der neutrale Küstengürtel war nun passiert und Liäno, ungefähr 125 m ü. M. am
Fuße des Tadoha-Gebirges erreicht. Wir waren gespannt auf die bevorstehenden Ereignisse
und auf das Verhalten der Bewohner des Innern. Unser Dolmetscher, ein Bugis von
Kabaena, der durch seine Handelsbeziehungen; die Rumbia-Leute kannte, lief fast die ganze
Nacht unruhig vor unserem Zelt hin und her. Alle fürchteten, die Bergmenschen würden
jeden Augenblick erscheinen. Doch diese Nacht verging ruhig wie jede andere.
In Liäno sah ich die ersten Proben von der Geschicklichkeit der Maronene im
L a n z e n w e r f e n (mateäko pando). Ich setzte einen Preis von 5 Cent aus, und Gründler
zog im Übermut seine Jacke aus, hängte sie als Zielscheibe in 35 m Entfernung an einen
Baum, in der Annahme, daß man auf diese
Distanz nicht werfen, noch viel weniger treffen
könne. Aber schon beim ersten Male war
sie von mehreren Lanzen an den Stamm
festgenagelt. Ich bin in der Lage, zwei schöne
Momentbilder von einem Lanzenwerfer bringen
zu können, beim Ausholen zum Wurf (Fig. 120)
und unmittelbar nach demselben (Fig. 121).
Die vibrierende Lanze schwebt hier in der
Luft, und der Mann dreht sich infolge des gewaltigen
Schwunges nach dem Wurfe um
seine eigene Achse.
Dem Maronene liefert die J a g d auf
Büffel und Hirsche die Hauptbestandteile
seiner Handelswaren: Häute, Hörner und
Geweihe, auch Fleisch in getrocknetem Zustande.
Eingetauscht werden vor allem Zeugstoffe,
Töpfe, Glasperlen und anderer Schmuck.
Auch jagt man mit Hunden die hier zahlreichen
Hirsche und erlegt sie mit der Lanze
oder treibt sie gegen Zäune (ampa) aus
schräggestellten, zugespitzten Bambuspfählen,
an denen sie sich aufspießen. Oft werden
n g . 121. U n m i t t e lb a r . » c h d em W m f. s>e auch durch dünne, nahe dem Erdboden
gespannte Seile zu Fall gebracht und ge-
speert, während man die' Schweine (bäwi) anschleicht und mit der Lanze abfängt.
Neben der Jagd beschäftigen sich die Maronene noch mit A c k e r b a u . Ihre Felder,
bezw. Gärten befinden sich in der unmittelbaren Umgebung der Wohnhäuser, die deshalb
sehr zerstreut liegen, und werden außer mit eingeführten eisernen Gerätschaften noch mit
Hacken (tankäo) aus dem Schulterblatt eines Büffels (Fig. 122), besonders im Innern des
Landes, bearbeitet. Außer ihren Waffen benutzen sie als Universal-Werkzeug Haumesser (pada),
größere zum Fällen der Bäume und zum Hausbau, kleinere (djosinsi) zum Gebrauch in
der Küche und zum Schneiden (ladi) der Pinangnüsse; auch Reismesser (ponkotuano pai)
sind im Gebrauch.
Die Hauptnahrung besteht neben Knollenfrüchten aus Sago (tabaröno), dem ausgeschlemmten
Stärkemehl des zerstampften (inanta) Markes (iotonka) der Lanu-Fächerpalme
(Corypha Gebanga und C. silvestris BL), die in ungeheurer Menge auf den Ebenen wächst,
während die ein viel besseres Produkt liefernde echte Sagopalme nur in dem Küstengebiete
gedeiht. Die Bananen (punti) kommen hier nur in ziemlich schlechten, herb schmeckenden
Arten vor, die aber gekocht und gebraten (punti hinöle), vor allen Dingen in Streifen geschnitten
und an der Sonne getrocknet, wodurch sich Zucker bildet, eine nicht üble feigenartige
Konserve (punti pinuä'i) liefern, die man auf den längeren Streifzügen durch die
Wälder (bolo) mit sich führt. Dort sammeln die Maronene nämlich Honig (roäni), Wachs (taru),
Dammarharz (hülo), Rohr (üwe), Farbhölzer und Orchideenstengel (surümi) für Flechtwerke.
Alle Waren, vor allem Büffelfelle, Gebangfasern, Dammar und Wachs werden zur Küste
gebracht, wo von Zeit zu Zeit, wie auf Muna, Markt stattfindet, Tadöha genannt, welchen
Namen auch der früher genannte Bergrücken zwischen Süd-Rumbia und der Landschaft
Lankäpa trägt. Bemerkt sei noch, daß man an Stelle der Blätter des echten Betelpfeffers,
der hier nicht häufig ist, zum Kauen die Früchte (bua biti) einer ändern hier vorkommenden
Art oder Abart benutzt.
Von Liäno ab marschierten wir zunächst durch mit Riedgras (Sacchamm spontaneum L.)
bewachsene Sümpfe, welche die Gegend wegen der vielen Malaria-Mücken (wontu) ungesund
machen. Als wir tags darauf unseren
Weg fortsetzen wollten, zeigten die Träger,
meist Leute aus Liäno, große Angst vor den
Bewohnern jenseits der Berge, den „Bergmenschen“,
Miano tonga-wonüa (tonga, halb,
wonua Dorf), welche die Köpfe für ihre Opferfeste
hier zu holen pflegen. Erst als wir ihnen
unseren Schutz zusicherten, zogen sie im Vertrauen
auf die Gewehre mit uns. Nach 71/s Stunden
war der ebenfalls in ONO—WSW-Richtung
ziehende, etwa 700 m hohe Tadöha überstiegen.
Er fällt nach beiden Seiten in Stufen ab, und ¡1 . 0 u i if . . . . . . F ig . 122. E in e M a r o n e n e -H a c k e a u s d em S c h u l t e r b l a t t zwar auf der Süd-Seite in sieben: die erste bei e in e s B ü ffe ls .
Liäno um 125 m, die zweite um 215 m, die
dritte um 320 m, die vierte um 425 m, die fünfte um 490 m, die sechste um 560 m
und die siebente um 645 m. Diese Terrassen werden auf beiden Abhängen durch Täler zerlegt,
die jedoch nicht bis in den Hauptrücken hineinsetzen, sondern nur bis zu seinem Vor-
hügel, dem Pamentöro, reichen.
Das ganze Gebiet um Liäno setzt sich geologisch aus graphitreichen Biotitschiefern
und oberhalb dieses Ortes von etwa 320 m an in Pamentöro und Tadöha aus harten
Glaukophanschiefern zusammen/ die nach der mikroskopischen Untersuchung durch Herrn
Prof. Dr. H. Bücking Zoisit, Epidot und andere in kristallinen Schiefern vorkommende Mineralien
enthalten. Sie fallen im allgemeinen auf der Höhe mit 40—45° nach Süd ein und streichen
O 10—20° N etwa in der Richtung des Gebirgszuges, sodaß das Liegende vor allem auf der
Nord-Seite des Berges zum Vorschein kommt. Vom Kamm aus genießt man eine prächtige
Aussicht: Zu unseren Füßen breitet sich im Süden die Liäno-Ebene aus und die beiden
Küstenketten Tank^no, Tamba und Duälo, im Osten die Tiworo-Straße, die tief ins Land
hineingreift, dann im Norden die Lankäpa-Ebene und der lange Rücken des Tank^no-
tank^no ( = die Berge), sowie in der Ferne das Grenzgebirge mit der Mendbke-Spitze.
Mit dem Aufstieg auf den Tadöha und den Tank£no-tank£no verschwinden etwa
in 400 m ü. M. die Stachelbambus-Gebüsche, und ein niedriger, in der Ebene nicht häufiger