Als Untertanen des Sultans von Buton hatten die Bewohner Munas sowohl Steuern an
diesen, als an ihren eigenen Großkönig zu zahlen, der sogar butonesischer Abstammung
sein mußte. War der Geldbeutel des Sultans leer, dann schickte er seine Beamten aus,
und der Herrscherstab mit dem Silberknaufe wirkte Wunder; es fiel nebenbei auch noch
immer ein gutes Scherflein für den Bevollmächtigten ab. Dieser diktierte nämlich Strafen
aller Art, im Namen des Sultans, und der Erlös floß in seine Tasche. Oft war er
kaum abgezogen, als schon wieder ein neuer Abgesandter erschien, z. B. vom Großkönig,
Kapita-lau, von einem Bobatu oder Bonto und wie die Gewaltigen des Landes alle heißen,
die von ihren Rechten den rücksichtslosesten Gebrauch machten. Derart war der Zustand
des Landes, als die holländische Besatzungstruppe ihren Einzug hielt. Heute, etwa dreiviertel
Jahr nach der endgültigen Besetzung, bestehen schon weit bessere Verhältnisse. Die
Macht des butonesischen Schattenkönigs ist gebrochen, obschon die Landesfürsten noch eine
ziemliche Gewalt über die Bewohner ausüben. Der Munanese begreift im Augenblick noch
nicht, daß die europäische Herrschaft ihm nur Segen, Ruhe und Vorteil bringt, und nur mit
Widerstreben zahlt er seine zwei Gulden Steuer pro Kopf. Manches Jahr wird noch vergehen,
ehe das ausgesogene Muna sich unter der Regierung der Holländer wieder erholt.
Es liegt allerdings in der Natur des Landes, daß weder Ackerbau noch Viehzucht jemals
zu etrter besonderen Blüte gelangen können, aber vielleicht bringt eine systematische Anforstung
und Abholzung von Djatti-Bäumen, die den Kalkboden lieben und die Trockenheit
nicht scheuen, einen Aufschwung. Sprechen doch die alten Berichte von großen Wäldern
auf Muna. Im Reiche Tiworo, das mit Graswildnissen bedeckt ist, könnte sich unter
Umständen die Viehzucht lohnen; denn es sollen dort die Büffel zahlreich sein und gut
gedeihen. Da auch der Kapok-Baum und die Baumwolle an vielen Punkten ein ganz
gutes Fortkommen findet, sollte die Regierung deren Anbau fördern und gleichzeitig die
Weberei, die einzige Kunst des Landes, unterstützen.
Zur Zeit meines Besuches herrschte noch kein Friede. Die auf meinen Streifzügen
angetroffenen Menschen eilten wie scheue Rehe davon, alles im Stiche lassend. Nur in der
Umgegend von Raha war bereits Ruhe unter das gehetzte Wild butonesischer Habgier gekommen.
Im Innern traf ich fast überall nur leere Häuser und einzeln mußte ich die Leute
aus ihren Verstecken hervorziehen. Auch von Gründlers Rekognoszierungszug durch das
Reich Tiworo ist nichts Neues zu erwähnen, da er kaum Hütten und Menschen traf. Nur
eine kleine Episode möge erzählt werden, die zeigt, daß selbst für den Eingeborenen das
Reisen nicht ganz ungefährlich ist. Begleitet von einer Abteilung Soldaten und einem Unteroffizier
stieß Gründler auf einige Muna-Leute, die außer ihren Speeren zum Schutze gegen
die wilden Schweine auch eine Feuerwaffe trugen. Da sie auf Anruf fortliefen, wurde Gewehrfeuer
eröffnet, doch blieb die Verfolgung resultatlos. Zwei Tage später wurden 2 Männer
mit Lanzen*) festgenommen und nach Raha gebracht, wo sich heraüsstellte, daß es meine
eigenen Boten waren, die ich zum Fürsten nach Tiworo geschickt hatte, meine Kiste mit
Fischen abzuholen. Aus Angst vor den Soldaten hatten die beiden nicht gewagt, ihren Geleitbrief
vom Stationschef dem Unteroffizier vorzuzeigen. Der Kriegszustand auf der Insel
und die Angst der Bevölkerung brachte es denn auch mit sich, daß ich verhältnismäßig
wenig Neues und Interessantes über die Gebräuche der Munanesen erfahren konnte.
Nach dem Gesagten erscheint es natürlich, daß Mißtrauen ein hervortretender Zug im
Charakter dieser Menschen ist, sowohl jedem Butonesen, als auch ihren eigenen Landsleuten
*) Neuerdings ist das Tragen derselben von holländischen Beamten verboten worden.
gegenüber. Nähert man sich ihnen plötzlich, so greifen die Männer aus Angst zum Dolch.
Ohne Waffe verlassen sie niemals das Haus, und auf ihren Wanderungen ist die Lanze ihr
steter Begleiter. Im übrigen scheinen sie jedoch gutmütig und willig zu sein ohne jenen
Hang zu Betrug und Diebstahl, wie er für die Butonesen charakteristisch ist. Nach meiner
Ansicht kann sich der Europäer ohne besondere Gefahr unter ihnen bewegen, solange sie
keinen Palmwein getrunken haben. Der Munanese ist nämlich ein sehr starker Trinker
und Opiumraucher, der sein Letztes für den Genuß hergibt, und bei solchen Menschen ist
man, wie überall, vor Übergriffen niemals sicher. Als leidenschaftlicher Liebhaber vom
Hazardspiel verliert er nicht selten Haus und Familie; ebenso verfolgt er mit sonst bei
Eingeborenen selten gesehener Erregung den Gang der Hahnenkämpfe, auf deren günstigen
Ausgang geweitet wird, eine Sitte, die auf Celebes ebenso verbreitet ist wie auf Bali.
Die geschilderten sozialen Zustände haben, wie gesagt, eine beträchtliche Entvölkerung
des Landes hervorgerufen. Die Statistik entrollt denn auch ein trauriges Bild von
der Einwohnerschaft Munas. Leider ist die Volkszählung noch unvollständig, da sie von
den Militärpatrouillen, nicht aber von den Landeshäuptern selbst herrührt, und es hat deshalb
wertig Sinn, jetzt schon Dichtigkeitsberechnungen vorzunehmen. Sie ergab im Jahre 1908
für die ganze Insel etwa 46,500 Menschen, und zwar 44,3°/o Männer, 24,4°/'o Frauen und
31,3°/o Kinder. Im Jahre 1909 ist eine genaue Aufnahme vom mittleren Teile des Landes,
dem Königreiche Muna, vorgenommen worden und von 14475 Seelen waren 36,7°/o Männer,
27,2S|b Frauen und 35,35;o. Kinder. Die Zahlen offenbaren einen großen Mangel an Frauen.
Dieser dürfte hauptsächlich seine Ursache irr der größeren Sterblichkeit der Weiber haben,
eine Folge der angestrengten Arbeit, die selbst während der Zeit kurz vor und nach der
Geburt eines Kindes nicht nachläßt. Wie man mir oft versicherte, sollen viele Frauen im
Wochenbette sterben; bereits in jungen Jahren sehen sie mag e ru n d grau aus und sind hier,
weit mehr als auf Lombok, Arbeitstiere.
Bedingt allein schon die schlechte Körperkonstitution die Hervorbringung wenig
lebensfähiger Kinder, so zeigt auch die Statistik eine erschreckend niedrige Zahl von Nachkommen,
nämlich 35,3°/o, wobei nur 13 lebende Kinder auf 10 Familien entfallen. Daß tatsächlich
eine größere Kindersterblichkeit besteht, hat meine Rundfrage bei den Reichen und
Fürsten des Landes ergeben, nämlich auf 6 Kinder 2—4 Tote. Von den oben erwähnten
35,3°/o gehören nun 64,l°/o Familien an mit nur einem Kinde; 29,2°/o mit 2 bis 3, 5,7°/o mit
4 bis 5 und 0,6°/o mit 6 bis 8 Kindern. Man kann also sagen, daß mehr als ein Nachkomme
von einem Ehepaare bereits zu den Seltenheiten gehört. Die große Sterblichkeit
dürfte aber nicht die einzige Ursache des Mangels an Nachwuchs sein, denn die Frauen
scheinen auch Abortivmittel Zu benutzen, um ihre kümmerliche Lage durch viele Kinder
nicht noch zm vergrößern.
Überhaupt erreichen die Bewohner Munas kein hohes Alter, da eine Reihe ungünstiger
Verhältnisse Zusammenwirken: 1. Die schweren Lebensbedingungen und die
daraus entstehende Unterernährung, 2. die ungünstigen klimatischen Verhältnisse, nämlich
die große Trockenheit des Landes während des Ost-Monsuns und die Nässe während des West-
Monsuns, 3. im Innern der Insel die starke Ausdünstung des porösen Bodens und der
Mangel an sauerstoffreicher Luft, dann 4. an der Küste die übelriechenden Mangrovensümpfe
und die Scharen Malaria-erzeugender Mücken. Von den Männern sterben schon
58°/o zwischen 30—49 Jahren, 5°/o erreichen ein Alter von 50—55 und nur 0,4°/o ein solches
von 60—65 Jahren. Mit Fug und Recht kann man sonach die Munanesen ein aussterbendes
Volk nennen.