Fühlte man das Bedürfnis, sich umzudrehen, so mußte man erst hinauskriechen, dort die
Drehung vornehmen und sich dann wieder hineinziehen. Diese Enge wurde uns des Nachts
oft schmerzlich zum Bewußtsein gebracht, wenn wir uns den Kopf anstießen. Außerdem
stellte sich sehr bald heraus, daß unser Steindach nicht dicht hielt und unsere Schlafstätte
sich in eine Tropfsteinhöhle umwandelte. Ein Gutes hatte aber unsere Wohnung, sie war
warm, da die Lava noch nicht ganz erkaltet war.
In einer dicken Erbsensuppe hofften wir die Belohnung für unsere Anstrengungen
zu finden, doch wurde unsere Hoffnung getäuscht, denn ihr widerlicher Geschmack machte
den Genuß unmöglich. Als wir dann Tee kochten, merkten wir, daß unser Wasser vollständig
milchig geworden und der damit bereitete Tee ebenfalls nicht zu genießen war.
Daraufhin stellten wir alle möglichen hohlen Gegenstände unter den Tropfenfall unserer
Höhle, da der Regen draußen nachgelassen hatte und so erhielten wir besseres Wasser.
Der folgende Tag wurde mit der Vervollständigung unserer Kartierung, mit der
Untersuchung der einzelnen Lavaströme und dem Sammeln von Pflanzen zugebracht. Das
Wandern auf den Halden von losen Blöcken und das Überklettern von Schluchten erschwerte
die Arbeit. Den Abstieg zu dem schönen Trockental, das uns wie eine breite Allee erschienen
war, konnte ich wegen Terrainschwierigkeiten und Buschwildnissen nicht durchführen.
Schließlich stand ich an einer über 100 m allseits senkrecht abfallenden Wand des
im Trockental aufgestauten Lavastromes. Auf demselben hatte sich ein neues Trockental
gebildet, das 80—120 m über dem alten liegt.
In der Nähe der Fumarolen am Fuße des Baru, die unter Sausen aus 8/i m
breiten Erdspalten hervordringen, war ich gerade mit Steinklopfen beschäftigt, als, durch das
Geräusch aufgescheucht, ein Russa-Hirsch von einam Fels direkt über mich hinwegsprang.
Die Vegetation unterscheidet sich nicht viel von der in den anderen Teilen des Segare-
Gebietes. Auch hier sind es Casuarinenwälder und Buschwildnisse, die mit der Annäherung
an den Baru verkümmern und einem dürftigen Kraulpflanzenwuchse Platz machen. Um
den Fuß des Baru-Kegels, auf Agglomérat-Hügeln, ziehen sich niedrige Anaphalis-
Büsche, die zusammengelegte und teilweise eingerollte Blätter besitzen und durch einen
dichten Filz schopiartig verklebt Sind. Dort vorkommende Polypodium-Yarnz sind ebenfalls
eingerollt und haben auch einen leichten braunen Wollfilz. Das rosabliitige Katzenpfötchen
(Gnaphalium), das schon am Fuße des Rindjani vorkommt, gedeiht auch hier noch infolge
seines schützenden Pelzes.
Schon nachmittags begann es stark zu regnen, sodaß wir unsere Arbeiten abbrechen
mußten. Wie aus dem Wasser gezogen kamen wir vor unserer Höhle an. Länger
als eine Stunde hatten wir zum Anzünden des Feuers nötig. Als Gründler und ich uns
gegenseitig betrachteten, stellte es sich heraus, daß unsere Anzüge an allen hervorragenden
Körperstellen stark abgeschabt und aufgerissen waren. Das Oberleder unserer Schuhe hatte sich
an der Spitze und an den Seiten durchgestoßen, sodaß die in Fetzen vorhandene Sohle nur
noch so eben festhing. Gesicht und Hände waren stark zerkratzt und Gründlers Kreuzbein
schien stark verletzt zu sein. Noch nach Monaten hatte er. Schmerzen beim Sitzen.
Schon frühzeitig legten wir uns nieder, doch war es uns unmöglich, ein Auge zuzutun.
Der dicke Nebel schlug die Vulkandämpfe nieder, und wir hatten ein erstickendes
Gefühl. Bald wurde unser Kopf heiß, es entstand ein Stechen in der Stirnhöhle, ein
Prickeln in den Augenlidern, und unser Herz schlug schnell und hörbar. Eine lebhafte Unruhe
und Aufregung, begleitet von leichtem Zittern, bemächtigte sich unser, und erst als um
10 Uhr abends ein Gewitter eintrat, brachte uns ein frischer Südwestwind Erleichterung
und Schlaf.
Als wir des Nachts um 2 Uhr erwachten, ging der Mond auf, und bald verschwanden
Regen und Wind. So entschloß ich mich denn schnell zur Rückkehr auf unserem Floß.
Während der ungefähr vierstündigen Rückfahrt machte ich eine interessante meteorologische
Beobachtung, von der später eingehend berichtet wird.
Forschungen im Segare-Gebiet.
Bei unserer Fahrt über den S e g a r e -A n a k hatten wir Gelegenheit, an zahlreichen
Stellen, auch in den mittleren Teilen des Sees, zwischen Baru und Putih-Tal, heiße Gasblasen
aufsteigen zu sehen. Die durchschnittliche Temperatur des Sees ist 20° C.; sie beträgt des
Morgens früh meist nur 18°, des Abends bis 22°, Am Ausfluß des Sees, der Quelle des
Putih-Flusses, maß ich 24° C., eine Erhöhung, die durch die hier aufsteigenden heißen
Gasblasen verursacht wird. Etwas seitlich vor dem Absturz des Wassers in die Talschlucht
befinden sich einige heiße Quellen in einer Bodenvertiefung auf einer Terrasse
des Flusses (Tafel V, Fig. 1). Die Temperatur in diesen Quellen, die mit heißen
Gasen untermischt zutage treten, ist verschieden. In den östlichen Tümpeln 30°, in
den westlichen 42° C. und in den zwischen beiden liegenden 46° bis 48° C. In diesen
treten die stärksten Exhalationen von mit schwefeliger Säure beladenen Dämpfen auf, deren
Temperatur mehr als, 120° C. betragen dürfte. Leider konnte keine genaue Messung der
Höchsttemperatur vorgenommen werden, da unser Thermometer nicht für diese Wärmegrade
eingerichtet war.
Der B o d e n rings um die Quellen hat einen gelben Überzug von Eisenhydroxyd*)
und besteht im ganzen oberen Putih-Tal aus einer Kalksinterablagerung, die besonders an
den Wasserfällen eine größere Mächtigkeit erreicht. Der Kalkgehalt des Flusses ist so
groß, daß das Wasser eine weißliche Trübung besitzt. Diese setzt jedoch erst ein, nachdem
es durch die Wasserfälle abgekühlt ist.
Das W a s s e r des Segare-Anak besteht nach einer Analyse von Dr. Tillmans hauptsächlich
aus einer wässerigen Lösung von schwefligsaurer Magnesia (Bittersalz), Kochsalz,
Kaliumsulfat und kohlensaurem Kalk, während Kieselsäure nur in geringen Mengen
vorhanden ist, Borsäure und Salpetersäure aber fehlen.
Die V e g e ta tio n des Segare-Anak-Gebietes hat infolge der geschützten Lage einen
ihrer Meereshöhe nicht entsprechenden Charakter. Zwar findet man hier eine Reihe
■Pflanzen der kalten Gewächszone, doch sind die der kühlen hier die herrschenden, und
es kommen selbst solche aus den oberen Teilen der gemäßigten vor (Taf. I). Es ist
ein ganz eigenartiges Pflanzenbild: unter den die,,,-Gebirge bewohnenden Casuarinen-
Tannen buntblumige Krautpflanzen in großer Füllel ■ Am auffallendsten sind in der großen
Schlucht des Putih-Tales die saftigen Wiesen mit roten und weißen Erdorchideen, mit weißen
und gelblichen Labkräutern, bläulichen Kreuzblumen, mit himmelblauen Vergißmeinnicht und
mit dunkelazurblauen Lobelien-Teppichen, mit verschiedenen Enzianarten, mit Herden des
zierlichen Sonnentaues. Weit leuchten die großen gelben Blüten der Theysmannschen
*) Von van Schaik als Schwefel angesehen, der nach den ausgelührten Analysen abe r nur in geringen
Spuren v orhanden ist.