F ig . 71. E in s a s a k s c h e r L ie b e s b r ie f m i t L ie b e s u
n d Z a u b e r b lu m e n a u f e in em W e b s c h if f c h e n a u s
B am b u s r o h r . (G e z . S . L in d h e im e r.)
Die halbwüchsigen Ehegatten waren hier von ihren
reichen Eitern schon mit 6 und 10 Jahren verlobt
worden.
Auch bei den muhamedanischen Lima-Sasakern
kommt nicht selten die K in d e reh e (k aw in g an tu n g )
vor, und die Brautleute zählen oft kaum 10—12
Lenze. Solche Heiraten werden in der gewöhnlichen
Form geschlossen, doch findet ein Zusammenleben
erst nach Eintritt der Pubertät statt.
Natürlich sind die Eltern allein die Anstifter. Da
sie gerade in Liebesangelegenheiten eine sehr
geringe Macht über ihre erwachsenen Kinder haben,
wollen sie auf diese Weise die Möglichkeit einer
ihnen nicht angenehmen Verbindung ihrer Tochter
ausschließen, bevor das Herz derselben zu sprechen
beginnt. Ebenso vermählen die Balier nicht selten
ihre Töchter in noch sehr jugendlichem Alter.
Von den Sasakern kann man behaupten, daß
ihre Ehen im allgemeinen aus L ie b e geschlossen
werden. Nur bei den Lima-Sasakern, wie oft
auch bei muhamedanischen Malayen-Völkern,
müssen die Töchter mit den Männern zufrieden
sein, an die ihre Eltern sie verkaufen, und nicht
selten soll außer Überredung auch Zwang angewandt
werden. Durch den Islam hat zwar die
Kultur und der Wohlstand des Volkes zugenommen,
mit ihnen aber ist Geld, Ansehen und Stand in
den Vordergrund getreten. Bei den Telu-Sasakern
wurde dadurch ebenfalls manche gute alte Sitte
verdorben und manches Ideal verdrängt. Nur die.
Budas halten, noch fest an ihren Überlieferungen,
und eine Verheiratung mit einem Muhamedaner
soll so gut wie garnicht Vorkommen.
Die Jugend Lomboks hat gute G e l e g e n h
e it', sich kennen und lieben zu lernen, so bei
der Feldarbeit, vor allem dem gemeinsamen Reisschnitt
und den zahlreichen Festen. Auch die
Hochzeitsfeiern ziehen, genau wie bei uns zu Lande,
oft neue Verlobungen nach sich. Hier ist die
Blume ebenfalls die erste Botin der Liebe. Nimmt
die Angebetete von dem Jüngling Geschenke an,
z. B. Tücher und Armbänder, so ist das wohl ein
Zeichen der Zuneigung, ohne indessen, wie auf
Java, direkt eine Verlobung, mit Anspruch auf Ehe
und den daraus hervorgehenden Rechtsfolgen,
nach sich zu ziehen, öffentliche Eheversprechen, besonders der Kinder, sollen nur bei
Adeligen Vorkommen.
Um dem Mädchen ihre Liebe zu gestehen, schreiben die jungen Männer der
Sembälun-Hochebene B r i e f e auf Bambus-Röhren und Lontar-Blätter. Diese enthalten
außer einem Gedichtchen oder Lied mancherlei Symbole der Liebe, wie die Sarüni-Blume,
die Manggis-Frucht u. a. Da die Spinne (barärak) als Sinnbild der Häuslichkeit und der
Hahn als das eines guten Familienvaters gilt, so will der Liebende durch die Anbringung
dieser Tiere seiner Braut andeuten, daß er wie die Spinne ein Haus bauen und wie der
Hahn seine Familie versorgen und beschützen werde.
Die freien Stellen dieser Liebesbriefe sind mit zierlichen Blumen und Rankenmustern
bedeckt, in der Art, wie im Kapitel über Ornamentik (S. 46) beschrieben. In den Liedchen,
die mit balinesischen Schriftzeichen eingeritzt sind, preist der Jüngling mit überschwänglichen
Worten die Schönheit seines Mädchens und die Erhabenheit der Liebe, oder er schildert
seine große Sehnsucht und behauptet sogar, weinen zu müssen, wenn seine Werbung nicht
erhört werde; denn seine Liebe sei so groß wie der Rindjani. Einen solchen Herzens-
F ig . 72. E in L ie d a u s e in em s a s a k s c h e n L ie b e s b r ie f a u f e in em W e b s c h if fc h e n .
erguß bringt das (aufgerollt abgebildete) Webschiffchen Fig. 71. Außer einer schön ausgeführten,
stilisierten Liebesblume (sa rü n i|B ||iffledelia biflora D. C.) schmücken es noch
sieben einzelne Blüten dieses Motives. Eine Ingwer-Pflanze (tawar ürip = Zingiber Zerumbei)
mit Stengel, Blüten, Blättern und Wurzel soll die bösen Geister bannen, die das junge
Glück zu zerstören trachten. Dem kleinen Fische (blänak) legt man ebenfalls eine gewisse
Bedeutung für die Ehe bei. Er ist weißlich, mit blauschwarzer Mittellinie und nach oben
gerichteter Schnauze, lebt zahlreich in Flüssen und Bächen der Sembälun-Hochebene, sowie
Mittel-Lomboks und gehört einer neuen Cyprinoiden-Art (Rasbora Elberti, Popta) an.
In Sembälun erwarb ich ein andres Webschiffchen (dürak) mit prächtig ausgeführten
Ornamenten, wie Sarüni, Träte, Tundjung und anderen Motiven (Ornamentik S. 46), sowie
einer Schilderung der ersten Begegnung der Liebenden. Der Großvater meines Dolmetschers
hatte es einst seinem Mädchen geschenkt, und es kostete mir nicht wenig Mühe, der alten
Frau das Liebeszeichen (wangsa) ihres verstorbenen Gatten abzubetteln. Doch ein Reichstaler
tat auch hier seine Schuldigkeit. Der Enkel las ihr noch einmal das Versehen vor,
und ich weiß nicht, ob ihre Augen von dem Anblick des blanken Geldstückes so glänzten
oder in der Erinnerung an ihre Jugend.