In der Sembälun-Hochebene hat man nur eine Ernte im Jahr; im März findet die
Aussaat in die Treibbeete statt, im Mai die Auspflanzung der Setzlinge, und im August
ist die Reisernte. An diese schließt sich das Erntefest (wajerä matä päddi), an welches sich
Opfer, Hochzeiten und andere Feiern anknüpfen.
Die Ornamentik bei den Gebirgs-Sasakern.
Die Kunst bei den Sasakern repräsentiert bereits einen hohen Grad der Entwicklung.
Ihre Ornamente bestehen vorwiegend aus Pflanzenmustern. Das Hauptmotiv ist die einfache
Ranke, die oft sehr schön ausgeführt wird. Die Stilisierung der Formen ist hier im Gegensatz
zu Bali und Java sehr unvollkommen. Man sieht den Mustern häufig an, daß der
Künstler noch die Vorstellung von dem Objekt hat, welches er wiedergibt. Verdoppelungen
im gewöhnlichen Sinn, die dem Triebe symmetrischer Darstellung aller Formen entspringen,
sodaß die eine Hälfte des Musters das Spiegelbild der anderen ist, führt der Sasaker nicht
aus, wohl aber verlängert er seine Ranken durch Wiederholung des Musters. Infolgedessen
findet man die verschiedenen Felder seiner Ornamente, auch solche, die ihrer Lage
nach gleichartig sind, mit ganz verschiedenartigen, durcheinandergewürfelten Motiven ausgefüllt.
So kommt es vor, daß der Sasaker Kräuter und Bäume abbildet und mitten hinein
ein Reh oder ein anderes Tier setzt, ohne dabei die Vorstellung zu haben, daß das Bild
eine Jagd darstellen soll, wie man das bei den Dajakern Borneos findet.
J e d em M o tiv g ib t d e r S a s a k e r e in e n N am e n , u n d zw a r e n t s p r i c h t d ie s e r
j e d e sm a l e in e r b e s tim m te n P fla n z e . Einige Schnitzereien fand ich, von denen man
mir wohl einen Namen nannte, aber nicht erklären konnte, welche Pflanze als Vorbild gedient
habe.
Die im Folgenden zusammengestellten und erklärten Motive sind keine willkürlichen
Deutungen, aus irgend welcher zufälligen Ähnlichkeit hergeleitet. Ich habe das
durch Versuche festgestellt, indem ich mir sofort die betreffende Pflanze bringen ließ, nach
welcher das Ornament genannt war. Die spätere Bestimmung der Exsikkaten meiner
ethnobotanischen Sammlung ergab die Richtigkeit der bei den dargestellten Motiven angegebenen
Pflanzennamen, die außerdem mit denen benachbarter Völker verglichen wurden.*)
1. Das häufigste Muster, das von den Sasakern auf Bambusrohren, Hausbalken, Türrahmen
u. a. angebracht wird, ist die R a n k e , die sie K em b a n g g ä n g o n g nennen. Die Idee
zu dem R a n k e nm o tiv , wie es bei vielen malayischen Völkern vorkommt, kann sehr
verschiedenen Ursprungs sein und auf Beobachtungen zurückgehen, die nur wenig mit
einer Ranke zu tun haben. So soll nach Vo lz den Batakern bei der Erfindung des Rankenornaments
die Wolke vorgeschwebt haben, die ja in den Tropen häufig, besonders die
hohen Schneewolken, stark gewundene, strahlen-, büschel- und rankenartige Formen annehmen.
Die Sasaker der Sembälun-Hochebene konnten mir über ihr Gängong-Motiv keine
befriedigende Auskunft erteilen und erklärten mir meist, daß es nur ein Name für das
Muster sei. Mein Dolmetscher, der außer sasaksch auch balinesisch, javanisch, maduresisch
und noch einige andere Sprachen verstand und ein intelligenter Mensch war, meinte, daß
„gangong“ vielleicht die üppig wuchernde Wasserpflanze, Monochoria hastaefolia, Presl.,
eine Pontederie, sein könnte, die man ebenfalls als Ranke abbildet. In der Literatur fand
ich bei den Dajakern Borneos den Namen „gängong“ als Bezeichnung für dieses bunt-
*) Clerk, Woordenboek v. malay. Plantennamen, Haarlem 1909.
blumigeWasserkraut. Wahrscheinlich handelt es sich jedoch nicht um dieses,
sondern um eine kriechende, wasserliebende Winde (Ipomoea reptans Poir.),
die von den Malayen, Javanen, Sundanesen und Balinesen gleichlautend
„Kankung“, von den Maduresen „Kangkung“ genannt wird, Diese Pllanze,
die als Gemüse geschätzt ist, treibt ihre Schößlinge außergewöhnlich
schnell nach allen Seiten. Ihr üppiges Wachstum ist bei den Javanen direkt
sprichwörtlich geworden.
2. Das nächsthäufige Rankenmuster ist „ T a n d a n m a ti k u l i t “,
die Zaunrebe (Clematis vitalba Z.. Fig. 48), die in der Sembälun-Ebene nicht
selten ist. In dem Ornament (Fig. 49) ist diese Pflanze wiederzuerkennen-
Auch die einzeln dargestellten Blüten des M a ti-k ‘ü -tit-M o tiv e s und
besonders die Fruchtstände mit ihren dünnen Fäden und Haaren (Fig. 14)
zeigen die gute Beobachtungsgabe der Sasaker.
3. Eines der zierlichsten, mit vielem Geschick auf den Bambusrohren
eingeritzten Rankenmuster ist das M o tiv „K em b a n g m e n ü r “, die Darstellung
eines Zweiges des wohlriechenden, zu den Oleaceen gehörenden
und von den Javanen „Melati“ genannten Zierstrauches (Jasminum Sam-
bac Ait.). Die Blumen sind beim weiblichen Geschlecht wegen ihres
Wohlgeruches außerordentlich beliebt und werden in die Haare eingedreht,
häufig auch als Ketten von Braut und Bräutigam getragen. Die Blüte wird
sowohl einzeln, und dann meist nur mit vier Blumenkronblättern und vier
Staubgefäßen, als auch in zusammenhängenden Reihen abgebildet (Fig. 15).
4. Gelegentlich findet man das B a n dm o trv „K em b a n g s e n g ig i “
(Nigella sativa L.), ein zur Familie der Ranunculaceen gehörendes Kraut,
eine Art Schwarzkümmel, der als Gewürz bei den Malayen (djintan hitam),
wie bei den Javanen (djinten ireng) und auch bei den Sasakern beliebt ist.
Meist findet sich dieses S e n g i g i -M o t i v als bereits stilisiertes, gefälliges,
ornamentales Muster, aber auch einzeln als achtblätterige Blüte. Durch
die übliche Aneinanderreihung und gleichzeitige Verkürzung von vier
Blumenblättern kommt das eingangs abgebildete Bandmuster zu Stande.
: g f |' verbindenden langen Blumenblätter werden später zu Linien, und es
entstehen rhombische Felder mit eingefügten Blümchen (die linke Zeichnung
der Fig. 16) Die Abbildung (Fig. 1 in der Mitte) zeigt das Zwischenstadium
in der Entwicklung dieses Musters.
5. Die auf der Sembälun - Hochebene häufig vorkommenden
Winden „K em b a n g b o h o r “ (u. a. Ipomoea und Merremia hastata Hallier)
werden vielfach dargestellt, jedoch meist nur ihre herz- oder lanzett- oder
breit pfeilförmigen Blätter (Fig. 17).
6. Auch ganze Pflanzen mit Blüten, Blättern und Wurzeln finden
sich unter den Motiven. Eine der schönsten Zeichnungen sah ich auf
einem Webschiffchen, das als Liebeserklärung eines jungen Mannes gedient
hat. Es ist dies „tawar urip“ (Costus speciosus Smith.), eine Scita-
minacee, zu der auch die das bekannte Curry liefernde Pflanze gehört
und deren Verwandte beliebte Zierpflanzen sind.
Auf der Zeichnung des T aw a r -M o tiv e s (Fig. 71) zeigt der
Stengel deutlich eine Abteilung, wie sie Rhizomen zukommt. Der Wurzel