zur Rückkehr. Mit höchster Nervenanspannung schiebe ich meinen Körper behutsam
rückwärts; denn schon fühle ich das Mauerende wanken. Vor mir bricht Felsblock nach
Felsblock in die Tiefe. Fast habe ich schon das untere Ende des Rückens wieder erreicht,
als ein von der Süd-Seite herantretendes höher liegendes Tal mir einen besseren Weg
zum Aufstieg zeigt. Meine Leute zittern vor Aufregung, und ich habe Mühe, wenigstens
die Träger der Instrumente zum Weitergehen zu veranlassen. Nun haben wir mehr Glück.
Von dem Rande des Schluchtensystems gelangen wir auf den Vulkanmantel und über lose
Blöcke und durch Sande schreitend, erreichen wir endlich den Kraterrand. Wir befinden,
uns in einer Meereshöhe von ungefähr 3600 m auf der südlichen Spitze des Rindjani. Der
Gipfel des Rindjani (Tafel X, Fig. 1) stellt einen Kegel dar, der jedoch nur von Ost und
Süd aus betrachtet gut hervortritt. Der Ost-Abhang ist stark zerrissen, während der nördliche
und südliche ebenmäßige Formen aufweist. Der Kratermund ist rund und nicht durch
ein Barranco, wie es von ferne den Anschein hat, geöffnet, vielmehr brechen die Talschluchten
unmittelbar an der Ost-Wand ab. Das Panorama, etwa von 3100 m ü. M. aufgenommen,
zeigt zwischen 3350—3400 m die letzten Reste der Buschformation.
Mittlerweile hatte der Regen aufgehört, und wir sahen in den 300 m unter uns
liegenden Kraterkessel hinein, dessen gegenüberliegende Seite sich in einer über 460 m
hohen Wand, der höchsten Spitze des Rindjani, erhebt. In dem Riesenloch aber brodelten
zahlreiche Fumarolen, die uns ihre Dämpfe entgegenschickten. Wir suchten deshalb die
tiefste Stelle des Kraterrandes, den Djäran-kurüs, 3450 m ü. M., zu erreichen und stiegen
in östlicher Richtung ungefähr 250 m abwärts. Dabei mußten wir uns auf dem schmalen
Grate fortbewegen, der im Gebiete der vorher beschriebenen Schluchten beiderseitig senkrecht
abstürzt. Die Gesteinsrippen aber endigen an dem Kessel wie Strebepfeiler an
einer alten Kirchenmauer. Da sie häufig höher als die Kraterwand sind, mußten wir mit
großer Mühe über sie hinwegklettern. Einmal konnte ich eine solche Pallisade nur vom
Rücken eines Trägers aus besteigen, der mir dann Stativ-Apparat und Inklinatorium zureichte.
Der letzte Mann wurde mit vereinten Kräften nach oben gezogen. So erreichten
wir nach vielen Anstrengungen die tiefste Stelle, von der wir leicht die le tz te |rl2 5 m zur
Kratersohle hinab kommen konnten, was eine Schutthalde ermöglichte, die durch den
Einbruch eines hohen Stückes der Steilwand entstanden war.
Die Mittagssonne hat die letzten Nebel von der Rindjani-Spitze vertrieben und wirft
senkrechte Strahlenbündel in das Kraterloch. Der helle, weiß, gelb und grünlich schimmernde
Boden reflektiert die Sonnenstrahlen und erzeugt eine blendende Lichtfülle. Ich komme
mir vor wie in einem tiefen Brunnen, erfüllt mit Gluthitze und stechenden Dämpfen. Die
ringsum anstrebende Wand, deren turmspitzenartigen Grate und Zinken in den Himmel
zu ragen scheinen, lößt in mir mitten auf der 315 m Durchmesser haltenden Ebene unwillkürlich
ein Gefühl der Kleinheit und Machtlosigkeit aus. Die nach allen Seiten hin
aufgeschichteten Vulkanmassen, geflossene Laven, durch Explosion zersprengte Felsen,
ausgeworfene Bomben und Lapilli, Gläser und Schlacken aller Art, sowie herausgeblasene
Sande und Aschen in vielfachem Wechsel untereinander zeugen von der vieltausendjährigen
Tätigkeit des Vulkanriesen, der heute schlafend nur noch seinen heißen Atem aus
22 Fumarolen aus.stößt (Tafel X. Fig. 2).
Eigenartiger Farbenzauber liegt in der Umgebung. In Schwarz, Rot und Grau
wechseln die Gesteinschichten ab, die durch die ausströmenden, säurereichen Dämpfe stark
verändert sind und in allen Farben prangen. Hier scheinen ganze Wände wie mit blendend
weißem Schnee überzogen, und dort in der Nähe der Fumarolen leuchten große Flächen,
übergossen vom goldigen Lichte der Sonne in Gelb und Grün des Schwefelbelags.
Eine Reihe übermannshoher Schornsteine aus reinem Schwefel zeugen von einer
früheren stärkeren vulkanischen Tätigkeit. Lange Krystallnadeln ragen in ihre Hohlräume
hinein, doch nur wenigen Schloten entströmen noch Dämpfe.
Meine Sasaker standen bald zur Reinigung ihrer Seele bis an den Hals in einem
der 4 großen Wassertröge am Südost-Fuße der Steilwand. Der größte von diesen Tümpeln
ist 12 m lang und fast 4 m breit. Heiße Gasblasen Steigen in Menge auf, und wie kochend
brodelt das Wasser. Gelbgrüne Schlammassen, vorwiegend aus Schwefel mit etwas Tonerde
vermengt, umgeben ihn wallartig und verschwinden im gleichartigen Tonschlamm
des Kraterbodens.
In der Regenzeit verschmelzen die Wasserlöcher zu einem See, den die Eingeborenen
S e g a r e -M u n tja r nennen (s. Kartenskizze, Fig. 58). Sein Wasser ist milchig und schmeckt
bitter und sauer. Die chemische Untersuchung ergab das Vorhandensein von 0,35°/o freier
Schwefelsäure, sowie geringe Mengen von
Alkali-, Kalk- und Magnesium-Sulfaten. Die
vorhandene Trübung rührt von Ton, ausgeschiedenem
Schwefel und von Kieselsäure her.
Dieses für den Magen außerordentlich gefährliche
Wasser betrachteten meine eingeborenen Begleiter
als ein besonderes segenbringendes Geschenk
ihres Gottes Batara, füllten sich damit ihre
sämtlichen Kürbisflaschen und nahmen es als
wirksame Medizin mit nach Hause.
Die in der Nähe des Segare-Muntjar
liegenden Fumarolen sind die größten des
Vulkans und erreichen einen Durchmesser von
einem Meter. Ihre Mundöffnung, ebenfalls mit
Schwefelnadeln und Flocken ausgekleidet, stößt
unter lautem Zischen stechende Wasserdampf- . Hg-m.
säulen h e rv o r. — Während ich die topographischen
Aufnahmen und sonstige Messungen ausführte, bereitete mir mein Präparator
auf den heißen Wasserdämpfen einer dieser Fumarolen das Mittagessen.
Die L a g e r u n g s v e r h ä l tn is s e der Schichten enthüllen uns etwas Interessantes aus
der Geschichte des Rindjani. Die Schichtung der Kraterwände scheint von der Kratermitte
aus gesehen einen horizontalen Verlauf zu nehmen, wie in jedem normalen Aufschüttungskegel,
da die Köpfe der Gesteinsbänke gleichmäßig quer durchschnitten sind.
Bei näherer Untersuchung der Neigungs-Verhältnisse jedoch stellt sich heraus, daß der
von Nord über Ost nach Süd laufende Bogen nach auswärts einfalfende, mit 30—34° geneigte
Schichten besitzt, während der westliche, zum Segare-Anak liegende, deutlich eine
Senkung zur Kratermitte hin zeigt, nicht aber, wie man erwarten sollte, in umgekehrtem Sinne.
Diese Wand ist außerdem sehr dünn und wird wohl früher oder später (zum Segare-Anak)
zusammenbrechen, ähnlich wie beim zersprengten Krater. D ie k e g e lfö rm ig e R in d ja n i-
S p itz e m it ih rem K ra te r ist also nicht wie der Baru ein einfacher Aufschüttungskegel
und selbständiger Vulkan, sondern ein erst später nach Bildung des Segare-Anak-Walles