Dieses hier im Urtext wiedergegebene Lied (tropong) (Fig. 72) ist von mir, so gut
ich es als Nicht-Linguist verstehe, übersetzt, und die sasakschen Worte sind in lateinischer
Schrift danebengestellt.*)
L i e b e s b r i e f
Lamum da lumbar Mas Denda
Ojok timba gen da mandi,
Da duwa-duwa si kanäk.
Mbentek ja ja i lan sisir
Lelanger odak kuning;
Pada sregep njawuk rapus
Saddteng da sile timba
Mandi dar(w)us da basisir
Jari rapus bagdnda turunan jawa.
Kambendèran, da kembang
Bugis, papdjas kèreng abang!
Bajaldhut njapu tana!
Berù da njintjing sakdi,
Pegitan betis kuning,
Njelèng bina kísap tahun
Kèng. Da sakepel gonda,
Biwi dabldhan manggis,
Papilis da mará bulan berù fànggal.
a u f e in em W e b s c h i f f c h e n :
Als Du gingst Mas Denda
Zum Brunnen, um zu baden,
Du, zusammen mit den Kleinen,
Trugst Du Schöpflöffel, Kamm,
Haarwasser und gelben Puder;
Auch Salbe reichlich Du brachtest.
Zum Brunnen gekommen, hast Du
Schnell Dich gebadet, gekämmt und
Gesalbt mit Javas duftendem öle.
Wahrhaftig, wie eine Bugis-Blume bist Du
Und geziert mit feuerrotem Brusttuch!
Leicht schleppt Dein Kleid über die Erde!
Als Du Dich schürzest ein wenig,
Zeigt sich das Gelb Deiner Beine,
Wie der Blitzstrahl überm Meere leuchtet Deine Lende.
Gleich der Gonda-Pflanze**) dünn ist Deine Taille,
Wie die gesprungene Manggis-Frucht rot sind Deine
Lippen,
Und Deine Wange gleicht dem jung erstandenen Monde.
Die rechtliche Form der Eheschließung auf Lombok ist d ie E n t f ü h r u n g , eine
uralte Sitte, gegen die niemand das Recht des Einspruches hat. Zwar wird diese Flucht
(merari = weglaufen) oft nur zum Schein ausgeführt, nachdem sich der Freier der Einwilligung
der Familie versichert hat, aber häufig muß der Jüngling auch ohne Wissen der
Eltern, jedoch mit Zustimmung seiner Liebsten, letztere heimlich entführen (memäge ^ e n t führen).
Zur Zeit des Königtums auf Lombok, so wird erzählt, haben oft habsüchtige Eltern
ihre schöne ahnungslose Tochter von einem reichen Freier bei einer günstigen Gelegenheit
rauben lassen (meläko == rauben). Bei den Baliern auf Lombok findet man ebenfalls diese
drei Arten des Mädchenraubes (mepädik '= weglaufen, merängkat = entführen, melega-
dang = rauben), der gewöhnlich in folgender Weise ausgeführt wird: Der Bräutigam ergreift
die vor dem Hause sitzende Braut, zieht sie zu sich aufs Pferd und galoppiert davon
unter dem Geschrei der ihn verfolgenden Familie.
Sasaker und Balier dürften heute die einzigen Völker Indonesiens sein, bei denen
d ie E n t f ü h r u n g d ie a l l e i n g ü l t i g e und g e b r ä u c h l i c h e , wenn auch meist nur zu einer
Zeremonie gewordene F o rm d e r E h e s c h l i e ß u n g ist. Dieselbe Sitte, jedoch neben der
sonst üblichen Art der Brautwerbung durch Anfrage bei Eltern und Mädchen, haben noch
viele Völker des Archipels. Häufig ist sie nach Roos***) auf Sumba; nicht selten hörte ich
*) Die Umschrift der balinesischen Buchstaben hat mein Dolmetscher vorgenommen, und sie
wurde von einem holländischen Beamten, der seinen Namen nicht genannt wissen möchte, durchgesehen.
Dieser teilt mir noch mit, daß diesem sasakschen Tropong die javanische Sangesweise „Sinom“ zugrunde liegt.
**) Wassersalat (Sphenoclea zeylonica Gaertn.), eine Campanulacee, javanisch Gunda.
***) Tijdschr. v. Nederl.-Indie jaarg. 1855. deel I, blz. 285 und Verhandelg. v. h. Batav. Gen. v.
Kunst en Wetensch., deel XXXVI, blz. 50, 53.
von ihr in den Lampongschen Distrikten Süd-Sumatras und gelegentlich in Celebes bei
Makassaren und Bugis. Auch Riedel*) berichtet von Babar und Kisar, wo die Ehe noch einen
matriarchalen Charakter hat, daß der junge Mann die Liebste entführt.
Der Ursprung des Mädchenraubes ist nach G. A. Wilken**) in der Zeit des Überganges
des matriarchalen in den patriarchalen Verwandtschaftszustand zu suchen; denn früher ging
der Mann durch die Ehe in den Stamm der Frau über und mußte in ihrem Dorfe wohnen.
Um sich diesem Zwange, sowif "der Einmischung der Verwandten in die häuslichen Angelegenheiten
zu entziehen und Herr in seiner Familie zu sein, entführte der Urmensch
sein Mädchen. Was anfangs Willkür war, wurde später Regel und gesetzliche Form.
Das sasaksche Liebespärchen von Nord-Lombok, das von Verwandten oder Bekannten
des Nachbardorfes beherbergt wird, gibt am Tage nach der F lu c h t, spätestens
aber am dritten den Eltern Nachricht. Es macht ihnen die Mitteilung seiner Heirat und
erbittet Vergebung (släbar). Die Eltern des Mädchens schicken darauf das Dorfhaupt (klian)
zu den Entflohenen, um vom Bräutigam S ü h n e g e l d (njöröngan dòsa) zu verlangen.
Dieses beträgt für den Pangaja, den Mann aus dem Volke, 2 Atak = 1,12 M., für den
Prawängsa, den Adeligen, das Mehrfache, je nach dem Stand. Hat der Klian diese Buße
den Brauteltern übermittelt und ein Scherflein für seine Mühe erhalten, so kehrt er zu Braut
(pengänten nina) und Bräutigam (pengänten marna) zurück, verkündet ihnen die Verzeihung
der Eltern und die Erlaubnis zur Heimkehr. Während der Zeit der Verhandlungen dürfen
die Liebenden ihr Versteck nicht verlassen, weil sie sonst nach Landessitte eine Strafe (bagiàn),
nämlich 2 Puku 50 Keppeng = M. 4,95 an den Klian des Dorfes, das sie aufgenommen und
ihnen Rechtsschutz gewährt hat, zahlen müssen.
Außer dem erwähnten Sühnegeld ist für das Mädchen noch ein B r a u t g e l d (mas
kawin) zu entrichten und dieses b e trä g t bei dem gewöhnlichen Mann 5 Puku (d. s. 25 Atak)
= M. 13,28. Heiratet ein Adeliger eine Niedrigstehende, so gibt er 33 Puku == M. 87,78
für eine Gleichstehende dagegen bis zu 100 Puku = M. 265,60. Sühne- und Brautgeld
sind aber bei den Sasakern das K a u f g u t (penaür), das vor der Hochzeitsfeier bezahlt sein
muß. Es hat ursprünglich allgemein aus Gegenständen, Tieren und Lebensmitteln bestanden,
wie heute noch bei den Budas.
Die Budas auf der Ost-Seite des Segarä-Flusses der Gemeinde Pänäsan-daja pflegen
folgendes zu geben:
1. Eine Ziege (bémbek),
2. Ein Huhn (manùk),
3. 860 Zuckertafeln (860 tjupàk = 1 domas gùla mèra),
4. Einen großen Korb Reis (seròmbong beràs),
5. Fünf kleine Körbe Reis (djätu beràs),
6. Vier junge Kokosnüsse (kombök),
7. Vier alte Kokosnüsse (niu njéròk),
8. Ein Küchenmesser (ladik) oder Schreibmesser (panggbt),
9. Eine Traglast Brennholz (lembàng grége),
10. Ein Bambusgeflecht zum Fleischtrocknen (söksökang),
11. Vier Hölzchen zum Säte-Braten (käju tenùndjuk),
12. Eine Elle selbstgewebten weißen Stoffes (kerèng püti).
*) De kroes-en sluikharige rassen tuschen Selebes en Papua, blz. 351, 415 enz.
**) Plechtigheden en Gebruiken bij Verlovingen en Huwelijken b. d. volken v. d. Indisch. Archip.
S’Gravenhage 1886, blz. 32.