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(Justicia Gendarusa Burm.), welche zur Einfriedigung der Gärten benutzt wird, zeichnet sich
nämlich durch außerordentliche Lebenskraft aus. Ein abgerissenes Zweiglein, in den Boden
gesteckt, wächst schnell zu einem neuen Strauch heran, und so soll die Berührung mit ihm
der jungen Familie zahlreiche Nachkommen bringen. Auch die Balier benutzen diese Pflanze
in ähnlicher Weise wie die Budas bei ihren Trauungs-Zeremonien. Dieselbe Idee verbinden
andere malayische Völker, z. B. die Menangkabauer,*) Karo-Bataks,**) Palembanger in den
Ranau-Distrikten***) mit der Sitte, die Brautleute mit rohem Reis zu bestreuen, oder, wie
van Schmidtf) berichtet, ihnen zerschnittene Kelor-Wurzeln (Moringa pterygosperma) auf
den Kopf zu legen. Besonders bemerkenswert ist für die Budas, daß sie bei den Hochzeitsfeiern
außer Batara auch die bösen Geister und die Seelen ihrer verstorbenen Eltern anrufen
und ihnen etwas vom Reis der Festtafel hinstreuen. Diese Handlung soll aber offenbar ein
Versöhnungsopfer und keine Bitte um Kindersegen sein, da der Reis hier in gekochtem
Zustande angeboten wird.
G e w o h n h e i t s r e c h t : Die allgemeine Gültigkeit des Patriarchats auf Lombok
bedingt ziemlich einfache. Rechtsbegriffe. Zwar stehen heute die Sasaker unter der Gerichtsbarkeit
der holländischen Beamten, doch die Richtschnur für die Urteile derselben ist das
Gewohnheitsrecht des Landes. Dieses basiert auf folgenden Grundsätzen: Der Mann ist
Herr der Familie und wohnt im Vaterdorfe. Nach seinem Tode sind die Kinder alleinige
Erben, während der Witwe nur das Recht der Nutznießung zusteht, das sie bei einer
Wiederverheiratung verliert. Im letzten Falle darf sie außer einigen Küchengegenständen
nur den etwaigen Säugling mitnehmen. Die Verwandten väterlicherseits übernehmen die
Beackerung der Felder und die Erziehung der Kinder bis zu deren Großjährigkeit. Die
Nachgeborenen gehören zur Familie des Vaters.
E h e h i n d e r n i s s e : Infolge des patriarchalen Charakters des Volkes haben die Ehehindernisse,
wie in anderen Teilen Indonesiens, nur eine untergeordnete Bedeutung, denn
exogame Ehen und Matriarchat sind hier weniger verbreitet als in Polynesien. Wie bei
den Malayen dürfen die nächsten Blutsverwandten, wie Geschwister untereinander, sowie
Onkel und Tanten ihre Nichten und Neffen nicht heiraten; nur bei der „eigentlichen Vetter-
schaft“, der „Pisah sodet“ (malay. „sepupu sekali“) ist die Ehe erlaubt, nicht aber jeder
einzelnen Verwandtschaftsgruppe, den Schwester- und Bruderskindern unter sich. Auch der
Stand bildet häufig ein Hindernis, so ist eine Verbindung zwischen Aristokratie und Volk
im allgemeinen verboten, doch mag ein Adeliger eine Frau niederer Abkunft als Beifrau
nehmen. Dieses Vorrecht besteht auch bei den Bugis und Makassaren,ff) wo es selbst
schon vorgekommen ist, daß Fürsten die Tochter eines Armen geheiratet haben. Der
umgekehrte Fall aber gilt bei den Sasakern als ein Verbrechen, vor allem, wenn ein gemeiner
Mann eine hohe Adelige entführt hat. Diese Übertretung wurde früher mit dem Tode
gebüßt, während man das Mädchen durch Einführen scharfer Gewürze in die Vagina
bestrafte, wodurch schmerzhafte Entzündungen hervorgerufen wurden.
E h e s c h e i d u n g : Die lombokschen Rechtsverhältnisse machen besonders durch
den Einfluß des Islam die Scheidung der Ehe (babälu bes^jang) leicht. Einseitige Abneigung
*) Van der Toorn: Tijdschr. v. Ind. taal-, land- en volkenkunde. dl. XXVI blz. 211.
**) De Haan: Verhandl. v. h. Bataav., Genoots. v. K-en W. dl. XXXVII blz. 45.
***) Van Vloten: Tijdschr. v. Nederl.-Indie. jaarg. 1873, dl. II blz. 295.
f) Tijdschr. v. Nederl.-Indie. 1843, dl. II blz. 588.
t t ) Matthes: Bijdragen tot de ethnologie van Zuid-Celebes blz. 13; Wilken: Over de verwantschap
h et huwelijk enz. loc. cit.
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ist stets ein triftiger Grund, und ebenso sucht man sich nicht selten häßlich und unangenehm
gewordener Alten zu entledigen. Trennt sich der Sasaker von seiner Frau, so hat er für
ihren lebenslänglichen Unterhalt zu sorgen. Gewöhnlich baut er ihr ein Haus, gibt ihr ein
Stück Reisfeld, sowie Büffel; auch darf die Entlassene allen Hausrat mit sich nehmen.
Wünscht aber die Frau ihren Mann zu verlassen, so müssen ihre Eltern die Hälfte des
Kaufgutes zurückzahlen, und sie hat keinen Anspruch auf weitere Ernährung durch ihren
Gatten, selbst wenn er durch schlechte Behandlung die Frau zum Fortgehen getrieben hat.
Die freiwillig Geschiedene verliert außerdem das Recht auf Mitnahme der Küchengeräte,
falls sie sich heimlich entfernt. Dem Manne gehören rechtlich alle Kinder, doch hat er für
die Säuglinge, die der Mutter nicht entbehren können, ein Nährgeld zu zahlen. Die größeren
Kinder bleiben bei ihm, zieht eins von ihnen aber vor, mit der Mutter zu gehen, so muß
es später zurückkehren, um seinem Vater bei der Feldarbeit zu helfen.
Eine geschiedene Frau ist im Falle einer Wiederverheiratung gezwungen, bei den
Lima-Sasakern 100 Tage und bei den Telu-Sasakern 30 Tage zu warten, nur die Budas
schreiben ihr keinen Termin vor. Nicht so streng wie früher wird heute darauf gesehen,
daß sie wieder die Kleidung der Mädchen trägt. Nur in einigen Dörfern, auch der Lima-
Sasaker, z. B. in Senänek, ist ihr die-große, mit kurzen Ärmeln versehene Frauenjacke
(lambong) verboten und nur das ärmellose, umhangartige Jäckchen gestattet, das die Mädchen
zu festlichen Gelegenheiten, wie zum Reisschnitt oder auf Marktgängen, anziehen. Sonst
aber, vor allem bei der Hausarbeit bleibt ihr Oberkörper, gleich dem der Jungfrauen, entblößt
oder wird nur mit einem Schal (lfempot) bedeckt.
Im übrigen ist der Verkehr der beiden Geschlechter untereinander ziemlich ungezwungen,
und die jungfräuliche Keuschheit wird nicht gerade als erste Tugend betrachtet,
öffentliche Sängerinnen und Tänzerinnen, wie man sie bei Javanen, Bugis, Makas^aren und
auch den Baliern West-Lomboks findet, die dann zugleich Prostituierte sind, haben die Sasaker
nicht. Nur an größeren Orten gibt es hin und wieder Mädchen, die (nicht berufsmäßig)
die Prostitution vertreten.
G e b u r t e n : Es erübrigt nun noch, z u r Vervollständigung einiges über die Gewohnheiten
der Sasaker bei Geburten hinzuzufügen. Um diesbezüglich Näheres zu erfahren,
ließ ichleine Hebamme (dükun nlna) kommen, die, durch die Anwesenheit meiner Frau
angeregt, mit großer Beredsamkeit erzählte. Eßbare Erde wird hier wie auf Java von
schwangeren Frauen gerne genommen. Sie besteht aus gut durchknetetem, gewöhnlichem
Ton, der sich in nichts vom Töpferton unterscheidet, in dünne Platten ausgewalzt und
getrocknet ist.
Wie auch bei anderen Stämmen des Archipels, so gebärt die Frau hier in hockender
Stellung und wird vom Manne im Rücken gestützt. Da die Hebamme von operativen Eingriffen,
wie Wendungen, Holen der Placenta etc. keine Ahnung hat, beschränkt sich ihre
Tätigkeit nur auf Kneten des Unterleibes und geduldiges Warten. So muß die Wöchnerin
im Falle schwerer Komplikationen meist sterben. Auch hier wird, wie bei den Malayen,
die Nabelschnur (pusät) erst abgeschnitten, wenn die Nachgeburt ausgestoßen ist, und zwar
nach altem Brauch mit einem Bambusmesserchen (ampCl). Gleich darauf badet man das
Neugeborene in kaltem, mit Reispuder gemischtem Blumenwasser (ai kümküman). Nur bei
Frühgeburten (känak kodöh) oder einem sehr kleinen Kinde (känak bitjl) wendet man warmes
Wasser an. Die Mutter wird nach der Geburt warm gewaschen und der Unterleib zur Verhinderung
größerer Blutungen mit einer Zeugbinde (pingang babenküng) fest umwickelt.
Auf meine Frage, wie es mit der Kindersterblichkeit stände, bekam ich die Antwort,