der fuchsroten, großen Perlmutterfalter (Cynthia) bedeckt, und in den lichten Waldungen
flogen zahlreiche Glasschmetterlinge (Acraea Doherty) umher.
Gleich nach unserer Ankunft im Dorfe beauftragte ich meinen jetzt in Funktion
tretenden Mengkoka-Dolmetscher, die Bewohner über den Zweck der beabsichtigten anthropologisch
photographischen Aufnahmen so gut wie möglich aufzuklären, und schon nach
2 Stunden meldete er, daß die Leute zur Verfügung ständen. Er führte mich zu einer
entlegenen Waldlichtung, wo zu meinem Erstaunen bereits eine ganze Anzahl in Reih
und Glied aufgestellt war, abwechselnd Männer und Frauen, entweder ganz entkleidet oder
nur mit einem großen Blatt am Leibgurt.
Um von Penango nach unserem Endziel Koläka zu gelangen, mußte das Gebirge
noch einmal überschritten werden, was jedoch ohne besonders große Mühe vor sich ging,
da von Membulu aus ein, wenn auch nicht häufiger, Verkehr mit der West-Küste stattfindet.
Außerdem hatte Herr Wieland vor Antritt seiner Hilfsexpedition das Oberhanpt dieses
Gebietes beauftragt, einen Weg durch den schlimmsten Teil des Urwaldes zu schlagen.
An manchen Stellen fanden wir infolgedessen breite Alleen, an anderen dagegen war kaum
durchzukommen. Zuerst ging es am West-Rande der großen sumpfigen Ebene von Membulu
entlang, dann den Lambandia-Fluß aufwärts. Im lichten Sekundärwald begegneten wir verschiedenen
kleinen Gärten mit einzelnen Hütten (La-Lombangi, A'iri). Das Terrain steigt
auf dieser Strecke in einer Terrasse von etwa 75 m auf 95 m ü. M. an. Im Oberlauf des
genannten Flusses und am Ausgang eines schluchtartigen Tales bei rund 130 m am Rande
der obersten pleistozänen Meeresterrasse befindet sich das Dorf La mb an d ia . Von diesem
sei nur das durch seine Größe auffallende Haus des Oberhauptes, des Makole Lambandia*
erwähnt. Es ruht auf m hohen Pfählen und hat nur einen einzigen Raum, der zu
Versammlungen dient. Auffallend sind die schönen Ranken-Verzierungen an den Giebeln
und Ecken, ähnlich wie man sie bei den Bugis herstellt, sowie geschnitzte Balken mit
allerlei einfachen geometrischen Mustern. Die Treppe besteht wie fast überall bei hohen
Häusern aus einem Baumstamm, der mit tiefen Einkerbungen und einer einfachen Bambusstange
als Geländer versehen ist. Das Innere des Hauses fällt durch seine Sauberkeit auf,
und oben unter dem Dach befinden sich mehrere Bodenräume übereinander, angefüllt mit
Gebrauchsgegenständen und Lebensmitteln, auch mit religiösen Dingen, wie mir schien,
denn eine Besichtigung meinerseits lehnte man entschieden ab. In diesem Gebiet herrschen
nämlich noch Kopfjägerei und Sklaverei. Ein Gegenstand, der auf das Bestehen der Kopfjagd
hinweist, steckte hoch oben unter dem Dach; es war ein künstlicher Strauß, dessen
Teile zierlich aus Palmenblättern ausgeschnitten und zusammen gebunden waren. Je mehr
Köpfe sein Besitzer heimgebracht hat, umso reichlicher ist der Strauß mit Blättern versehen.
Leider gelang es mir in der kurzen Zeit nicht, seine volle Bedeutung genau festzustellen.
Mußten wir heute allein schon 8 mal durch den ziemlich breiten Lambandia-Fluß
waten -— denn unsere Pferde konnten noch nicht wieder benutzt werden —, so hatten
wir auch jetzt noch etwa ß 1/* Stunden im Fluß selbst aufwärts zu gehen. Der Weg
wurde immer steiniger, die Blöcke und Unebenheiten größer, und da der lange Kulizug
das Wasser oft stark trübte, sank man hin und wieder unvermutet in ein nicht bemerktes
Loch. Herr Wieland, als der Längste von uns, ging voran, die Tiefe des Wassers
zu prüfen, das uns öfter bis unter die Arme ging. Gelegentlich war meine Frau sogar
genötigt, den Rücken unseres Riesen zu besteigen. Unsere kleinen Träger hatten Mühe,
das Gepäck einigermaßen trocken hinüber zu bringen und mußten es zu Zweien hoch über
den Kopf halten.
Ziemlich ermüdet von diesem fast lOstündigen Marsche, freuten wir uns, an einer
flachen Stelle in einer Flußbiegung einen geeigneten Platz für unser Lager zu finden. In
kaum */* Stunden hatte unsere Kulischar Bäume und Bambusgebüsch niedergelegt und die
Zelte errichtet. . .
Wenn man das Lagerbild (Taf. XXIV, Fig. 2) in dem herrlichen Walde mit seinen
prächtigen Baumfarnen, den herabhängenden blütenbedeckten Lianenzweigen und den
buntblätterigen Kletterpflanzen an den Stämmen betrachtete, so bemerkte man nichts von
der Ungemütlichkeit dieses Ortes. Der Lagerplatz wimmelte nämlich von kleinen, schwarzen
Blutegeln, unter denen wir überhaupt viel zu leiden hatten. Zwar bestrichen wir unsere
Gamaschen vor jedem Marsche mit weicher grüner Seife, doch nach Durchquerung irgend
eines Baches half dieses Schutzmittel nicht mehr, und die lästigen Blutsauger drangen
durch alle denkbaren Öffnungen, selbst die Löcher für die Schuhriemen, hinein. Doch
auch daran gewöhnte man sich
bald und wusch nur am Abend
mit Sublimatseife das viele Blut
ab, das aus den kleinen Wunden
herausgelaufen war.
Noch andere Unbequemlichkeiten
bringen solche Waldmärsche
mit sich. Den ganzen
Tag kommt man aus dem nassen
Zeug nicht heraus und freut sich
darauf, am Abend einen trockenen
Schlafanzug anziehen zu können.
Jeden Morgen aber steigt man
in die nassen, kalten Kleider und
in dieselben Schuhe wieder
hinein. Auf diese Weise rechnen die ersten Stunden des Tages, in denen man fröstelnd
das Verpacken der Zelte beaufsichtigt, nicht zu den Vorzügen einer Tropenreise, Dieser
ungemütliche Zustand wirkt jedoch in dem warmen Klima lange nicht so nachteilig
wie 'in Europa etwa ein Fall ins Wasser, und vor allen Dingen zieht er nicht sofort
die hier üblichen katarrhalischen Erscheinungen nach sich. Außerdem kann ein geschultes
Dienerpersonal solche Unannehmlichkeiten bedeutend verringern.
Meine Leute waren schon zum Teil auf meinen früheren Expeditionen erprobt. Ohne
besondere Befehle wurden die kleineren, alltäglichen Arbeiten unter Anpassung an die jeweiligen
Umstände ausgeführt. Gleich nach Ankunft unseres Gepäcks stand mein Diener
Arso mit der Genever-Flasche bereit und mischte nach holländischer Sitte einen Bittern
zusammen zur Verhütung von Erkältungen und zur Anregung des Appetits. Nach einer
halben Stunde hatte mein emsiger Bezopfter, der Chinese Long-Ek, Kaffee oder Kakao
bereitet, und bald stand auch schon unsere Mahlzeit in Gestalt einer erwärmenden Maggioder
Knorr-Suppe, einer Hahn’schen Konserve oder, wenn einmal viel Zeit vorhanden,
einer indischen Reistafel, zu der alle Gewürze im getrockneten oder konservierten Zustande
mitgeführt wurden, auf dem Familientisch der Expedition.
Am nächsten Tage, dem 26. September verließen wir unser Lager am Lambandia-
Fluß. Die letzte Reisportion wurde verausgabt; wir mußten also heute noch Koläka er-
erreichen, doch kostete es noch einige Mühe und Anstrengung, bis wir soweit waren.