seltene Schauspiel zu beobachten. Schließlich rannten einige Hirsche sogar mitten durch
die Trägerkolonne, was die Soldaten nicht abhielt, in blindem Eifer mitten in das Gewühl
hineinzuschießen. Eine Kugel pfiff unmittelbar an meinem Kopfe vorbei und nur mit Mühe
gelang es mir, gegen das Geknatter anzubrüllen und dieser blindwütigen Schießerei Einhalt
zu tun. In wenigen Minuten hatten die Soldaten 120 Patronen verschossen und damit nur
ganze zwei Hirsche erlegt. An diesem Tage ist den Maronene die Angst vor dem Feuergewehr
sicher genommen worden. Von nun an verbot ich ein für allemal diese Art von
Jagd und ließ später einen Mann bestrafen, der beinahe die wahnwitzige Tat beging, in
eine fast 100-köpfige Büffelherde hineinzuschießen. — Gegen Abend waren endlich die
glühenden Savannen und Moräste passiert und Wambaköwu, das nördlichste Dorf des
Maronene-Landes, in Sicht.
Kurz vor unserem Ziel geriet ich mit meinem Pferde noch in einen tiefen Sumpf
und konnte mich nur durch einen schnellen Sprung vom Rücken des Tieres aus retten. Gleich
darauf mußte ein kleiner Fluß mit steilen Ufern passiert werden. Unsere Pferde verspürten
offenbar nach dem Ritt durch die heiße Ebene starken Durst und wurden beim Anblick
des Wassers unruhig, sodaß meine Gattin, die mit Herrn Wieland vorausritt, zu schnell
die schiefe Ebene hinabkam; und als nun noch das Tier plötzlich seinen Hals nach dem
Wasser hinabbog, schoß die stolze Reiterin mit dem Kopf voraus direkt ins Wasser. Ehe
ich zu Hilfe kommen konnte, •— das Hinterteil meines Pferdes befand sich infolge des
starken Gefälles ungefähr in Höhe meines Kopfes |§ | hatte unser fast 2 m langer Begleiter
meine Frau schon aus der kühlen Flut herausgezogen.
Im Dorf W am b a k ö w u , das nur wenige Häuser zählt, war gerade das Totenfest
gefeiert und auf dem frischen Grabe das Schädeldach eines zu diesem Zwecke erjagten
Menschen aufgepflanzt worden, das man aber schon vor unserem Auftauchen entfernte.
Trinkbecher, geflochtene Eßteller und Speisendeckel lagen noch in einem großen Haufen
beisammen und zeugten von der Anzahl der hier vor kurzem versammelt gewesenen
Menschen. Jetzt befanden sich im ganzen Dorf nur ein paar Leute, um einige zurückgebliebene
Pockenkranke zu pflegen. Im letzten Jahre hatte eine große Pockenepidemie im
Lande geherrscht, der viele Maronene zum Opfer gefallen waren. Während unserer Durchreise
pflegte der uns begleitende Vaccinateur täglich zahlreiche Kinder und Erwachsene, welche
noch nicht von dieser bösartigen Krankheit befallen waren, zu impfen. Die Leute zeigten
sich hier verständig genug, um sich von den Europäern helfen zu lassen, und kamen der
Aufforderung willig nach. Da die Kinder durch Kratzen an der juckenden Impfstelle häufig
starke Schwellungen und Entzündungen bekamen, so fand vor dem Impfen eine genaue
Belehrung statt, um etwaigen Zornesausbrüchen über vermeintliches Unheil vorzubeugen.
Vor allem suchte man ihnen zu erklären, daß mit der Wunde und Entzündung der Krankheitsteufel
ausgetrieben und niemals mehr zurückkehren würde. Manche der Pockenkranken,
besonders ein Mann in Wambaköwu, boten einen schrecklichen Anblick; sie lagen verwahrlost
im größten Schmutz da, und die Verwandten gingen mit ihnen um wie mit gewöhnlichen
Kranken, ohne selbst durch einfaches Waschen den Versuch zur Abwehr der
Ansteckung zu machen. Da außerdem in manchen Teilen des Landes die Sitte herrscht,
die Toten gemeinschaftlich, nämlich an einem bestimmten Tage im Jahr, dem bereits genannten
Totenfeste, in die Erde zu bestatten, während der ganzen übrigen Zeit aber
in Holzkisten direkt im Hause aufzubewahren, eine Sitte, über die Weiteres im Kapitel:
„Kopfjägerei“ berichtet werden soll, so wütet eine Epidemie hierzulande doppelt stark
und lange. In einer solchen Wohnung mit einem verwesenden Toten in undichtem Sarge
herrscht natürlich ständig ein scheußlicher Leichengeruch, und so gehörte für die Soldaten
der Aufenthalt hier nicht gerade zu dem angenehmsten.
Durch die Landschaft Mengkoka.
In W am b a k öw u (auch Wambaköwo) fanden wir niemanden, der uns den Weg
über das Grenzgebirge zwischen Rumbia und Membulu zeigen konnte. Dieses mußte
etwa in Nordwest-Richtung, östlich des Mendöke, überstiegen werden, wobei wir uns
hüten mußten, zuweit östlich zu kommen, da wir sonst in die Sümpfe von Andolo geraten
wären. Die Orientierung war jedoch des dichten Hochwaldes wegen sehr schwer.
Anfangs führten uns einige Wambaköwu-Leute in nördlicher Richtung über Nordwestlaufende
Rücken hinweg, auf einem Pfad, den die Sammler von Waldprodukten benutzen;
höher hinauf aber wußten sie schließlich nicht mehr ein noch aus und liefen dann in der
nächsten Nacht davon.
Am Flusse: U lu L a -E h a (ulu = Kopf, Quelle), etwa 140 m ü. M., übernachteten
wir zum ersten Male. Hier begegnete mir einer jener kleinen, der Insel Celebes eigentümlichen
Gemsbüffel (Anoa depressicornis H. Smith), der jedoch leider im Dickicht verschwand,
ehe ich zu Schuß kam. Der Wald ist an dieser Stelle zwar noch ziemlich licht,
jedoch wachsen hier infolge der Feuchtigkeit bereits viele Farne und Orchideen, Pfeffer
und andere Kletterpflanzen, Zimmt, sowie rankende Pa/zötewKS-Sträucher. Nach dem
6-tägigen Anblick der baumarmen Sandgebiete freute man sich, wieder einmal eine üppige
Vegetation zu sehen. Aber die Freude war keine ungelrübte, denn der Wald machte uns
schon sehr bald mit seinen unangenehmen Seiten bekannt. An unserem Körper, vor
allem den Beinen verspürten wir nämlich plötzlich ein unangenehmes Jucken, und es
zeigten sich überall kleine, harte, an einen Mückenstich erinnernde Schwellungen. Nach
dem Passieren von Wasserläufen wurde der Juck-Reiz fast unerträglich. Diese Erscheinung
wird durch eine winzige Milbe, die zu Tausenden auf den Büschen lebt, verursacht; erst
nach Wochen hatten wir Ruhe vor dieser „Waldkrätze“.
Am zweiten Tage erstiegen wir einen am La Eha-Fluß auslaufenden, dicht bewaldeten
Rücken, durch welchen erst 6 Leute einen Weg mit ihren Haumessern bahnen
mußten. Aus diesem Grunde und infolge der Abschüssigkeit des Erdbodens ging es nur
langsam vorwärts. Die Träger klagten sehr über Durst, schlugen Rottanstengel ab und
tranken gierig das herauslaufende Wasser. Hätten sie noch ein bis zwei Stunden ausgehalten,
so wäre die Kamm-Höhe, welche das Ziel des heutigen Marsches gewesen,
erreicht. Als aber plötzlich das Rauschen eines Wasserfalles an unser Ohr drang, eilten sie
alle Hals über Kopf zutal, fast 200 m abwärts, und waren nicht aufzuhalten. Mir blieb
nichts anderes übrig, als ihnen zu folgen. In der engen Schlucht des Lawang-kudu-
Flusses, und zwar oberhalb eines schönen Wasserfalles, fand sich eine halbwegs flache
Stelle, die knapp für 2 Zelte Raum bot. Die Haltseile der letzteren machten wir an
Bäumen und Sträuchern fest, die in den Felsritzen wurzelten. Trotz untergeschobener
Blöcke standen unsere Feldbetten auf schiefer Ebene unmittelbar am Steilabhang, gerade
keine befriedigende Vorbedingung für eine angenehme Nachtruhe. Unsere Träger suchten
und fanden ihren Schlafplatz in Löchern zwischen Gesteinsblöcken, aber unsere armen
Pferde hatten nicht nur einen sehr schlechten Stand, sondern auch kein Gras, und mußten
sich mit jungen Bambusblättern und einer guten Portion Reis begnügen.