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und der jetzt von einem Verwandten bewohnt wurde, während sich der regierende Fürst
mit einem vorläufigen, wenig königlichen Gebäude begnügen mußte.
Auf solche Äußerlichkeiten legt der Eingeborene weniger Wert, und auch wir müssen
die Erhabenheit dieses Ortes anerkennen; denn man hat uns eine halbe Stunde an seiner
Pforte warten lassen. Selbst der Kommandant der butonesischen Besatzungstruppe, sein
Offizierskorps und das ganze Regiment mußten beim offiziellen Besuch nach Landessitte
eine Stunde geduldig ausharren. Endlich, auf einen Wink des Ober-Zeremonienmeisters,
des Kenepulu, steigen wir, ganz vom Ernst des Augenblickes durchdrungen, die breite
„Palastleiter“ hinauf und nehmen im Vorraum Aufstellung. Schweigend ergreift der Kenepulu
meine Hand, schüttelt sie kräftig und lange, packt mich mit einem energischen Griff
unter den Arm und zieht mich fast tragend zum Sultan. Dieser sitzt unter einem bunten
Baldachin auf einem mit Purpurstoff belegten Sessel. Er ist ein gebrechlicher Mann mit
welkem, kraft- und ausdruckslosem Gesicht und scheint nicht nur alt, sondern durch Opium
und andere Genüsse entnervt zu sein.
Mühsam kommt er mir einige Schritte entgegen,
schüttelt lange meine Hand und,
diese festhaltend, schaut er mir eine ganze
Weile starr in die Augen, dann setzt er
meine Hand wieder in Bewegung, ein Vorgang,
der sich noch mehrfach wiederholt.
Trotz der Lächerlichkeit erwidere ich seine
herzliche Begrüßung mit tiefem Ernst,
durch Handgeschüttel und weit aufgerissene
Augen. Nach dieser Prozedur setzt man
mich auf einen mit gelbem Stoff belegten
Stuhl, und nun wird , auf. dieselbe Art
meine Frau vor seine P. S. den Sultan geschleppt,
wo sich die Empfangsszene wiederholt.
Als wir beide glücklich unsere Plätze
dem Fürsten gegenüber eingenommen haben,
herrscht langes tiefes Schweigen, ja, zum Ungeduldigwerden
lange, und wir haben reichlich
Muße, uns den H o f s ta a t anzusehen.
F ig . 90. D e r S t am m s itz d e r K a y am u d in , d e r S u l ta n e - B u to n s im
K r a to n v o n B o ljo .
Der S u l t a n selbst trägt den offiziellen langen, früher vom Lakina Muna schon
beschriebenen Kavaliersrock (balhadäda), mit gelbem, grün und roten Seidenbesatz und
breiten silbernen, in Zacken gelegten Litzen (Putjuk trebong-Muster, s. S. 48, Fig. 32), die
ebenfalls den Kragen verzieren. Sein Turban (bata-batäsi) zeigt auch die Königsfarbe, ein
leuchtendes Gelb. Weiß, die Kanten mit Silberfäden benäht, sind Weste (kotängo), Beinkleid
(säla aräbu), sowie Hüfttuch (bla), das durch einen breiten, mit prächtiger Goldschnalle
versehenen Gürtel gehalten wird. Goldgestickte Pantoffeln (sul6pe lapa-läpa) verhüllen die
nackten Füße, und im Gürtel steckt ein silberner Dolch, nach Landessitte mit Perlmuttergriff,
der von einem buntseidenen Taschentuch umwickelt ist. Doppelte Reihen dicker,
runder Knöpfe, zierlicher Filigranarbeit, schmjicken Aufschläge, Kragen und Weste.
Um den Herrscher stehen im Halbkreise1 die Reichsgroßen, Minister und sonstige
W ü r d e n t r ä g e r im Festgewande (kamondöna pakeäna), die Augen zu Boden gerichtet
und den Oberkörper leicht vornüber gebeugt. Alle Fürstlichkeiten sind ebenfalls mit einem
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schwarzen Rock bekleidet, nur daß Litzen und die Benähung mit Silberplättchen, je nach
Rang weniger reich und die Farben nie gelb, sondern rot, grün oder blau sind. Die Besätze
haben die verschiedensten Muster, ähnlich denen der Flechtwerke, und ihre unteren
Enden verlaufen in Ranken oder einem Blatt. Wie beim Sultan prangen vergoldete Knöpfe
reichlich aiif Rock und Weste. Einen höchst sonderbaren Eindruck machen die europäischen
Perücken, welche bei allen offiziellen Gelegenheiten getragen werden. Sie bestehen meist
sogar aus langem rotem Haar, einer Farbe, die von den Butonesen sehr geschätzt wird, aber
zu den dunkelbraunen Gesichtern durchaus nicht paßt, sodaß die großen Regenten in diesem
Aufputz direkt lachenerregend aussehen. Einer der hohen Herren, der Lakina Tumäda, hat
außerdem eine weiße, leicht rosa angehauchte Haut vom Kopf bis zu den Füßen; er ist
ein Albino (büla, auch der Mond) von widerwärtigem Aussehen. Die beiden ersten Stützen
des Reiches, Sapati und Kenepulu, unterscheidet eine dunkelblaue, um ein weißes Käppchen
(songko) gewickelte Kopfbedeckung (b^we poporöki) von den zahlreichen Königen, La Laki,
mit weißen Tüchern, und nur einer, der Lakina Lol£bu, zeichnet sich noch durch einen
reich mit Gold bestickten Turban aus. Bei offiziösen Gelegenheiten wird auch die gewöhnliche
lange Jacke (djuba) getragen, jedoch ist dann der niedrige Kragen mit Litzen
besetzt. Alle diese Regenten haben mehr oder weniger stupide Trinkergesichter, nur der
Lakina Bumbu (s. Taf. XX, Fig.. 3) ist ein aufgeweckter und intelligenter Buton-Fürst. Die
zahlreichen niederen Beamten, Bohatu, die Vertreter des Adels und Bonto, die des Volkes,
sind lediglich mit bis zu den Waden reichenden Buton-Jacken bekleidet (s. Taf. XX, Fig. 2).
Die von ihnen am höchsten im Range stehenden, die Minister (Bonto-ogena ( = groß, auf
Muna Bonto-baläno) und Borito-gampikaro fallen auf durch ihre schwarzen Zipfelmützen
(poporöki), ein in eine hohe Spitze ausgezogenes Kopftuch, und durch ihren langen
Herrscherstab mit Silberknauf (s. S. 144). Am farbenprächtigsten sind die Litnani oder
Lotunani, ein Name, dessen europäischer Ursprung (Leutnant) sofort zu erkennen ist. Sie
haben rote Hosen, schwarze Röcke mit grellrotem Besatz und Kragen, und über die gelbe
Weste mit schwarzem Latz ist eine ebenfalls rote, mit Glöckchen versehene Schärpe (runka-
rünka, Schotter) gewunden. Ihr Kopfputz (kälu) erinnert an Persien: ein Flügel mit federnbesetztem
Rand und ein litzenbenähter Halbmond mit Glöckchen wird von zwei dicken
wurstartigen Tauen zusammengehalten.
Hinter dem Sultan stehen acht P a g e n , die Söhne der Ersten des Reiches, niedliche
Knaben in bunten' Gewändern mit Seidenschärpe, weißer Jacke und farbigem Turban auf
dem kurz geschorenen Kopf. Sie halten das Reichsinsignium, ein langes Schwert der
ehemaligen Kopfjäger, dessen dicker Knauf mit Menschenhaaren besetzt ist, ferner die
täglichen, unentbehrlichen Genußmittel, Sirihpinang in einem großen Kasten, Zigaretten,
Zündkerze mit langer Lunte und einen Spucknapf.
Hinter unseren Sitzen sind die Lanzenträger, Mann an Mann aufgepflanzt, und rings
umher hockt das zahlreiche Gefolge der Fürstlichkeiten am Erdboden. Bei solchen Empfängen,
vor allem aber bei Festzügen (sabankäno) haben alle Teilnehmer, ihrem Range (suntjüna)
gemäß einen bestimmten Platz, und bei einem Gegenbesuch des Sultans oder des Lakina
Muna, wie er früher beschrieben wurde, ist die Anordnung folgende:
a u f M u n a : | a u f B u to n :
1. Kaplli metonküno galla Gampikäro mosadäna galla, Lanzenträger
2. Kaplli mentaräno gani beY-kampüeh | 2. Gampikäro mokeniäna kenia tepinäi, Schildträger
3.—6. Kaplli metonküno pandäga | 3.—6. Gampikäro mosadäna pandaga, Speerträger