Erst um 1 Uhr mittags, in ca. 3400 m Meereshöhe, werden die Nebel beständig,
und eine Wolkenhaube umgibt den Berg, aus der die grotesken Felspartien wie rätselhafte
Gebilde heraussehen.
Der bis dahin gut gangbare Aufstieg fing an beschwerlich zu werden, und kurz
darauf erkrankte einer meiner Leute unter krampfartigen Erscheinungen, sodaß ich gezwungen
war, ihn zurückzuschicken und sein Gepäck auf die übrigen vier zu verteilen.
Selbstverständlich stieß ich dabei auf großen Widerstand, den ich aber nach langem Hin-
und Herreden mit Hilfe meines Dolmetschers überwand.
Mit zunehmender Höhe ward auch der Weg schlechter, daher brauchte ich zu den
letzten 300 m volle 3*/a Stunden. Schuld daran war weniger die zunehmende Steigung, als
die locker gelagerte Asche und die Lapilii, die dem Fuße keinen Halt mehr gewährten. Bei
jedem Schritt gerieten Quadratmeter der Umgebung ins Rutschen, sodaß bald meine Stiefel
und in noch höherem Maße die unbekleideten Füße der Leute arg zugerichtet waren.
Mühsam mußte Stufe für Stufe geschlagen werden. Dazu ging der Nebel in feinen
Regen über, der alles durchnäßte. Besonders unangenehm empfand ich die ständigen
Temperaturschwankungen von acht Grad innerhalb weniger Sekunden, je nachdem uns die
eine oder andere Luftströmung erfaßte. Gelegentlich nur fiel ein schwacher Sonnenstrahl
durch die in bizarren Formen dahinjagenden Wolken, die h ierund da das geborstene Gestein
des Kraters durchblicken ließen. Weit blieben die Leute hinter dem Pamanku zurück, und
ich glaube, daß manche Wolke in ihren Augen die Gestalt von Geistern annahm, deren
Sitz der Rindjani ja sein soll.
Noch schritt der Pamanku lustig voran und ich bemühte mich beständig, ihm klar
zu machen, daß wir eigentlich schon oben seien und nur noch 50 Schritt zum Lagerplatz
hätten. Zu meiner großen Freude fand ich auch an ihm die Eigenschaft, die ich immer
bei den Priestern auf Bali gefunden hatte, den Humor, der ihnen über manche
Schwierigkeiten hinweghilft. Als dann gegen 2 Uhr die Spitze scheinbar ganz nahe auf
Sekunden sichtbar wurde, bekamen die Leute neuen Mut. Leider war der Regen jetzt sehr
heftig geworden und wir brauchten noch weitere U/s Stunden, ehe wir um 3‘/s Uhr nachmittags
den Stein erreichten, der mir schon einmal als Nachtlager gedient hatte. Keinen
trockenen Faden hatten wir mehr am Leibe und mit starren Fingern spannten wir, so gut
es ging, die'kleine Zeltdecke auf, die uns notdürftig Schutz gewähren sollte.
Im Spirituskocher bereitete ich etwas Tee. Meine vier Träger aber hockten dicht
zusammengekauert in ihren nassen Anzügen und noch nässeren Decken und setzten mit
vieler Mühe ihre Zigarette in Brand. Ich aber machte die niederschmetternde Entdeckung,
daß sich auch im Innersten meines Schlafsackes kein trockener Faden, dagegen eine vollständige
Sammlung nasser Aschen und Lapilii vorfand. Dazu das eintönige Klagen der
Leute, die die Nacht fürchteten, und die ich vergeblich zu überzeugen suchte, daß der;
abends aufgehende Vollmond schönes Wetter bringen würde.
Aber schon früher^sollte uns diese Freude beschieden sein. Batara, der gute Gott
des Rindjani, empfand wohl Mitleid mit uns frierenden Menschenkindern, zerriß die Wolken
und schickte uns noch einmal seine Sonne.
Infolge der großen Kälte konnten wir wenig schlafen. Meme nachts wiederholten
Hypsometer-Messungen ergaben, daß die auf meinem ersten Aufstieg festgestellte Höhe
richtig war. Zwar war heute die von mir beobachtete tiefste Temperatur 2,7°, während
auf dem ersten Aufstieg das Nachtminimum an einer geschützten Stelle, jedoch direkt auf
dem Erdboden, 1,9° betrug, wobei man annehmen darf, daß die Lufttemperatur noch um
0,3° niedriger war. Diese Nachttemperatur wird zu Zeiten des vollen Ost-Monsuns bei
klarem Himmel sicherlich auf 0° sinken. Bereits um 5 Uhr morgens herrschte eine
Temperatur von 4°, um 6 Uhr 4,6° und um 7 Uhr schon 10,5°.*)
Von der Rindjani-Spitze südwärts liegt der große Krater. Die steilaufragenden
Spitzen des zerrissenen Gesteins verhinderten jedoch einen Oberblick über das Ganze.
Ringsum fast senkrecht abfallende Steilwände, die nur im Osten niedriger sind, sodaß
man durch diese Einsattlung hindurch schon Baumgruppen des Abhangs erblickt. Auf
dem Boden des Kraters sieht man eine mit Rissen durchzogene, rotbraune Schlammmasse,
die im Südosten einen Wassertümpel stehen läßt.
Am Fuße der Kraterwände entströmten weiße Dämpfe dem Boden, und es gelang
mir, von außerordentlich schwierigem Standpunkte aus, der kaum dem Apparate Platz
gewährte, sodaß die Leute mich am Seil halten mußten, Aufnahmen des interessanten
Bildes zu machen (Taf. X, Fig. 2).
Die Fernsicht war nicht besonders günstig. Wohl lag ganz Sumbawa zu meinen
Füßen, außerordentlich flach erscheinend; auch ließ sich Lombok gut übersehen, aber schon
von Bali waren nur die Bergspitzen des Agung und Abang erkennbar.
Bis 10 Uhr morgens beschäftigten mich meine Messungen; als größte Wärmestrahlung
der Sonne stellte ich um 9 Uhr 59,4° fest, während ich früher am 18. Mai.um 12 Uhr 64,2° C.
(solar) gemessen hatte.
Meine Absicht, nach Osten zum Pussuk-Berge hinabzusteigen, nriußte ich nach
einstündigem Versuch wegen der großen Gefährlichkeit und Aussichtslosigkeit aufgeben;
deshalb ging ich meinen alten Weg zurück. Bei strömendem Regen gegen 4 Uhr nachmittags
waren wir wieder in unserer Laubhütte auf Plawangän, wo wir uns gründlich am Feuer
durchwärmten, Am nächsten Tage erfolgte der Abstieg nach Sembälun, und am sechsten
Tage nach unserer Trennung konnte ich mich, früher als erwartet, mit der Expedition in
Swäla wieder vereinen.“
Es dürfte vielleicht interessieren, daß Gründler sowohl wie v. Schaik beim Blick
von der Spitze in den Krater die Farbe des Kraterbodens mit rötlich bezeichnen, und Tiefe,
wie Durchmesser des Kraters mit etwa 1000 m angeben, optische Täuschungen, wie
ich sie in den Gebirgen der Tropen öfter erlebt habe. Mein späterer Besuch des Krater-
innern ergab eine graugrünliche Farbe des Bodenschlammes, eine Tiefe von nur 474 m
und einen Durchmesser von 315 m.
In dem v. Schaik’schen Bericht findet sich die Angabe, daß bei der Besteigung der
Rindjani-Spitze die Uhr stehen geblieben und später beim Abstieg in etwa 3000 m von
selbst wieder zu gehen begonnen habe. Dasselbe passierte Gründler und mir beim Aufstieg,
nur eine Fünfmarkuhr, ein Tauschartikel, hielt sich bis zur Spitze.
Unsere Binocles zeigten merkwürdigerweise auf dem Gebirge Trübungen, vielleicht
durch Spannung in der Kittungsfläche der Linsen, die nachher in der Ebene wieder verschwanden,
doch bildeten sich auf den Sprüngen später Pilzkolonien.
Die zweite von Gründler ausgeführte hypsometrische Höhenmessung ergab auch eine
ganz gute Übereinstimmung mit der vom topographischen Dienst gemachten trigonometrischen
Messung von 3775 m. Es besteht jedoch eine Differenz von 175 m zwischen der
Aufnahme der Siboga-Expedition „H. M. Schiff Tromp“**) und derjenigen der topo-
*) Diese Messungen Gründlers sind bemerkenswert wegen der für die Höhen unverhältnismäßig
hohen Temperatur und der auffallend früh am Morgen auftretenden Erwärmung. Anm. d, Verf,
**) Hydrograph. Resuits of the Siboga-Expedition No. III. Leiden 1903,