Nach U/s tägiger Fahrt kam das nördlichste der Tukang-besi-Eilande, Wandj i , in
Sicht (s. Karte No. 3). Es ist 19 km lang, 13 km breit und trägt auf seiner Nordwest-Ecke
bei Waha, etwa 129 m ü. M., einen Leuchtturm, den einzigen Wegweiser für die Schiffe von
und nach Neu-Guinea durch diese gefürchtete, riffbesetzte Inselwelt und die stromreiche
Straße zwischen ihm und Buton. Wandji, fälschlich auch Wangi-Wangi*) genannt, ist aus
Korallen aufgebaut, und seine schneeweißen Kalkfelsen mit der grünen Haube eines leichten
Laubwaldes leuchten weithin. Hier im Norden fällt der Strand unter dem Wasserspiegel
steil ab, sodaß das Schiff, Während wir das Innere besuchten, draußen unter Land treiben
mußte. Später gingen wir an der Südwest-Seite beim Dorfe Wandji in einer seichten Bucht,
die eine unterseeische Brücke mit der Nachbarinsel Kambode bildet, vor Anker. An dieser
Stelle genießt man in geradezu unübertrefflicher Weise die Wunderwelt des Meeresbodens.
Soweit das Auge das grüne Wasser durchdringt, schaut man eine weite, prachtvolle Korallenwiese,
aus der die hellblauen Spitzen der Madreporen-Zweige wie glitzernde Edelsteine
hervorleuchten. In dem Gewirr von Ästen, Zacken, Spitzen, Lappen, Wülsten, Knollen und
Blättern schwimmen die buntfarbigsten Fischlein umher, Tiere von feurigem Rot bis zu
Himmelblau, silbern und goldig schimmernd, ruhig, wie in einem Aquarium. Aus allen Ecken
lugen Weichtiere hervor, Seerosen in prächtigen Farben bewegen rotierend ihren zierlichen,
blumenähnlichen Kranz von Füßen, und ungeschickte Polypen versuchen träge ihre Beute
zu erhaschen; große rote See- und blaue Schlangensterne umklammern die schleimigen
Klötze, und braunstachelige Seeigel lauern, verborgen im Korallenmoos, auf ahnungslos
des Weges ziehende Krustentiere, — ein Idyll der glasklaren Fluten. —
Am Strand war kein Mensch zu sehen, und geradenwegs gingen wir mit unseren
Leuten, die sich schwer bewaffnet hatten — denn die Bevölkerung galt als bösartig.
zum Dorf. Dieses wird von hohen und starken Mauern aus aufgetürmten Korallenblöcken
umgeben, sodaß es völlig einer Festung gleicht. Bei unserem Eintritt sahen wir die Leute
aufgeregt hin und her rennen. Männer und Frauen eilten schwer bepackt der landeinwärts
liegenden Seite zu, wie es schien, um ihre Habe in Sicherheit zu bringen.
Die B e w o h n e r von Wandji sind nämlich im Archipel als berüchtigte Seeräuber
bekannt, und trotzdem alle drei Monate ein Kriegsschiff den Leuchtturm besucht, kommen
immer wieder Beraubungen von Segelboten vor. Im allgemeinen sollen sie zwar vom
Fischfang (Fig. 77) leben, doch sind die Gewässer hier so fischarm und der Ackerboden so
wenig ertragsfähig, daß die Bevölkerung von der Natur direkt auf den Seeraub angewiesen ist.
Wandji hat seine eigene, an Bonerate in der Flores-See erinnernde Sprache, seinen
eigenen Herrscher und seine eigene Geschichte, die uns berichtet, daß seine Bewohner
stets hier gelebt haben. A n t h r o p o l o g i s c h nehmen die Wandjinesen eine Stellung zwischen
den Bewohnern von Süd-Buton und der Küste von Buru ein. Die Leute des gleichnamigen
Dorfes selbst dürften eine größere Ähnlichkeit mit denen Butons, die der Nachbargemeinde
Mendati mit denjenigen von Buru und Ambon haben, also stärker mit jungmalayischen
Elementen der Küste vermischt sein. Die ersten sind wie die Butonesen ziemlich groß,
haben kräftige Nasen, struppiges, lang-, seltener engwelliges Haar und starken Bartwuchs
(Taf. XVI, Fig. 1), die anderen sind kleiner, meist vom Mittelmaß, haben breite, platte
Nasen und sehr schlechten oder fehlenden Bart.
Beide Typen tragen das Haar nur eine handbreit lang, bekleiden sich ähnlich wie
die Butonesen mit einer bis zu den Knöcheln reichenden Jacke und zeigen in ihrem Be*)
Bleeker, P., Reis door de Minahassa en de Molukschen Archipel No. 2. Batavia 1856. blz. 335.
nehmen und Kulturzustande etwas vom Wesen eines entwickelteren Malayen-Stammes. An
den Männern fielen mir die zahlreichen Narben auf, wahrscheinlich zum größten Teil Andenken
von ihren Raubzügen.
Irgendwelche Hausindustrie wird nicht gepflegt, sondern man benutzt nur importierte
Dinge. Der Stoff zu ihren Kleidern ist meist butonesischen, der zu den Kopftüchern
makassarischen Ursprungs, und auch der größte Teil der Flechtwerke dürfte nicht
im Lande selbst entstanden sein, doch werden Gebang-Palmblätter eingeführt, aus deren
Fasern die Eingeborenen Netze und Schiffstäue verfertigen. Ihre Schiffe bauen sie sich
selbst, meist nach buginesischem Muster, und die Planken dazu holen sie von anderen Inseln,
da ihre Bäume nur schlechtes Material liefern.
Die H äu s e r auf Wandji liegen je in einem umzäunten Hofe. Sie sind, wie immer
bei den Küstenbewohnern, Pfahlbauten und ihre Wände bestehen bald aus Brettern, weniger
aus dem hier kostbaren Bambus, bald nur aus Palmblättern, die auch neben Bambusschindeln
die Dachbedeckung bilden. Man beobachtet, wie sich die Leute mit dem Wenigen,
was die Insel liefert, zu begnügen gelernt haben und alles auszunutzen verstehen. Auch im
Innern zeigen die Häuser, die in Wandji zwei und im Norden der Insel nur ein Zimmer haben,
die größte Dürftigkeit; überall sieht man, daß die Bewohner dem Seeraub ihre Existenzmittel
verdanken. Nur durch ein Fensterchen konnte ich hineinschauen, denn der Eintritt
wurde uns hartnäckig verweigert. Ein höflicher Versuch Gründlers, von der Tür aus einen
Blick ins Haus zu werfen, beantwortete man ihm mit einem Stoß gegen die Brust, so daß
er hinausflog. Als ich dennoch die Besichtigung eines Hauses verlangte, bat man um eine
Frist, alles in Ordnung machen zu dürfen, und nun mußte ich sehen, wie die bewegliche
Habe zur Hintertür hinausgetragen wurde. Da diese Arbeit, das Raubgut fortzuschaffen,
kein Ende nehmen wollte, verzichtete ich darauf, die leeren Räume anzusehen. Auch im
Mendati-Dorf hatte ich nicht mehr Glück und mußte mich begnügen festzustellen, daß hier
außer einem Schlaf- und Kochraum (sembäle) noch eine Vorgalerie (gelämpa) vorhanden war.
Was den Gl a u b e n der Bewohner von Wandji betrifft, so bekennen sie sich zum
Islam, doch die einzige Moschee, welche nur aus einem zerfallenen Gerüste besteht,
sowie vor allem die vielen Opferhäuschen (wata-watang-dangan) an der Küste und in den
Dörfern belehren mich eines anderen. Diese werden nach ihrem Glauben von unsichtbaren
Wind- und Wassergöttern besucht, denen allerlei Gaben, meist Eßwaren, Bananen und Eier,
hingelegt werden. Ganz kleine, lediglich aus einem Dach auf einem Pfahl bestehende
Hüttchen unmittelbar neben der Treppe des Hauses sind die Opferplätze für die Seelen der
verstorbenen Eltern, die bei Krankheitsfällen angerufen werden. Die gleichen Einrichtungen
am Strand aber gelten den bösen Geistern, denen der Wandjinese vor Antritt einer Seefahrt
Gaben darbringt, um sie günstig zu stimmen. An einigen Stellen des Dorfes trifft man
noch kleine Hüttchen auf 4 etwa 3 m langen Pfählen, welche Miniatur-Wohnhäuser darstellen
sollen. In diesen leben nämlich gemeinschaftlich die Seelen der Ahnen einer ganzen
Familie. Sie sind die besonderen Schutzgeister des Dorfes, und ihnen wird das für dieses
Land Kostbarste, der Reis, dargebracht. Zu ihren Ehren werden besondere Feste nach dem Aufhören
der Regenzeit, nach einer gewinnreichen Seereise oder als Bittfeste bei Epidemien gefeiert.
Während diese Einrichtungen und Anschauungen den heidnischen Animismus
kennzeichnen, begegnet man bei der Totenbestattung wieder muhamedanischen Gewohnheiten.
Die Leiche wird auf die rechte Seite gelegt, das Gesicht nach Westen gerichtet;
das Grab erhält 2 Stein- oder Holzdenkmäler, eins in Höhe der Brust und eins oberhalb
der Knie des Toten. Es besteht jedoch wie in Ost-Buton aus einem 1—U/s m hohen,