Glaube, Sitten und Gebräuche.
R e lig io n . Muna hat in dem langjährigen, gegen seine Bewohner geführten Vernichtungskampfe
seinen alten Glauben, sowie seine ehemaligen Sitten und Gebräuche bis
auf einige Reste fast gänzlich eingebüßt.
Von seinen Bewohnern bekennen sich die der Reiche Muna und Tiworo zum Islam
und haben Moscheen an verschiedenen Punkten, z. B. der früheren Hauptstadt Muna, in
Tiworo, Löhia und Tongküno. Nur im südlichen und westlichen Teile des Landes wohnen
noch Heiden, u. a. unweit Lombai im Dorfe Bombona-wulu bei Laküdo. Sie verehren dort
ähnlich wie im östlichen Buton die Seelen ihrer Eltern, denen sie kleine Häuschen (klambu-
lambu) erbauen und in denselben Opfergaben zu verschiedenen Zeiten des Jahres und bei
Krankheiten niederlegen. Den Seelen der älteren Generationen, die nicht scharf von den
Geistern unterschieden werden, schreiben sie allerlei Einflüsse au! den Menschen zu, so sollen
dieselben die Krankheiten bringen und den Regen festhalten. Es werden deshalb ihnen zu
Ehren bei Eintritt des West-Monsuns Opferfeste gefeiert, kleine Opferhüttchen an den Straßen
und am Meeresstrande errichtet und Gaben dargebracht (dowäran dini). Die Anschauungen
über einen Gott oder Geist der Winde und Wasser, welcher den West-Monsun beherrscht,
sind sehr unklar.
E h e g e b r ä u c h e . Wie in den Königreichen Muna und Tiworo der Islam bereits
festen Fuß gefaßt hat, so sind die Rechtsverhältnisse dementsprechend umgestaltet. Wenn
auch das Hadjitum hier nicht in dem Maße wie in Sumatra und Java sein Unwesen treibt,
so hat doch der Priesterrat, der Sarat Igame, mit seinen Imämus, Hatibis, Motjis und Mo-
kimos eine große Gewalt, besonders durch das Schließen und Trennen der Ehen.
Wie bei den Muhamedanern ist das Mädchen sozusagen Handelsware und das Brautgut
ein Kaufgeld geworden; oft sollen Eltern ihre Töchter ohne deren Wissen und Einwilligung
verhandeln. Geiällt aber dann dem Mädchen der Ehekandidat nicht, so wird allerdings
meist das Geld zurückbezahlt. Es bestehen auch bestimmte Preissätze, und zwar folgende:
Unter Gleichgestellten zahlt der Maradika, ein gemeiner Mann, 10 Reali, der Bonto,
ein aus dem Volk hervorgegangener Regent, 20, der Bobatu, ein adeliger Regent und der
Kapita-lau, ein Kapitän der früheren Seemacht 30 und der Sohn des Lakina Muna 1000 Reali.
Wenn jedoch ein Höhergestellter eine Maradika heiraten will, dann braucht ein Adeliger,
La Öde, Kapita-lau oder Bobatu nur 20 Reali zu geben, will aber umgekehrt ein Gewöhnlicher
ein adeliges Mädchen, WaÖde, ehelichen, so zahlt er 100, während ein Bonto nur 30 und
schließlich ein Bobatu für eine Tochter des Lakina Muna 1000 Reali geben muß. Die Mitglieder
der Ho-Era, die Volksvertreter der 4 Landschaften, Anaq Sara genannt, haben für eine Maradika
10—20, für eine WaÖde 30 Reali zu entrichten. Da ein Reali nun 24 itji zu je 10 Cent
(gleich 1 Kupa Muna oder 2 Kupa Buton), also 2,4 Gulden beträgt, so machen die Eltern
für dortige Verhältnisse beim Verkauf ihrer Tochter ein ganz gutes Geschäft. Die Zahlung
findet meist noch in Naturalien statt, da das von Buton eingeführte holländische Geld noch
sehr spärlich ist und auf den Märkten der Tauschhandel, sowie die Bezahlung mit Gambir-
Würfeln (12 Stück J 1 Cent) die Hauptrolle spielt.
Hindernisse für das Zustandekommen einer Ehe bestehen außer der direkten Blutsverwandtschaft
nur im Stand, so z. B. zwischen der Tochter eines Kapita-lau oder Lakina
mit einem Maradika, der eine Übertretung des Verbotes mit dem Tode bezahlen muß.
Die T r a u z e r e m o n i e ist natürlich muhamedanisch, und der Imämu vollzieht sie
in Abwesenheit der Braut. Er legt seine Hand in die des Bräutigams, drückt Daumen
gegen Daumen und spricht dabei das „Toba“, eine arabische Gebetsformel.
E h e s c h e id u n g . So leicht wie die Ehen geschlossen werden, so bequem ist auch
die Scheidung. Der Mann schickt die Frau zu ihren Eltern zurück und verzichtet auf das
Kaufgeld; die Frau muß erst den Sarat Igame um Hilfe anrufen durch Vermittlung eines Volksvertreters,
des Mantri (Bonto). Zur Einleitung dieser Beschwerde haben jedoch die Eltern
Mantri und Sara tüchtig zu bezahlen. Der Mann hat noch eine zweite Vergünstigung
gegenüber der Frau. Er darf nämlich sofort nach der Scheidung wieder heiraten, während
die getrennte Frau, dem muhamedanischen Brauche entsprechend, 100 Tage warten muß.
Zwar gestattet der Islam seinen Anhängern bis zu 4 Frauen, doch hat das Volk wegen seiner
Armut für gewöhnlich nur eine, die Adeligen vereinzelt auch zwei.
Wie die Ehegebräuche, so werden auch die B e g r ä b n i s z e r e m o n i e n nach muha-
medanischem Ritus ausgeführt. Man zündet Weihrauch auf den Gräbern an und am 3., 7., 40.
und 100. Tage nach der Beerdigung findet zu Ehren des Toten ein Festmahl statt.
In der Buton-Straße.
Unser Aufenthalt auf Muna kann nicht zu den angenehmsten gezählt werden: Die
Hitze empfanden wir mehr als auf Java und Lombok; kaum daß während der ganzen Zeit
ein Tropfen Regen f i e S Der Himmel war stets heiter und erschien im Gegensatz zu Java
sehr wenig bewölkt, die trockene Luft sog die Feuchtigkeit merkbar aus unserem Körper,
und der steinharte Boden strahlte ein für die Augen schmerzhaftes Licht und erdrückende
Glutfülle aus. Selbst der in der Nähe der Küste wehende leichte Wind machte sich uns
fühlbar wie ein heißer Atem. Die Natur kochte gleichsam. Das Gras auf den Hügeln war
verdorrt, die Blätter regneten raschelnd von den Bäumen; alles Getier hielt sich über Tag
ängstlich verborgen, und die Menschen schlichen träge einher.
Nach den Touren durch das Land (wie sie die Karte No. 3 angibt) galt ein Besuch
der Meeresstraße zwischen Muna und Buton. Schon belt.ünserer Ankunft in Buton hatte
ich unter den zahlreichen Schiffen auf der Reede in dem australischen Perlfischer „Kolumbia“
ein geeignetes Fahrzeug für unsere Celebes-Expedition gefunden. Drei größere Segelboote
standen zur Wahl und ein Wettfahren sollte entscheiden. Leicht wie eine Schwalbe schoß
die „Kolumbia“ unter Gründlers Führung durch die bei Bau-bau breit ausladende Bucht
(Fig. 79) dahin, die anderen weit zurücklassend. Sie wurde von .mir auf drei Monate gechartert
und leistete uns vorzügliche Dienste.
In der Nacht vom 8. August 1909 setzten wir mit diesem Segelboot von Raha in
fünfstündiger guter Fahrt durch die Buton-Straße nach L eb o an der Nordwest-Küste Butons
über. Dort machten wir die unliebsame Entdeckung, daß alle Bewohner bis auf einen
kranken Mann davongelaufen waren. Da dieser auf unsere Fragen nach dem Dorfe Nunu,
welches wir besuchen . wollten, keine Antwort gab, fuhren wir auf gut Glück die Küste
entlang südwärts und gelangten nach B o n e auf butonesischen Boden.
Die am Strande beschäftigten Menschen, selbst die in den Fischerbooten, nahmen
bei unserem Anblick Hals über Kopf Reißaus, alles im Stiche lassend, wie wir dachten aus
Angst vor unseren Soldaten. Kaum hatten wir jedoch in den Einbäumen, mit denen
wir auszubooten pflegten, uns dem Ufer genähert, als eine Horde bewaffneter Männer mit