ein weißes Mulläppchen eingewickelt, damit die zartbeschuppte Haut auf dem Seetransport
nicht leide, ein Verfahren, das sich vortrefflich bewährt hat.
Als ich mich eines Abends, von meiner Tätigkeit ermüdet, schon frühzeitig zur Ruhe
begeben hatte, wurde ich gleich nach 10 Uhr durch ein kräftiges Pochen geweckt. Auf
meine Frage antwortete mir Mäsila. Da ihn nur eine wichtige Nachricht um diese Stunde
hierher führen konnte, eilte ich schnell, in meinen Kimono gehüllt, auf die Vorgalerie und
sah zu meiner unangenehmen Überraschung im Halbdunkel eine schweigende Menschenmenge.
Ich rief nach Licht, tind beim Schein der Petroleumlampe präsentierte sich mir
eine ganze Schar Männer, Frauen und Kinder. Mäsila trat stolz vor, reichte mir mit einer
nonchalanten Bewegung die Hand und erklärte feierlich, mit seiner Familie und der ganzen
Verwandtschaft gekommen zu sein, um mir seinen Gegenbesuch zu machen. Als liebenswürdige
Hausfrau unterdrückte ich mein
Erstaunen über die gewählte Stunde, hieß
die Gäste willkommen und bewirtete sie
mit Limonade und Biskuits. Unfrisiert saß
ich dann zwischen den festlich geschmückten
Frauen, die sich wirklich alle sehr schön
gemacht hatten; frisch gewaschen und gekämmt,
reich behängt mit Gold- und
Siiberschmuck, die losen Seidenjacken
mit schweren Spangen geschlossen. Alle
schauten mich erwartungsvoll an und
schienen sich über meine offenkundige
Bewunderung zu freuen, doch gesprochen
wurde fast nichts; meine Bemühungen,
ein Gespräch mit ihnen anzuknüpfen, blieben
erfolglos, man nickte nur und lächelte.
Die Männer standen steif herum, die Kinder
waren artig und dankbar für die gespendeten
Kuchen. Sichtlich zufrieden mit
ganze Gesellschaft, und ich konnte meine
F ig . 117. G e f lo c h te n e s K in d e r s p i e l : e in H a ifis c h ( u n te n ) B a b y -R a s s e ln ,
e in e in d e r F o rm e in e r D u r i a n - F r u c h t (M itte r e c h ts ) , e in V o g e l u n d
K r e is e l (o b e n ) ,
sich und mir verabschiedete sich endlich die
unterbrochene Nachtruhe wieder aufnehmen.
Noch einmal störte man mich während der Zeit meines Alleinseins im Schlafe:
Ein Dieb hatte sich in unsere Küche geschlichen und wurde von meinen Leuten entdeckt
und vertrieben. Sonst fühlte ich mich ganz geborgen in meinem Pasanggrahan, trotzdem
derselbe außerhalb des Kasernements lag und keinen Wachtposten hatte.
Am 25. August kehrte auch mein Gatte nach Bau-bau zurück, dem ich nunmehr
das Wort wieder überlasse.“
Für die wenigen Europäer ist das Leben in Bau-bau sehr eintönig. Das Kommen
und Gehen der Fürstlichkeiten mit ihren wallenden, roten Haarperücken und bunten Jacken,
sowie der Dolmetscher in ihrer absonderlichen Tracht verliert schnell seine Anziehungskraft,
ebenso das Dorfleben und das geschäftige Treiben im Kasernement mit seiner gleichmäßigen
Pünktlichkeit. Nur die von Zeit zu Zeit erscheinenden^Postdampfer bringen etwas Abwechslung,
und das Meer, das wie ein großer, runder See bald im Sonnenglanze leuchtet, bald
tot und bleiern daliegt, im Dunst der weiten Ferne verschwimmend, gewährt durch seinen
Wechsel von Ebbe und Flut wie durch den Seewind die so nötige Erfrischung des in
Tropenglut erschlaffenden Geistes. Abends aber, wenn die Sonne lange Schatten in den
Palmenhain wirft, wenn der Meeresspiegel weithin funkelt und schließlich mit feurigem
Rot in dem Dunstkreis untertaucht, dann bietet das weite Wasserbecken einen köstlichen
Anblick. Wie in Feuersglut schwimmen die Inseln, und die Schiffe tanzen wie Perlen auf
der Wasseroberfläche. Ein Meer von Flammen liegt über dem schwarzen Streifen Munas
und scheint aus der Spitze des Wadia bdro, der von leuchtenden Wolken umlagert wird,
wie aus einem Vulkan herauszuzüngeln. Gespenstig ragen die dünnen, gerade abstehenden
Äste der Kapokbäume, durch welche man am Ufer Butons hindurchsieht, in die Lüfte.
Tiefer sinkt die Sonne, gelbe Töne mischen sich in das weiche, lichte Rot, und die See
erglänzt für Augenblicke wie flüssiges Gold. Ein lachsfarbiger, sanfter Schein, abwechselnd
mit prächtig resedagrünen Flächen, violetten Streifen und Fetzen lagert mit herrlichem
Farbenschmelz auf dem ganzen Himmel. Immer matter wird das Licht, violetter und dunkler
der Horizont; die Sonne taucht unter, und langsam gleitet ein schwarzer Schleier über die
Erde. Schon glaubt man die Sonne zur Ruhe gegangen, als unerwartet alles noch einmal
in geheimnisvollem Lichtschein erstrahlt, nach kurzer Zeit verschwindet auch dieser wieder,
aber ungleichmäßig, sozusagen ruckweise; infolgedessen beginnt die ganze Natur sich zu
bewegen, sodaß man glaubt, eine Märchenwelt ziehe vorüber:
Der Sonnengott auf seinem Himmelswagen schaut sich noch einmal um, das
Meer nimmt die Farbe von frischem Blut an, und der Himmel wölbt sich wie ein ame-
tystener Baldachin darüber. Ein geheimnisvolles Gefühl beschleicht uns. Im Kontrast der
Lichter glaubt man in den tiefsten Abgrund des Meeres, in die verborgensten Winkel des
Waldes zu schauen. Die Erde brennt, die Grashalme werden zu tausend Flämmchen. Im
Haine hinter uns erglühen die Palmen in magischer Glut, und vor uns huschen ihre
Schatten wie Kobolde über den Erdboden. Am Strande blitzen die Kalkfelsen, und Nixen
tanzen am Ufer. Auf den Wiesen werden die Büsche zu Elfen und führen einen blumengeschmückten
Reigen auf. Die Felsklötze lugen wie Gnomen neugierig aus dem Erdenschoß,
und am Fluß erheben sich weiße Wölkchen, eilen wie Geister zum Waldrand, wo sie mit
den Nymphen ihr neckisches Spiel treiben. Die Palmkronen wiegen wie Gespenster ihre
büscheligen Häupter. In den Bäumen wird es lebendig: große Klumpen lösen sich von
den Zweigen, steigen wie finstere Drachen gen Himmel; mehr und mehr bevölkern sich
die Lüfte, und leise rauschen Scharen von fliegenden Hunden gen Osten. Hunderte und
tausende derselben folgen wie schwarze Wolken. Endlich kommt die Nacht, der Zauber
ist fort, der Sonnenball endgültig im Meere versunken. Das ist ein Sonnenuntergang
auf Buton!
Einige Tage vor Ankunft eines Paketfahrt-Dampfers verändert sich das gewöhnliche
Bild der Ruhe. Die Händler schaffen ihre Waren in die Leichter; von allen Seiten
kommen die Segelschiffe der Eingeborenen herbei, und bald wimmelt es auf der Reede
von großen und kleinen Fahrzeugen. Je näher die Stunde des Erscheinens heranrückt, desto
ungeduldiger wird die Dorfjugend und eilt im Laufschritt auf den nördlichen Landvorsprung.
Kommt dann der Dampfer in Sicht, so ertönt ein vielstimmiges Geschrei: „Kapal, kapal“ ; —
und alle stürmen davon. Bald darauf erscheint auf dem hohen Mast des Kratons die
holländische Flagge. Eine Unzahl kleiner Nachen umschwärmt den Ankömmling und
nackte Knaben klettern an Bord, um den Reisenden schreiend ihre Waren, Früchte, Hühner,
Eier, Kakadus u. a., zum Kauf anzubieten. Den Lärm übertönt das Gerassel des Dampf-
krans, der die mächtigen Ballen der Landesprodukte in dem weiten Rumpf des Schiffes
verschwinden läßt.