erhobenen Lanzen und gezückten Dolchen uns entgegenstürzte. Schnell ließ ich ihnen
durch den Dolmetscher, der bereits aus dem Boot gestiegen war, einige beruhigende Worte
zuruien, und als sie dann meine Frau wahrnahmen, glaubten sie an unsere friedlichen Absichten
und ließen ihre Waffen langsam sinken. Es dauerte garnicht lange, so saßen wir
mit den Eingeborenen in Eintracht vor ihren Hütten nebeneinander, tranken das übliche
Kokosnußwasser, und selbst die Frauen wagten sich hervor.
Das von Kolonisten aus Muna besiedelte Dorf Bone hat uns wenig Neues gebracht. Ein
malerisches Häuschen unter buschigen Palmen, von denen eine in das Haus hinein gebaut
ist, mit Wänden aus Baumrinde und einem niedrigen Grasdach (Taf. XVIII, Fig. 2) wurde
bereits (S. 157) erwähnt. Die munanesischen Ansiedler beschäftigen sich mit Gartenkultur
und Fischfang, der sonst kaum von diesem Volke betrieben wird.
Mit Hilfe eines Führers fanden wir den Eingang in den N u n u -F lu ß , der in einem
Mangrovendickicht versteckt lag. Ich schickte zunächst den Unteroffizier mit einigen Soldaten
und dem Dolmetscher Mäsila ans Land voraus, doch als die Einbaumboote garnicht zurückkehrten,
winkie ich einen gerade in der Mündung des Flusses mit seinem Boot erscheinenden
Fischer zu mir heran. Ein etwas munanesisch sprechender Soldat versuchte ihm klar zu
machen, uns zum Dorfe Nünu zu bringen, was er auch zu tun versprach, ln dem kleinen
schmalen Fahrzeug hatten knapp meine Frau und ich Platz, und wir mußten mit ein-
gezogenen Knien steif wie die Puppen am Boden sitzen, denn schon sank es fast bis zum
Rand ein. Jede leise Körperbewegung bewirkte drohende Schwankungen, welche Wasser
eindringen ließen. Unweit unseres Schiffes bekamen wir eine nicht gerade angenehme
Begleitung in zwei jungen Haien. Sie spielten, tauchten behende untereinander her, sprangen
aus dem Wasser und waren bald vor, bald hinter unserem Boot, schwammen unter ihm
her und brachten es in Gefahr, umzuschlagen. So waren wir denn recht froh, als der
stille Magrovenwald uns aufnahm. Kaum waren wir jedoch den wachsamen Augen -der
Soldaten an Bord entrückt, als der Bootsführer hinter uns vorsichtig sein Haumesser
lockerte, worauf sich meine Frau unwillkürlich umwandte und die erhobene Waffe gewahrte.
Sie warf ihm lächelnd einen Blick zu und munterte ihn mit einer Handbewegung auf, sein
Ruder wieder zu ergreifen. Der Mann> der wohl nur aus Angst so gehandelt hatte, legte
beschämt wie ein ertapptes Kind sein Mordwerkzeug zur Seite und lenkte das Boot weiter
flußaufwärts durch die Mangroven.
Das Überschwemmungsgebiet einer Flußniederung gibt eine gute Vorstellung von
einem solchen Wasserwald. Die unteren Teile der tropischen Rhizophoren-Bäume stehen
im Wasser, das Straßen und offene Flächen bildet, durch Buschdickichte eingeengt wird,
aber ungehindert durch den Wald hindurchfließt, solange Flut herrscht. Erscheint dann
bei Ebbe das Land, so erblickt man die vielarmigen, knorrigen, zum Halten in dem
schlammigen Boden wie geschaffenen Wurzeln. Eine Fußwanderung in einem solchen
Mangrovensumpfe gleicht einer mittelalterlichen Marterqual. Die zahllosen Zapfen der
jungen Baumsprossen und die alten Stümpfe ragen dicht wie bei einem frisch aufgeschossenen
Spargelbeete empor, sodaß man über Nagelspitzen zu schreiten glaubt; dazu versinkt man
bald im Moraste, bald gleitet man auf den schlüpfrigen Wurzeln aus.
Am Nunu-Fluß war gerade zurücklaufende Springflut, und mit gewaltiger Kraft
strömten die schmutzigen, salzigen Wasser durch den Wald zurück zum Meere. Unser
Ruderer mußte hart mit der Strömung kämpfen, das Boot schwankte bedenklich, und ab
und zu ergriff uns ein zu tief herabhängender Zweig, schüttelte unsere Nußschale und
füllte sie zum Teil mit Wasser, sodaß meine Frau und ich gezwungen waren, beständig zu
schöpfen. Hier mußten wir unter umgestürzten Baumstämmen hinwegschlüpfen, an anderer
Stelle uns zwischen Zweigen und Wurzeln hindurcharbeiten. Die Fahrt schien endlos, und
lang wie1 eine Riesenschlange zog sich der Fluß durch den Wasserwald. Uber uns schlossen
sich oft die Bäume mit ihren schönen glänzenden, lederartigen Blättern und ihren gelbgrünen
unscheinbaren Blüten zu einem Dache zusammen, unseren Weg in Halbdunkel
einhüllend. An einer Flußbiegung schoß wie ein Pfeil ein mit sechs wüst aussehenden
Männern besetzter Einbaum an uns vorüber, Leute, die sich auf der Flucht vor den
Soldaten befanden.
Steif an allen Gliedern und durchnäßt betraten wir endlich das Land. Über die
letzten Stoppeln des Mangrovenwaldes hinweg, durch Gestrüpp und mit langem Rohr bewachsene
Moräste, durch von hohen, Farnen erfüllte Graswildnisse erreichten wir endlich
das Dorf Nunu. Ein friedlich des Wegs kommender Mann ließ bei unserem Anblick vor
Schreck seine Last fallen, griff blitzschnell zum Dolche und — stürzte davon. Im Dorfe,
eine aus wenigen Gartenhäuschen bestehende Muna-Ansiedelung, fanden wir dann unseren
Mäsila, wie er mit gewichtiger Miene den Willen des Sultans verkündete, doch unsere
militärische Schutzmannschaft wurde nicht gesehen. Schon waren wir, auf dem Wege zu
dem dort liegenden Tank6no-Berge, als unsere Patrouille, die sich im Mangrovensumpfe
verirrt hatte, schweißgebadet hinter uns her kam.
Der T a n k 6 n o -B e rg besteht aus weißen und gelblichen Tertiärkalken, die in hohen
Steilwänden durch Abrutsche entblößt sind und mit ganz flacher Neigung NO einfallen.
Das Liegende derselben bildet ein sandiger Mergel, der reich an .-Molluskenschalen und
verkohlten Pflanzenresten ist. Aus seinen tieferen Schichten quellen gelbbraune, dicke Erdölmassen
heraus, welche von den Eingeborenen gesammelt und für Leuchtzwecke verwandt
werden. Im großen und ganzen ähnelt das geologische Vorkommen demjenigen in West-
Java in der* Landschaft Lebak; hier kann vielleicht ebenfalls ein miocäner Petroleum-Horizont
vorliegen. Der miocäne Kreidekalk zieht sich durch die ganze mittlere Hälfte von Buton,
ist aber, wte; es scheint, ölfrei und so stark verworfen, daß größere Ansammlungen aus
diesem Grunde schon nicht zu erwarten sind. Meist ist das Tertiär durch eine dicke Kruste
von Korallenkalk bedeckt, der in Terrassen bis auf die Berge hinaufsteigt.
Da es schon spät geworden war, und wir nicht in den Eingeborenenhütten übernachten
wollten, traten wir unseren Rückweg an. Neue Schwierigkeiten stellten sich uns
durch die: außergewöhnlich tiefe Ebbe, welche der Springflut folgte, entgegen. Unser Boot
hatte sich unter Bäumen durchzuzwängen, über die wir vorher glatt hinweggefahren waren.
Es blieb ihm nur ein schmaler Wasserstreifen in der Mitte des Flußbettes und oft mußte
es mit vereinten Kräften über eine flache Stelle hinweggezogen werden, wobei wir tief
durch den'Schlamm wateten. Zum Überfluß lag vor der Mündung noch eine große Schiick-
bank, und nur ein auf langer Strecke parallel der Küste fließender Seitenarm ließ uns
schließlich einen Ausweg ins Freie finden. Eins von unseren Booten war bereits festgefahren
und konnte nur mit Hilfe sämtlicher Leute ins tiefe Wasser geschleppt werden. Als in
kommender Nacht die Flut auch unser Segelschiff wieder flott gemacht hatte, trug uns ein
frischer Wind schnell nach Raha zurück.
Der folgende Tag verging mit dem Verladen unseres Gepäcks und der Sammlungen.
Um 4 Uhr morgens setzte ein leichter SO auf und brachte uns auf der „Kolumbia“ hinaus
in die Mitte der Straße. Jedoch schon bald erstarb er, und leblos fielen die Segel zusammen.
Die Wasserfläche wurde von keinem Lufthauch gekräuselt, sie lag regungslos
da wie flüssiges Blei und verschwamm im grauen Dunst der Ferne. Wie festgenagelt