Ein längliches Rechteck von sechszig Schritten Breite und
hundert 'vierzehn Schritten Länge, von Osten nach Westen
zu liegend, ist mit verschiedenen Bausteinen bedeckt,
jedoch so durchwühlt, dafs man gar nichts von dem
Grundplan des Tempels erkennen kann. Von der Ostseite
war dessen Haupteingang, und hier liegen zwei
Granitkolosse ausgestreckt, jeder etwas über zwanzig F.ufs
lang. (Taf. 1.) Die Bildhauerarbeit ist ganz in egyptischem
Styl; obgleich diese Statuen an mehreren Stellen absichtlich
verstümmelt wurden (an der einen sind die beiden
Arme weggehauen, die andere ist über der Brust gespalten),
so sind doch die Profile trefflich erhalten, und es
ähnelt viel den in den Kolossen von Ibsambul ausgedrückten
Gesichtszügen, Beide Statuen tragen als Kopfputz
die egyptische Priesterkappe, wovon die eine noch
insbesondere ridt einem Lorbeerkranz (?) geschmückt ist.
Halsbänder, Arm-, Hand- und Fufsspangen sind als Zier-
rath ausgemeiselt; die Lenden ximgürtert die gewöhnliche
kurze Schürze;- bfeide haben den linken Fufs vörgesetzt,
und, wie es scheint, die in Fäuste geballten Hände an den
Hüften anliegend. Zwischen den Füfsen des einen Kolosses
steht die kleine Statue eines Hor us . Da der
Tempel von Grund aus. durch Menschenhände, zerstört
wurde,„so kann man von der Abtheilung seiner Gemä-
eher gar nichts mehr eikennen; alles war von nicht sonderlich
grofsen Quadersandsteinen erbauet, deren geglättete
Aufsepseite Hieroglyphen schmückten. Unter den
Tempeltrümmern bemerkt man eine sitzende Sphinxstatue
von schwarzem Granit, auch eine Gruppe von vier neben
einander sitzenden Affen, gleichfalls von Granit, In
der Umgebung des Tempels sind wenig Schutthaufen,
aber an mehreren ändern Stellen von Argo findet man -
kleine Anhöhen von Backsteintrümmern und zerbrochener
Töpferwaare, und bei einer derselben bemerkte ich selbst
mehrere Bruchstücke von Granit.
Ha n d ä c k enthält von Alterthümern nichts als einen
Säulenschaft von Granit mit eingehauenen Hieroglyphen;
vielleicht ist er in einer neuern Zeit aus einer ändern
Gegend herbeigeschafft worden. Die Ruinen von Don-
gola Agusa auf dem Ost-Nilufer gehören zu christlichen
Tempeln aus dem mittleren Zeitalter; man findet
namentlich dünne Granitsäulen, deren Kapitaler mit Kreuzen
und Lilien verziert sind.
Das heutige Me roe ist freilich nicht der Ort, wo
einstens die berühmte Stadt lag, welche unter ähnlichem
Namen Erathostenes, Ptolemäus, Plinius und Andere
erwähnen; die Ueberbleibsel davon liegen bei Goos
Bu r r i , nördlich von der Insel Kurgos . *) Ob man
übrigens hierher oder nach dem benachbarten Berg B a r -
, ka l die Lage des alten Na p a l a versetzen soll, dieses
will ich keineswegs entscheiden. Hier in Me roe sind
die sichtbaren alterthümlichen Gegenstände nichts als iso-
lirte Monumente, nämlich eine verstümmelte sitzende
Sphinxstatue von schwarzem Granit und schöner Arbeit,
ein verstümmelter liegender Löwe, ein würflichter Gra—
nitblock mit Hieroglyphen, die obenerwähnte Granitbildsäule
eines Priesters, welche nach Neu-Dongola gebracht
*) Meine frühere Muthmafspng, dafs hier das von Herodot
erwähnte Meroe gestanden hahe, und dafs man demnach zwei
’'Städte von gleiehem Namen annehmen müsse, hahe ich als eine
grundlose Hypothese aufgegeben.