Todesfalls die Wunde der Aufschneidung zugewachsen
war, so befanden sie sich in einem sonderbaren neutralen
Zustande *), und die Eltern dieser Wittwen zwangen sie,
in selbigem zu bleiben, indem sie sich durch die Aufschneidung
freiwillig in die Klasse der Freudenmädchen
versetzt hätten.
Freudenmädchen scheinen mir übrigens nichts weniger
als in einer besondern Verachtung zu leben; sie waren
in jeder Wohnung zugelassen und ihre Gesellschaft
willkommen. Die Zahl der öffentlichen Weihspersonen
hat sich seit den letzten Kriegszeiten in der Provinz Don-
gola sehr vergröfsert; es sind immer von ihren Männern
verlassene Frauen oder Negersklavinnen, welche letztere
gewöhnlich dieses Gewerb für Rechnung ihrer Herren
treiben. Die Sklavinnen waren von jeher hierzu bestimmt,
dafs aber auch ehemals die Zügellosigkeit der freigebor-
nen Weiher grofs war, und man ihr Einhalt zu thun
suchte, erhellt aus einem alten Gebrauch, dem zu Folge
jedes von einer freien Frau geborene uneheliche Kind als
Sklave betrachtet wurde, der dem Melick als Eigenthum
zufällt. Trotz diesem Gesetz ist die Sittenlosigkeit sehr
grofs; ich möchte sogar behaupten, dafs im Gebiete der
eigentlichen Provinz Dongola und südlich jede Frau für
eine ihrer Schönheit angemessene Geldsumme sich Preis
gibt; nicht etwa aus Leidenschaft, denn Liebesintriguen
kennt man hier zu Lande nicht einmal dem Namen nach,
*) Dieser Umstand erklärt, warum man in diesem Theile von
Africa sogenannte jungfräuliche Sklavinnen mit syphilitischen
Krankheiten finden kann, wie mir selbsten mehrere Beispiele in
Egypten zu Ohren kamen.
auch ist der Reiz bei den Weibern durch die Circumci-
sion stark herabgestimmt; aber Geld oder Geldeswerth
ist immer die Losung, selbst bei den Eingeborenen unter
sich, und die Liederlichkeit ist durch Verjährung eingewurzelt.
Dieses gibt, wie natürlich, häufige Veranlassungen
zu Ehescheidungen; in diesem Falle ist gar keine
Formalität nöthig. Die Frau kehrt mit ihrer Ausstattung
zu ihrer Mutter oder den Angehörigen zurück, der Mann
hat für ihren Unterhält nicht weiter zu sorgen. Die ver-
stofsene Mutter mufs die etwaigen Kinder zu sich nehmen
und bis zum siebenten Jahre ernähren; nach diesem
Alter nimmt der Vater die Knaben zu sich, die Mädchen
bleiben ein Eigenthum der Mutter. Der so geschiedenen
Frau stehet es frei, nach Belieben ein anderes Eheband
anzuknüpfen, bei welcher Verehelichung der Hei-
rathspreis circa '/z geringer ist als bei den Jungfrauen.
Schliefst ein Ehepaar wieder Friede, so mufs der Mann
seiner Frau zwei Stück Baumwollenzeug geben im Werth
von 3 Speciesthalern.
Die Handhabung der Justiz ist jetzo ganz in den
Händen der verschiedenen türkischen Militär-Beamten,
: die nach eigenem Gutdünken richten. Es ist beinahe
fruchtlos, gegen diese Behörde hei dem Provinzial-Gou-
[ verneur zu appelliren, denn im günstigsten Fall wird
| höchstens der angeklagte türkische Kaimakan gewechselt.
I Die ehemaligen Melicks übten eine beinahe eben so will-
' kiihrliche Justiz aus, obgleich bei wichtigen Vorfällen
die Notahein mit, zu Rathe gezogen wurden. Bei Erbschaften
sollen die Theile der Knaben und Mädchen im
i Verhältnisse von 2 zu 1 stehen'; die Wittwe erhält aufser
ihrer Ausstattung die Quote eines Mädchens; sind die