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thige Freigebigkeit anderer früher bei ihnen gewesenen
Reisenden. Beides geschah offenbar, um sich ein besseres
Geschenk von mir zuzusichern; man stellt sich
zwar immer bei der Annahme, als ob man sich dessen
schäme; und gibt man Geld, so sprechen ,sie zuweilen
von beleidigtem Ehrgefühl; doch bedarf es keiner grofsen
Beredtsamkeit, um alle Skrupel zu beseitigen. Unter
dem Vorwande dieser Jandesgebräuchlichen Gastfreundschaft
wird übrigens sehr oft der Araber dem reisenden
Europäer sehr lästig, denn man wird mit Besuchen über-
häuit, bei welchen der Araber stillschweigend sich berechtiget
glaubt, den Mahlzeiten cds Gast beizuwohnen.
Am besten kömmt der Reisende in dem Fastmonate Ramadan
durch, den die Araber hiesiger Gegend allgemein
beobachten; dieses ist aber auch die einzige Religions-
v Ceremonie, die sie ausüben, denn die gesetzlich vorgeschriebenen
Gebete verrichten sie nie; es genügt ihnen,
bei jeder zu Verrichtenden Handlung die Formel: im Namen
Gottes (Bis millah) auszusprechen.
Da die reisenden Fremden immer unter dem unmittelbaren
Schutze ihrer Führer stehen, so ist kein Beispiel
von Diebereien oder Räubereien im südlichen Theile der
Halbinsel bekannt. Jedoch machen sich die Araber kein
Gewissen daraus, von den Kaffee- oder Getreideladungen,
die ihre Kameele zwischen Suez und Cairo führen, Kleinigkeiten
zu entwenden; besonders führten bei mir die
Pfaffen von St. Katharina Klage, wie willkührlich ihr
Mundvorrath auf dem Wege von Egypten von den Ka-
meelführern beeinträchtiget würde. Vor wenig Jahren
machten die hiesigen Araber häufig die Karavanenstrafse
von Suez nach Cairo unsicher, und die Ausräubung der
fünfhundert Kameelladungen Kaffee im Jahr 1823 ist ein
Beweis, dafs ihre Begriffe vom Personen-Eigenthum ih-
,rem Gewissen grofse Vergünstigung gestatten.
Obgleich den Arabern der dumme Stolz ganz unbekannt
ist, sich irgend einer Arbeit zu schämen, die auf Reisen
einem Kameelführer obligt, das heifst, Wasser und
Brennmaterial herbeizuschaffen, die Ladungen in gehöriger
Ordnung zu halten, und dem Beisenden in sonstigen kleinen
Vorfällen behülflich zu seyn, so haben sie doch den Ehrgeiz,
sich nicht einem gebieterischen Tone unterwerfen
zu wolle'n. Sie haben originelle Begriffe über die Vorzüge
ihrer Geburtsfreiheit, die ich im wahren Sinne des
Wortes Ahnenstolz nennen möchte; er äufsert sich ganz
besonders in ihrem festen Gebrauch, sich nie durch Eheverbindungen
zu vermischen; nichts desto weniger sind
die Gesichtszüge der Individuen einer Abtheilung so sehr
unter einander verschieden, dafs sich nichts Allgemeines
über ihre Formen sagen läfst, die Tehmi allenfalls ausgenommen.
Die freien Araber haben mit ihren Voreltern,
den nomadischen Israeliten, die Prahlerei gemein, ihre
Volkszahl immer weit gröfser anzugeben, als solche wirklich
ist. Befragt man die Araber über die Einwohnerzahl
oder Stärke der einzelnen Stämme, so möchte man
solche in der Halbinsel wenigstens auf fünfzig tausend
Seelen schätzen. Der nach und nach zerstörte Baumwuchs
in den Urgebirgthälern hat allerdings viel zur Verwüstung
des Landes beigetragen; jedoch konnte es nie zur Beherbergung
einer solchen Volksmasse geeignet seyn. Es ist
daher nicht zu verwundern, dafs die hebräischen Schriftsteller,
um der vierzigjährigen Erhaltung der gewifs ungemein
vergröfserten Anzahl aus Egypten gewanderter