Nachträge zur Morphologie des
Kopfs.
Vorläu f i g e Beme r kung en.
Die Morphologie geht darauf aus, einerseits
die mannichfaltigen Bildungen auf allgemeine
Grundformen zurück zu führen, andrerseits die
Besonderheit der Gestaltung als die durch die ei-
genthümliche Wesenheit der einzelnen Gebilde
gegebene besondre Artung der Grundform zu erkennen.
Sie begnügt sich demnach nicht, Aehn-
lichkeiten der äüssern Gestaltung aufzufassen, und
somit oberflächliche Vergleichungen anzustellen,
sondern sie fafst mit den räumlichen Eigenschaften
zugleich die Beziehungen zum Leben in Begriffen
auf, und schauet so die Wesenheit der
Gebilde an.
Betrachten wir nach diesen Grundsätzen das
Knochensystem, so erscheint uns dasselbe als das
Erstarren der lebendigen Bildung durch Ueber-
handnehmen des Erdigen zu Aufrechterhaltung
des irdischen, räumlichen Verhältnisses: der Knochen
ist die stützende Grundlage, welche den
übrigen Gebilden ihre Befestigung giebt; die" Umhüllung,
welche sowohl der fortstrebenden Bildungsthätigkeit
ihre endlichen Gränzen setzt, als
auch die Selbstbegränzung der Gebilde erhält und
bewahrt; das Starre, aber auch durch ein Zerfallen
in Gegensätze Bewegliche, welches dem Bewegenden,
dem Muskel, zur Anheftung dient und
den Bewegungen ihre feste bestimmte Richtung
ertheilt. Nun sehen wir die Wirbelsäule als eine
Reihe gleichartiger Knochen, welche diesen Begriff
am vollständigsten verwürklichen, und von
welchen alle Stütze, Umhüllung und Beweglichkeit
ausgeht, längs des ganzen Leibes sich erstrecken*
Wir erkennen demnach den Wirbel als
den allgemeinen Knochen, oder als den. Prototyp
der Knochenbildung an. (Vgl. vom Baue und
Leben des Gehirns 1 Bd. S. iso fg.) — Der Pro*
totyp ist aber nicht in der Würklichkeit gegeben,
sondern nur im Begriffe: er ist nämlich .die Summe
der wesentlichen Merkmale, welche den einzelnen
Gebilden gemeinschaftlich zukommen. Wir
haben also hier nicht einen bestimmten Wirbel
vor Augen, sondern den Wirbel überhaupt. So
dürfen wir demnach auch das, was einer einzelnen
Abtheiluug von Wirbeln eigenthümlich ist,
nicht in jedem Wirbelähnlichen wieder zu finden
suchen} z. B. dem ’Schädel nicht Schultern und
Hüften, Aerme und Beine heilegen, als wodurch
die Idee nur zu Tode gehetzt wird: darnach
müssen wir vielmehr ringen, dafs das Allgemeine
und Wesentliche vor unsre Anschauung trete und
die Klarheit des Begriffes das Ganze unsrer Am
sichten durchdringe.