IV.
Muskelfasern
In Rücksicht auf die Textur der Muskeln lassen sich
die Thiere unter zwei Abtheilungen bringen. Zur ersten
gehören die sämmtlichen Wirbelthiere, die Crustaceen
und Insecten. Bei diesen bestehen die Muskeln aus
graden, gleichförmig weiten, parallelen, dicht au einander
liegenden Cylindern. ln der zweiten Abtheilung,
welche die Mollusken und Würmer enthält, giebt es
ebenfalls cylindrische Muskelfasern. Diese liegen aber
nicht ganz parallel neben einander, sondern durch-
kreutzen sich unter schiefen Winkeln.
Die einfachen Muskelfasern der Wirbel thiere sind
durch Zellgewebe zu primitiven Bündeln verbunden.
Als ich meine frühere Abhandlung über die organischen
Elemente der Thiere schrieb, hielt ich diese primitiven
Bündel für die einfachen Fasern. Ich sähe zwar darin
längslaufende Linien*), glaubte aber nicht, dafs die
von diesen Linien begränzten Cylinder noch weiter von
einander trennbar wären. Bei spätem Untersuchungen
fand ich, dafs dieselben allerdings zuweilen sich ihrer
ganzen Länge nach von einander absondern. Die einfache
Muskelfaser der Wirbelthiere, so wie der Crustaceen
und Insecten, ist mir also jetzt das, was ich früher
Elementarcylinder der Muskelfaser genannt habe.
*) Vermischte Schriften. B. 1. Tab. XV. Fig. 80. 81.
Diese Faser ist weich, unelastisch und von immer
wasserhellem Inhalt. Oft scheinen zwar Kügelchen in
ihr befindlich zu seyn. Bei näherer Untersuchung aber
erkennt man, dafs diese ihr nur äusserlich ankleben.
Ihr Durchmesser ist ungefähr einerlei mit dem der
Elementarcylinder des ungeformten Zellgewebes, nehm-
lich von o,ooi bis 0,002 Mill. Von dieser Breite fand
ich sie bei einem Maulwurf, einem Aal, einer Karausche,
einem Necrophorus Vespillo, einer Plialaena bucephala
und mehrern Hornissen. Dicker erschien sie mir bei
einem Frosch und einer Locusta verrucivora. Bei jenem
war sie o,oo3 M. bei dieser Heuschrecke 0,0026 M.
breit. Von der Einwirkung des Weingeistes wird ihr
Durchmesser nicht merklich verändert.
Die aus diesen einfachen Fasern bestehenden primitiven
Bündel kommen als ganz von einander gesondert
und in einer ausgezeichneten Form unter den hornartigen
Spitzen vor, womit die Zunge mehrerer Säug-
thiere besetzt ist. Bei dem Kaninchen und der Maus
stöfst an die Basis jeder dieser Zacken das abgestumpfte
Ende eines aus sehr zarten, gleichlaufenden, primitiven
Muskelfasern bestehenden, cylindrischen, 0,0099 bis
0,0 132 Mill. breiten Bündels. Die sämmtlichen Bündel
machen, dicht neben einander stehend und senkrecht
gegen die Oberfläche der Zunge gerichtet, eine Lage
aus, die unter dem Vergröfserungsglase ein eigenes
Ansehn hat.
An den Fasern der willkührlichen Muskeln und
noch einiger anderer muskulöser Organe giebt es in
regelmäfsigen, gleich grofsen Zwischenräumen, deren
Weite mit der Gröfse des Durchmessers der Fasern