Das Hinscheiden des trefflichen Mannes, der
sich als practischer Arzt seit vierzig Jahren grofse
Verdienste um seine Mitbürger erworben hatte, und
der seiner grofsen Gelehrsamkeit wegen von allen
Gebildeten als eine Zierde seiner Vaterstadt angesehen
wurde, erweckte das Gefühl der herzlichsten
Theilnahme, das im deutschen Vaterlande wiederhallte.
In vollem Mafs verdiente der Verewigte solchen Beweis
von liebevoller Achtung; denn es wohnte in
ihm ein durch Denken und Wissen geläuterter Geist,
dessen rastloses Streben nach Wahrheit mit der Reinheit
undBiederkeit eines edelen Charakters im schönsten
Einklänge stand. Er hatte als Weiser gelebt, und es
war ihm gelungen, frei von den Eitelkeiten der Welt,
die beneidenswerthe Höhe zu erreichen, Herr über
sich selbst zu seyn. Keine niedere Leidenschaft hatte
die philosophische Ruhe des von achtem Sinn für
Natur und Menschenwürde beseelten Mannes gestört.
Er konnte mit dem Bewufstseyn von der Erde scheiden,
keinen Feind, keinen Beleidigten, keinen Gekränkten
zu hinterlassen.
Tr evi r anus war in jeder Hinsicht als Mensch
eben so ausgezeichnet wie als Gelehrter. Alle die
Schwächen und Untugenden, Eitelkeit, Dünkel, An-
mafsung, Vornehmthuerei, Hochmuth, Stolz, Rechthaberei,
Mifsgunst, Scheelsucht und Neid, die man
leider so oft im Gefolge der Gelehrsamkeit erblickt,
waren ihm ganz fremd. Er war einfach, offen, gerade,
anspruchlos, beschefden, fremdes Verdienst
überall anerkennend und ehrend, und in seinem
Urtheil mild und schonend. Hiefür geben seine Werke
Zeugnifs, und solches habe ich während eines vieljährigen
Briefwechsels und eines öfteren persönlichen
Umgangs wahrzunehmen Gelegenheit gehabt. Er war
mit einem vortrefflichem und reich ausgestattetem
Gemüth begabt, dessen ganze Tiefe sich aber nur den
Seinigen und den vertrauten Freunden aufschlofs, und
das, je mehr es war, desto weniger zu scheinen sich
bestrebte. Er war zugleich ein theilnehmender, warm
sich anschliefsender Freund, für alle Freude, und
alles Leid gleich empfänglich. Im Herbst des Jahrs
1831 hatte Tr ev i r anus den Tod einer theuren
Anverwandtin zu beklagen, und er befand sich in
Sorgen wegen einer Krankheit seiner Tochter. Damals
schrieb er mir, der ich durch den Verlust einer
geliebten Tochter niedergebeugt war: „Ja mein Lieber,
„das Leben ist ein trauriges Geschenk, wenn nicht
„hinter dem Vorhänge der Bühne ein grofses Ge-
„heimnifs ist. Für Eine freudige Stunde viele traurige
„Tage, für Eine erfüllte Hoffnung hundert vereitelte!
„Lassen Sie uns an jenes Geheimnifs glauben und
„nach der stillen Welimuth trachten, wobei das Herz
„nicht erstirbt, indem die Schatten der entschlafenen
„Geliebten in verklärter Gestalt diesem stets nahe
„bleiben.“
Möge sich dir nun, du theurer, unvergefslicher
Freund, mit dem ich für Geist und Gemyth genufs-
reiche, frohe Stunden verlebt habe, das hinter dem
Vorhänge der Lebens-Bühne schwebende Geheimnifs,
zu welchem dich ein tief in deiner Seele wurzelnder