Stecknadeln, die gleichzeitig gesellen werden, bildet
sich der eine p, auf den wir das Auge heften, in
der Augenaxe bei a, der andere q ausserhalb derselben
bei o ab. Das letztere Bild ist undeutlich, das erstere
bestimmt. Der Eindruck, den p auf das Auge macht,
und also der Unterschied in der Deutlichkeit zwischen
den Bildern a und o wird geringer, wenn man p
weiter vom Auge weg nach p ' versetzt, so dafs
b p ' ==■ b q wird, vorausgetzt, dafs der Unterschied
zwischen b p und b q nicht sehr gering ist. Entfernt
sich p ' noch weiter, und zugleich mit q, vom Auge
nach p " und q', während die Perpendikel g q und
h q ' sich gleich bleiben, so nähert sich das Bild o
dem Bilde a, indem es nach n geht, und der Unterschied
in der Deutlichkeit beider Bilder wTird noch
mehr als im vorigen Falle vermindert. Dieser Erfolg
ist den einfachsten optischen Gesetzen ganz gemäfs.
Betrachten wir jetzt mit gespannter Aufmerksamkeit
und mit unverwandtem Auge eine längere Zeit das
in der Augenaxe befindliche Object p, so entschwandet
das andere q immer mehr dem Bewrufstseyn. Aber
was hat es mit einem Accommodationsvermögen des
Auges gemein, dafs, wenn wir im Anschauen eines
Gegenstandes ganz verlohren sind, die übrige Welt
uns entrückt ist?
Die Sehekraft der Netzhaut concentrirt sich allerdings
ganz zunächst der Augenaxe, wrenn das Object,
worauf diese gerichtet ist, ausschliefslich uns beschäftigt.
Damit aber unsere Aufmerksamkeit nicht
getheilt werde, mufs dieser Gegenstand gegen die
übrigen, die neben ihm im Gesichtsfelde sind,
contrastiren. Blickt man auf mehrere kleine, neben
einander stehende Nullen, einfache Zahlen, Buchstaben,
oder sonstige Figuren, die alle einerlei Gestalt,
Gröfse und Farbe haben, in regelmäfsigen
Reihen geordnet sind und gleich weit von einander
abstehen, so ist es nicht möglich das Auge eine
längere Zeit auf einen der Gegenstände zu heften.
Dieses wendet sich unaufhörlich vom einen zum andern,
sucht in jedem etwas Unterscheidendes und findet
immer dasselbe Bild wieder. Zwischen den beiden
obigen Objecten findet nun ein merklicher Contrast
statt, so lange sich das eine in p, das andere in q
befindet. Dieser verliehrt sich aber um so mehr, je
weiter beide Gegenstände, bei unverändertem Abstande
derselben von einander, vom Aifge entfernt werden.
Der Grund der Thatsache, wTorauf sich Kohl rausch
beruft, ist also gar nicht so einfach, wie dieser
Schriftsteller zu glauben scheint. Es giebt überhaupt
manche Umstände beim Sehen, die sich nicht aus
optischen Gründen, sondern nur aus den Gesetzen
der Erregbarkeit erklären lassen. Das eben gedachte
Factum betrachtete auch schon Jurin*) als ein rein
physiologisches. Er führt ausserdem als ein solches
die Erfahrung an, dafs eine weisse, auf einem breiten,
schwartzen Grund gezogene Linie dem Auge weit
länger sichtbar bleibt, als der w'eisse Zwischenraum
zwischen zwei schwartzen, auf weissem Grund gezogenen
Linien, der mit jener weissen Linie einerlei
Breite hat. Dahin gehört auch die von mir gemachte
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