
Was sind nun die Elementarcylinder? Von einer
optischen Täuschung rühren sie auf keinen Fall her.
Man sieht sie bei jedem Einfall des Tageslichts, solange
dieses nur stark genug ist, um etwas mehr als den
Hofsen Umrifs des, unter dem Microscop liegenden
Objects hinreichend zu erhellen. Sie sind auch schon
bei einer i 5umaligen und selbst noch geringem Ver-
gröfserung in manchem Zellgewebe sichtbar. Nur mufs
man sie schon bei einer, wenigstens 3oomaligen beobachtet
haben, um sie bei einer schwachem für das,
was sie sind, zu erkennen. In schlaffem Zellgewebe,
das einige Zeit in Weingeist gelegen hat, erscheinen
sie unter einer schwach vergröfsernden Linse so, wie
dem blofsen Auge in Wasser schwimmende Knäuel von
Haaren. Man erblickt sie selbst schon unter der blofsen
Loupe, zwar nicht einzeln, doch bündelweise ein netzartiges
Gewebe, das Corpus cribrosum einiger ältern
Anatomen bildend, dessen Fäden aus zusammenge-
dreheten Elementarcylindern bestehen. In Weingeist
erhalten sie sich nicht nur, sondern bekommen auch
oft darin weit schärfere Umrisse als sie im frischen
Zustande haben. Blofser, in Fäden ausgezogener Schleim
sind sie auf keinen Fall. Diese Materie bildet nie so
feine und noch weniger so unter einander verschlungene
Fäden, dafs( man sie mit den Elementarcylindern vergleichen
könnte. Etwas mehr Aehnlichkeit mit den
letztem haben die Streifen, die man unter dem Microscop
in Schleim sieht, der erst eingetrocknet und dann wieder
aufgeweicht ist. Aber dies sind blofse, von keiner
eigenen Haut umgebene Gänge in der zähen Flüfsig-
keit; hingegen dafs die Elementarcylinder von einer
eigenen Haut gebildet sind, davon überzeugt man sich,
wenn man die Ränder von Zellgewebe, das in einem
Tropfen Wasser liegt, hinreichend vergröfsert betrachtet.
Man findet daran immer Cylinder, die über die Gränzen
des Gewebes, und oft ziemlich weit, einzeln hervorragen.
Wären sie blofse Gänge, so würden sie sich nicht über
die Ränder der Substanz hinaus erstrecken können. Auch
sind jene Streifen nie so unter einander verschlungen
wie die Elementarcylinder. Was endlich allen Zweifel
an der Wirklichkeit der letztem, als von einer eigenen
Haut umgebener Gebilde hebt, ist die Thatsache,
worauf wrir unten zurückkommen w'erden, dafs sie in
einigen Eingeweiden aus dem Zustande der gröfsten
Zartheit iu einen andern übergehen, worin sie alle
Charactere wahrer, für sich bestehender Röhren haben.
Diese Cylinder sind schon längst von andern Beobachtern
wahrgenommen. Sie wurden aber bald mit
Formen zusammengeworfen, die man nur bei einer
unrichtigen Anwendung des Microscops erblickt; bald
für gleichartig mit Dingen gehalten, die nichts mit
ihnen gemein haben, und bald nach vorgefafsten Meinungen
gemodelt. So sähe Mascagni allenthalben
lymphatische Gefäfse, und einige der Figuren seines
Prodromus scheinen erweiterte Elementarcylinder als
solche vorzustellen. Viele der übrigen Zeichnungen
dieses Werks sind nach blofsen, von der Beleuchtung
der Gegenstände durch das Sonnenlicht entstandenen
Trugbildern gemacht. Für lymphatische Gefäfse hat
auch Arnold in seinen „Anatomischen und physiologischen
Untersuchungen über das Auge des Menschen“
(S. 2 fg.) die Elementarcylinder erklärt. Die 4 ersten