III.
Hirn- und Nervensubstanz.
Unter allen thierischen Substanzen erfordert keine eine
so zarte Behandlung als die des Gehirns, wenn man
über die Beschaffenheit der Elementartheile derselben
Gewifsheit erhalten will. Sie hat wenig Durchsichtigkeit^
und inan kann deswegen unter starken Ver-
gröfserungsgläsern ihre Textur nur an sehr dünnen,
von ihr abgenommenen Scheiben beobachten. Sie ist
dabei halbflüfsig, und sehr dünne Abschnitte von ihr
lassen sich auch mit den schärfsten Messern nicht ohne
Druck und Zerrung ihrer organischen Elemente machen.
Es ist ferner nicht einerlei, in welcher Richtung man
schneidet, wenn man diese Elemente in ihrer ursprünglichen
Gestalt sehen will. Die Ausbildung der letztem
im Leben geht auch viel langsamer, hingegen die
Zersetzung derselben nach dem Tode weit schneller in
der Hirnsubstanz als in allen übrigen Theilen vor sich.
Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, dafs über
Textur des Gehirns mehr Irriges als über einen
andern Punct der Lehre von den thierischen Geweben
vorgebracht ist. Die Schwierigkeiten der Untersuchung
lassen sich nur durch lange Uebung in der Behandlung
microscopischer Gegeustände, Ausdauer im Beobachten
und Vervielfältigung der Erfahrungen an Thieren aus
verschiedenen Classen und Gattungen, und von verschiedenem
Alter heben. Ich habe mein Möglichstes
gethan, mir Gewifsheit über jene Gegenstände zu verschaffen,
und wenn mir auch noch Vieles daran dunkel
geblieben ist, so glaube ich doch, dafs mir einige
Seiten derselben klarer geworden sind, als sie Andern
und früher mir selber waren.
Hi rnsubs tanz der Wi rbel thiere.
Meine frühem Beobachtungen schienen mir auf
den Schlufs zu führen, dafs die organischen Elemente
des Gehirns einerlei mit denen des Zellgewebes seyen,
und dafs die eigenthümliche Wirkungsart dieses Eingeweides
nur iu der eigenen Beschaffenheit des Safts,
der in den Elementarcylindern desselben enthalten ist,
begründet seyn könne. Diesen Schlufs finde ich in
Betreff der Corticalsubstanz des Gehirns auch jetzt
richtig. Ich sähe in dieser bei den Wirbelthieren
ähnliche Cylinder und eine ähnliche Verschlingung
derselben wie im Zellgewebe. Die 79te Figur der
i4ten Tafel der Vermischten Schriften, die ein Stück
von der Rindensubstanz des Rückenmarks eines Frosches
vorstellt, zeigt die Verschlingung und die Gestalt der
Cylinder so, wie man sie an manchen Stellen dieses
Eingeweides wahrnimmt; nur erscheinen sie hier breiter,
wie sie sich mir bei spätem Beobachtungen und selbst
bei einer 5oomaligen Vergröfserung in der Rindensubstanz
gezeigt haben.*) Oft sind sie zwar knotig.
) Der Unterschied rührt wohl vorzüglich davon her, weil ich früher diese
Theile blos mit einfachen, später mit zusammengesetzten Vcrgröfse-
rungsgläsern untersuchte, jene ein kleineres Sehefeld als diese haben
und ein Gegenstand unter dem Microscop uns um so gröfser erscheint,
je kleiner das Sehefeld ist.