hält, so sieht man alle Worte ohne Anstrengung
deutlich. Rückt man das JBlatt bis auf eine gewisse
Weite vom Auge weg, oder nähert es demselben bis
auf eine gewisse Gränze, so wird die kleine Schrift
unleserlich, während die grofse noch lesbar bleibt.
Kommen die gebrochenen Strahlen bei dem erstem
Abstand vollkommen auf der Netzhaut zusammen, so
divergiren oder convergiren sie vor dieser Haut bei
der letztem Entfernung. Hieraus schliefst Jur in, dafs
nicht zum blos deutlichen Sehen, sondern nur zu
dem, w?as er das vollkommen deutliche Sehen nennet,
genaue Vereinigung der Strahlen auf dem Hintergründe
des Auges nothwendig ist. Diese Folgerung
hat ihre völlige Richtigkeit: denn, wenn die gebrochenen
Strahlen bei dem ersten Abstand vollkommen
convergirten, und bei dem zweiten Abstand durch
eine Accommodation ebenfalls vollkommen convergent
gemacht würden, so müfste bei der zweiten Entfernung
eben so gut wie bei der ersten nicht blos
die grofse Schrift, sondern auch die kleine wieder
leserlich seyn. Jur in bot aber vergeblich allen seinen
Scharfsinn auf, um diesen Schlufs mit der gewöhnlichen
Theorie des Sehens zu vereinigen. Mit den
Sätzen, wovon er ausgeht, läfst sich nicht die Möglichkeit
eines blos deutlichen Sehens ohne Schärfe
desselben in Uebereinstimmung bringen. Man kömmt
damit nicht über die allmählige Abnahme des Lichts
im Rilde auf der Retina vom Centrum nach der
Peripherie wreg, die in jedem Falle statt findet, worin
die gebrochenen Strahlen auf dem Hintergründe des
Auges nicht vollkommen concentrirt werden, und
womit Bestimmtheit der Umrisse des Bildes, also das,
was Bedingung des deutlichen Sehens ist, nicht bestehen
kann. Seine Sätze führen überdies auf einen
Schlufs, dem die Erfahrung widerspricht, nehmlich
den, dafs die Fixsterne uns entweder alle von einem
Halbschatten umgeben, oder alle von einerlei Grofse
erscheinen müfsten.
Alle Schwierigkeiten fallen weg, wrenn man die
Linse des Auges für das annimmt, was sie wirklich
ist, für einen Körper, dessen Dichtigkeit vom Umfange
nach dem Mittelpuncte zunimmt. Ich habe in meiner
Schrift über die blättrige Textur der Crystalllinse u. s.w.
bewiesen, dafs dieser Körper die Strahlen innerhalb
einer gewissen Gränze bei jeder Entfernung des
Objects auf eine Art bricht, die der gewöhnlichen
entgegengesetzt ist, und wobei keine Zerstreuung
derselben am Rande des Bildes eintritt. Damit ist
die Deutlichkeit des Sehens bei unveränderter Gestalt
und brechender Kraft des Auges für jeden Abstand
des Objects erklärt, w'ofür noch Beschränkung der
Breite des Strahlenkegels, der vom strahlenden Punct
auf die Hornhaut fällt, bis auf eine gewisse Gränze
möglich ist. Die Beschränkung geschieht durch die
Pupille. Diese ist dabei wirksam bis zur unendlichen
Entfernung des Gegenstandes: denn sie kann sich bis
dahin auf die entsprechende Art erweitern. Ihre
Zusammenziehung hat aber eine gewisse Gränze. Sie
kann deswegen bei einer gewissen Nähe des Objects,
die in der Regel 4 bis 5 Zoll beträgt, die Breite des
Strahlenkegels nicht mehr so weit, wrie zum deutlichen
Sehen nöthig ist, vermindern, und darum tritt in diesem